Nach den Festnahmen von mindestens elf Abgeordneten der pro-kurdischen Partei HDP haben türkische Polizisten versucht, eine Pressekonferenz der Oppositionspartei in Ankara zu verhindern. Die Polizei lässt Journalisten auch mit dem Presseausweis der Regierung nicht durch die Absperrungen an der HDP-Zentrale, berichteten mehrere Reporter vor Ort. Die Pressekonferenz war ursprünglich für 10 Uhr (Ortszeit 8 Uhr) geplant.
Unter den Festgenommenen sind die beiden Parteivorsitzenden Selahattin Demirtas und Figen Yüksekdag sowie mehrere Abgeordnete der HDP, berichteten die Agentur Anadolu und weitere Medien in der Nacht zu Freitag. Den HDP-Politikern wird die "Verbreitung terroristischer Propaganda" vorgeworfen.
Am frühen Freitagmorgen kam es zu einem Autobomben-Anschlag in der Stadt Diyarbakir. Anwohner berichten von einem Kleinbus, der explodiert sei – die Detonation hat sich in der Nähe des Polizei-Hauptquartiers ereignet. Hubschrauber kreisen über Diyarbakir, eine Rauchwolke stieg auf.
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Freitag, 15:14: Auch Österreich bestellt Gesandten ein. Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) entschied, den Geschäftsträger der türkischen Botschaft in Wien am Freitag einzubestellen. Damit solle die Bedeutung der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit unterstrichen werden und Unmut und Unverständnis über die Verhaftung der Oppositionspolitiker ausgedrückt werden, sagte ein Sprecher von Kurz.
Freitag, 13:50: Kurden protestieren auf dem Alexanderplatz gegen das Vorgehen der türkischen Regierung.
Freitag, 13:27: Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier bestellt türkischen Gesandten ein.
"Die nächtlichen Festnahmen von Politikern und Abgeordneten der kurdischen Partei HDP sind aus Sicht des Außenministers eine weitere drastische Verschärfung der Lage", hieß es zur Begründung aus dem Auswärtigen Amt.
Niemand bestreite demnach das Recht der Türkei, der Bedrohung durch den Terrorismus entgegenzutreten. Das dürfe aber nicht als Rechtfertigung dafür dienen, die politische Opposition mundtot zu machen oder gar hinter Gitter zu bringen.
Freitag, 12:20: Zusammenstösse zwischen Polizei und Pro-Kurdischen-Demonstranten in Ankara nach den Verhaftungen der HDP-Parteispitze.
Freitag, 11:50: Ein Video zeigt den Augenblick der Autobomben-Explosion in Diyarbakir:
Freitag,10:42: In der Türkei hat die pro-kurdische HDP die Festnahme ihrer Vorsitzenden und weiterer Abgeordneter als politische Lynchjustiz verurteilt. Sprecher Bilgen rief die Anhänger der Partei in einer über das Internet verbreiteten Stellungnahme zu Protesten auf.
Die EU-Außenbeauftragte Mogherini äußerte sich besorgt über die Lage in der Türkei. Sie stehe in Kontakt mit den Behörden und habe ein Treffen der EU-Botschafter in Ankara einberufen.
Freitag, 9:55: Auch die Parteizentrale in Ankara wurde durchsucht. Die HDP ist mit 59 Sitzen die drittgrößte Partei im Parlament und die größte politische Vertretung der kurdischen Minderheit in der Türkei. Parteichef Demirtas wurde den Angaben zufolge aus seinem Haus in der Kurdenmetropole Diyarbakir im Südosten der Türkei abgeführt.
Kurz vor seiner Festnahme hatte er eine Erklärung über den Kurznachrichtendienst Twitter verbreitet: „Vor der Tür meines Hauses in Diyarbakir stehen Polizisten mit der Anweisung zur Vollstreckung eines Haftbefehls.“
Die türkischen Behörden machen die kurdische PKK für den Anschlag verantwortlich. Nach Angaben des türkischen Justizministers Bekir Bozdag starben bei dem Anschlag sowohl Zivilisten als auch Polizisten. Mindestens 30 Menschen wurden verletzt.
Der Justizminister verteidigte die Festnahme der HDP-Politiker in seiner Ansprache zudem als rechtmäßig.
Bei seiner Rede wandte sich Bozdag auch an Kontinental-Europa: Weder Kanzlerin Angela Merkel noch die EU-Kommissare hätten das Recht, der Türkei „Lehren zu erteilen”. Man müsse verstehen, dass „die türkische Justiz genauso neutral und unabhängig ist wie die deutsche.“
Bozdag weiter in Richtung Deutschland:
„Rechtsstaat und Freiheiten gibt es nur für Deutsche. Wenn Sie ein Türke in Deutschland sind, haben Sie überhaupt keine Rechte.”