Mark Rutte gilt als Befürworter des EU-Assoziierungsabkommens und er würde das in den Niederlanden heftig umstrittene Abkommen mit der Ukraine gerne schnellstmöglich umsetzen. Doch er kann die Ergebnisse des rechtlich nicht bindenden Referendums vom April 2016 nicht ignorieren, da er vor den Parlamentswahlen, die im März des nächsten Jahres stattfinden sollen, keine Wähler verprellen möchte. Den Ergebnissen des Referendums zufolge sollte die Regierung in Den Haag das EU-Assoziierungsabkommen nicht ratifizieren: In der konsultativen Abstimmung hatten 61 Prozent der Teilnehmer gegen eine Unterzeichnung gestimmt.
Bis zum 1. November sollte Ruttes Kabinett nun seine Entscheidung zum Abkommen mitteilen. Bis vor kurzem standen noch alle Zeichen auf eine Ablehnung des Vertrages. Doch die EU setzt die Niederländer unter Druck, das Abkommen nicht scheitern zu lassen. Für die Ukraine hat es einen starken Symbolcharakter hinsichtlich der Umsetzung des proeuropäischen Kurses der postmaidanen Regierung. Der EU verspricht es wiederum viele wirtschaftliche Privilegien und eine Sicherung ihres Einflusses.
Außerdem zöge nach dem Brexit, dem "nervenden" Gezerre um CETA und anderen Unannehmlichkeiten ein Misserfolg der EU auch in dieser Hinsicht einen weiteren schwer reparablen Imageschaden nach sich.
Deswegen bemühte sich Mark Rutte zunächst um das höchstmögliche Maß an Diplomatie, um möglichst allen Interessensgruppen gerecht zu werden. So schrieb er am Montag in einem Brief an das Parlament, er halte es für möglich, dass die Position derer, die in dem Referendum "Nein" gesagt hatten, in seinen Verhandlungen mit den EU-Ländern und der Ukraine berücksichtigt werde.
Im Gespräch ist dabei vor allem eine Ergänzung zum vorhandenen Abkommen, die den Ukrainern faktisch die Möglichkeit eines EU-Beitritts abspricht – und zwar auch noch in vielen Jahren.
Diplomatisch heißt es im Brief:
Das EU-Assoziierungsabkommen ist kein Schritt zu einem EU-Beitritt und Ukrainer bekommen keinen Zugang zum Arbeitsmarkt der EU. Es soll auch ergänzt werden, es werde keine militärische Zusammenarbeit und finanzielle Hilfe geben.
Weitreichende Änderungen dieser Art würden das Abkommen für seine Architekten allerdings gleich viel weniger interessant machen - abgesehen davon, dass die blutige Maidan-Revolte, die, vorgeblich um das Assoziierungsabkommen zu erzwingen, ein gesamtes Land in Chaos und Bürgerkrieg gestürzt hat, faktisch umsonst gewesen wäre.
Es erscheint deshalb als kaum vorstellbar, dass die Forderungen des niederländischen Parlaments tatsächlich vollständig umgesetzt würden, nur um das Abkommen "irgendwie" zu retten. Die Ukraine verfügt über eine starke und nicht zu unterschätzende Lobby unter einigen neuen EU-Mitgliedern, vom Druck aus den USA ganz abgesehen.
Dennoch wird das Bemühen um die Ratifizierung des Abkommens durch die Niederlande nach Einschätzung des Wall Street Journals "schwer zu verkaufen" sein. Zunächst kann der ukrainische Präsident Petro Poroschenko aber noch einmal kurz durchatmen und wenige Wochen warten, bis auf die nächste Tagung des EU-Rates, die für den Dezember angesetzt ist, das Thema wieder zur Sprache gebracht wird.