Vor 25 Jahren lief in den USA zum ersten Mal ein Krawatte tragender Schwamm über den Bildschirm. Drei Jahre später auch in Deutschland. Seitdem leiht Santiago Ziesmer Spongebob seine Stimme. Mittlerweile hat er das Gefühl: Er und der Schwamm wachsen zusammen.
Herr Ziesmer, ist das mit Spongebob und Ihnen rein beruflich oder schlafen Sie auch im Spongebob-Pyjama und trinken aus einer Spongebob-Tasse?
Zum Geburtstag und zu Weihnachten bekomme ich ständig Dinge mit Spongebob drauf geschenkt. Die Leute denken, das sei originell. Manche Sachen habe ich dreifach. Vieles verschenke ich. Eine Freundin von mir brachte ihr Kind dank meiner Spongebob-Bettwäsche endlich zum Einschlafen. Leider weigerte es sich daraufhin in anderer Bettwäsche zu schlafen, so dass sie ein zweites Set kaufen musste.
Sie klingen auch ein bisschen wie Spongebob, wenn Sie ganz normal sprechen.
Das stimmt, den hört man raus. Meine Stimme hat einen hohen Wiedererkennungswert.
Wurden Sie in der Bäckerei schon mal mit "Gerne, Spongebob" abkassiert?
Einmal, als ich mich beim Bäcker mit der Verkäuferin unterhielt und lachte, zog mich ein kleines Mädchen am Ärmel. "Bist du der Spongebob?", fragte sie mich. Auch wenn ich im Taxi sitze und mich mit dem Fahrer unterhalte, bemerke ich manchmal irritierte Blicke. Oft kommt die Frage: "Kann es sein, dass ich Ihre Stimme schon mal irgendwo gehört habe?"
Vor allem Ihr Spongebob-Lachen ist ikonisch. Ist das für Sie anstrengend oder so normal wie atmen?
Das Lachen strengt mich nicht an, aber müsste ich den ganzen Tag genau wie Spongebob sprechen, würde das meinen Stimmbändern schaden. Deshalb begrenzen wir eine Aufnahme auf bis zu vier Stunden. Im Fernsehen sah ich mal, wie dem Originalsprecher von Spongebob aus den USA dieses besondere Lachen gelingt. Er klopft sich dabei mit den Fingern auf die Kehle. Das probierte ich sofort auch aus. Bei mir klang es blöd. Deshalb habe ich mich stattdessen an einem Lachsack orientiert.
An einem Lachsack?
In meiner Kindheit gab es diese Säcke, in die man sich reinsetzte oder drauf drückte und dann gaben sie lachende Laute von sich. Dieses Geräusch versuchte ich nachzuahmen. So entstand Spongebobs Gelächter.
Rutscht es Ihnen manchmal auch außerhalb der Aufzeichnungen heraus?
Ja, manchmal spreche oder lache ich privat versehentlich wie Spongebob. Dann denke ich: "Oh, da ist er wieder rausgekommen."
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Was hat Spongebob, das Sie nicht haben?
Ich habe ganz viel von Spongebob und er von mir. Eine Trickfigur muss die Menschen genauso berühren wie eine reale Figur, deshalb lege ich viele meiner Emotionen in Spongebob. Sonst wäre er nicht glaubwürdig. Über die Jahre sind wir zusammengewachsen, es ist wie eine Symbiose.
Müssen Sie vor einer Sprachaufnahme drei Dosen Energy Drink zu sich nehmen, um das energiegeladene Spongebob-Level zu erreichen?
Früher habe ich vorher Stimmübungen gemacht wie ein Sänger, der sich einsingt. Mittlerweile bin ich seit 22 Jahren als Synchronsprecher im Studio. Da brauche ich das nicht mehr.
Wie wurden Sie entdeckt?
Mein ganzer beruflicher Erfolg ist durch Zufälle entstanden. Man könnte es auch Schicksal nennen. Ich wurde in die Branche reingeschubst. Als ich elf Jahre alt war, suchte ein Regisseur an meiner Schule nach einem kleinen Jungen für den Film "Alle Loks pfeifen für Jan". Es ging um die wahre Geschichte eines Jungen, der im Rollstuhl saß. Eigentlich wollte der Regisseur einen Erst- oder Zweitklässler nehmen, aber als er aus dem Fenster auf den Schulhof sah, entdeckte er mich. Ich war so klein, dass er mich vorsprechen ließ. Kurze Zeit später hatte ich eine Agentin und eine Anfrage nach der anderen. Meistens spielte ich Außenseiterrollen. Ein Romeo war ich mit meiner Größe von 1,64 Meter nie. Aber das war auch gut so, Romeos gab es längst genug. Ich fand Spaß am Spielen und begann Schauspielunterricht zu nehmen.
Und Spongebob?
Für die Rolle wurde ich gecastet, ebenfalls zufällig. Ein Klassenkamerad fragte mich damals, ob ich Lust hätte, bei Hörspielen seines Vaters mitzumachen. Manchmal denke ich: Es ist, als sei es vorherbestimmt. Lustigerweise habe ich bei mir zu Hause jetzt auch noch drei goldene Schallplatten hängen, weil jemand von Sony Music auf die Idee kam, die Spongebob-Lieder als Album herauszubringen. Dass ich je mit Musik erfolgreich werde, hätte ich niemals gedacht – es ist Wahnsinn.
Neben Spongebob sprechen Sie noch eine andere sehr bekannte Figur: das Ferkel von Winnie Pooh. Wer ist anstrengender?
Das Ferkel spricht in einer sehr hohen Tonlage, sodass es für meine Stimmbänder eindeutig anstrengender ist.
Hätten Sie bei den ersten Folgen, die Sie eingesprochen haben, je gedacht, dass die Geschichte über einen im Wasser lebenden Schwamm so erfolgreich wird?
Niemals! Mit dem viereckigen, löchrigen Ding konnte ich zunächst nichts anfangen. Damals erzählte ich meiner Schwester nach dem Casting: "Ich spreche einen Käse." Erst als ich mehr Folgen sah, begriff ich den wunderbaren Humor von Erfinder Stephen Hillenburg. Er war Meeresbiologe, deshalb kannte er sich gut mit der Unterwasserwelt aus. Und er besaß eine unendliche Fantasie.
Ist es die mit dem Humor verbundene Fantasie, die Spongebob so beliebt macht?
Sicherlich spielt die eine große Rolle. Vor allem, weil der Humor Kinder und Erwachsene gleichermaßen anspricht. Manche Witze verstehen Kinder noch nicht, dafür haben ihre Eltern was zum Lachen. Vielleicht noch wichtiger ist, dass Spongebob so ein liebenswerter Kerl ist. Er ist fröhlich, nie nachtragend oder gemein und immer, wirklich immer herzlich. Sein bester Freund, der Seestern Patrick, ist nicht die hellste Kerze auf der Torte. Aber das ist Spongebob egal. Er mag ihn so, wie er ist. Ich glaube, dass jedes Kind gerne einen Freund wie Spongebob hätte.
