Viele Unternehmen wollen ihre Mitarbeitenden wieder verstärkt im Büro statt im Homeoffice sehen. Doch mit Präsenzpflichten vergraulen sie ihre Angestellten, zeigt eine weltweite Umfrage. Vor allem die Deutschen legen Wert auf eine Work-Life-Balance.
Auf die Privilegien des Homeoffice möchten viele Menschen nicht mehr verzichten. In Deutschland würden die meisten Beschäftigten sogar eher ihren Job kündigen, als häufiger ins Büro zu gehen. 53 Prozent derjenigen, die von ihren Arbeitgebern wieder zu mehr Präsenz im Büro verpflichtet werden als noch vor zwölf Monaten, schauen sich nach einem neuen Job um.
Das zeigt eine Umfrage im Auftrag der Personalberatung Page Group unter rund 50.000 Personen mit Bürojobs weltweit, 2140 davon in Deutschland. Die Ergebnisse liegen Capital exklusiv vor.
STERN PAID Home-Office Studie 6.34
Immer mehr Unternehmen, die seit der Coronapandemie die Arbeit von zu Hause verordnet und für lange Zeit auch weiterhin ermöglicht haben, beordern ihre Mitarbeiter mittlerweile wieder ins Büro. Strenge Anwesenheitsregeln haben etwa die Deutsche Bank, Microsoft oder SAP verkündet. Einige wollen so Kontrolle zurückgewinnen und mehr Produktivität aus ihrer Mannschaft herausholen, andere argumentieren damit, dass leer stehende Büroflächen effizienter genutzt werden sollen. Aktuell arbeiten 35 Prozent mehr Beschäftigte wieder in Präsenz als noch vor einem Jahr. Knapp die Hälfte davon macht das jedoch offenbar nur widerwillig.
Das wird möglicherweise Konsequenzen haben. "Ich gehe davon aus, dass der Druck auf die Arbeitgeber früher oder später so immens sein wird, dass sie ihre Richtlinien wieder lockern müssen", sagt Goran Barić, Deutschland-Geschäftsführer der Page Group. "Unternehmen, die sich das nicht leisten können, müssen wahrscheinlich den Preis zahlen, dass Mitarbeitende abwandern." Denn für viele seien bei der Jobwahl flexible Arbeitszeiten fast genauso wichtig wie das Gehalt.
STERN PAID 8_22 Die Homeoffice -Lüge 09.19
Dieser Trend zu mehr Flexibilität ist zwar global zu beobachten, aber nirgendwo ist die Work-Life-Balance so wichtig wie in Deutschland. 64 Prozent der Befragten hierzulande gaben an, dass sie das persönliche Wohlergehen einer Beförderung mit Gehaltserhöhung vorziehen – ein internationaler Spitzenwert. Weltweit sagen das im Schnitt nur 48 Prozent, in Europa 57 Prozent.
Barić glaubt, dass "der Druck und die Macht des Arbeitnehmers die nächsten Jahre bestehen bleiben wird", da der Fach- und Führungskräftemangel enorm seien. Unternehmen bleibe aus seiner Sicht nur übrig, offen zu kommunizieren und den Mitarbeitenden mitzuteilen, wo man stehe. "Es bringt nichts, allen mehr Komfort, Flexibilität und Freiheit zu geben, wenn dadurch vielleicht die Produktivität leidet und das Unternehmen in eine Schieflage gerät", sagt Barić.
Nur eine Gruppe kann dem Büro noch eher etwas abgewinnen: die der jungen Menschen zwischen 20 und 30 Jahren. So sagen etwa 21 Prozent der 20-Jährigen, dass sie durch Präsenzarbeit ihre Karriere fördern wollen, aber nur zwölf Prozent der 50-Jährigen.