Wie erst jetzt bekannt wurde, handelte es sich bei dem zuständigen Chefermittler im Fall Peggy als auch beim Leiter der späteren "SoKo Bosporus" im Fall der NSU-Morde um ein und dieselbe Person: Den mittlerweile pensionierten Wolfgang Geier.
In beiden Fällen richtete Wolfgang Geier die Arbeit der Polizei sehr früh auf eine bestimmte Hypothese des Tathergangs aus. Und sorgte dafür, dass andere Spuren konsequent ignoriert werden.
Zunächst hieß es aus Ermittlerkreisen, dass die DNA von Böhnhardt direkt am Skelett von Peggy gefunden wurde. Später erklärte die Staatsanwaltschaft Bayreuth:
"In welchem Zusammenhang diese DNA-Spur gesetzt wurde, wo sie entstanden ist und ob sie in Verbindung mit demTod von Peggy K. steht, bedarf weiterer umfassender Ermittlungen in alle Richtungen, die derzeit geführt werden und ganz am Anfang stehen."
In beiden Fällen wurden entweder Verdächtige inhaftiert, die sich später als unschuldig erwiesen, oder - wie bei den damals als "Dönermorde" bezeichneten NSU-Morden geschehen - falsche Spuren ins türkische Mafia-Milieu verfolgt. Aufgrund dieser Parallelen drängen sich nun Spekulationen auf, die eine direkte Verbindung zwischen beiden Tatkomplexen andeuten.
Für fast 15 Jahre schien es, als würde sich der Fall einreihen in die traurige Reihe nicht aufgeklärter Fälle von Kindesmissbrauch und Tötungsdelikten an Kindern. Seit einigen Tagen häufen sich nun jedoch neue und brisante Informationen, die den Mord an der kleinen Peggy im Frühjahr 2001 in einem vollkommen neuen Licht erscheinen lassen. Sie liefern zudem allen Grund, diesen neu aufzurollen.
Peggy Knobloch war am 18. Mai 2001 im Alter von neun Jahren im oberfränkischen Lichtenberg auf dem Heimweg von der Schule verschwunden. Des Mordes an dem Mädchen angeklagt und verurteilt wurde im September 2001 der damals 23-jährige und geistig beeinträchtigte Sohn eines Gastwirtspaares, Ulvi K..
Er gestand den sexuellen Missbrauch an mehreren Kindern, darunter auch Peggy. Sein Geständnis widerrief er aber anschließend vor Gericht. Die sterblichen Überreste des Mädchens wurden erst am 2. Juli 2016 in einem Waldstück bei Rodacherbrunn in Thüringen von einem Pilzsammler gefunden.
Dennoch wurde Ulvi K. am 30. April 2004 in einem Indizienprozess vom Landgericht Hof wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Nach etlichen Ungereimtheiten, die im Dezember 2013 zur Wiederaufnahme des Falls führten, wurde der geistig behinderte K. im Juli 2015 aus der Unterbringung entlassen.
Erst nachdem Peggys Leiche aufgefunden worden war, ergaben sich wieder nennenswerte Spuren, die es den Ermittlungsbehörden ermöglichten, bei ihren Aufklärungsbemühungen voranzukommen.
So wird schließlich am 13. Oktober 2016 nach Angaben des Polizeipräsidiums Oberfranken und der Staatsanwaltschaft Bayreuth an einem Stofffetzen in der Nähe von Peggys Leiche genetisches Material des mutmaßlichen NSU-Terroristen Uwe Böhnhardt gefunden.
Nachdem mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden konnte, dass es sich um einen verunreinigten DNA-Treffer handelt, nimmt der Fall Peggy somit eine völlig neue Wendung. Indes gab die Anwältin der Mutter nun neue Details preis.
So bestätigte sie, dass der ehemalige Lebensgefährte ihrer Mandantin Türke war, diese sich dem Islam zugewandt habe und zeitweise auch ein Kopftuch trug.
Zwischenzeitlich forderte der Nebenklagevertreter im NSU-Prozess, Rechtsanwalt Mehmet Daimagüler, die Hauptangeklagte Beate Zschäpe dazu auf, sich zu den neuen Erkenntnissen im Fall Peggy zu äußern:
Ich würde mir wünschen, dass Frau Zschäpe auch in diesem Fall an der Aufklärung mitwirkt und auspackt, was sie dazu weiß.
Der Sprecher der Polizei Oberfranken wiederum ließ verlauten, dass "die Ermittlungen so lange dauern, bis wir herausgefunden haben, wie die Spur gesetzt wurde."
Nun prüft eine bei der Landespolizei Jena angesiedelte Sonderkommission mögliche Verbindungen des mutmaßlichen NSU-Terroristen Uwe Böhnhardt zu drei weiterhin ungeklärten Todesfällen von Kindern im Raum Jena. Laut Polizeisprecherin Steffi Kopp hat eine aus 15 Kriminalisten bestehende Gruppe am Montag die Arbeit aufgenommen.
Katharina König, Obfrau der Linken im NSU-Untersuchungsausschuss des Thüringer Landtags, hatte bereits am vergangenen Freitag auf mögliche Verbindungen zwischen der thüringischen Naziszene und Fällen von Kindesmissbrauch und -tötung verwiesen. So sei Böhnhardt gemeinsam mit einem Schulfreund bereits 1993 im Zusammenhang mit den Ermittlungen zu einem in Jena ermordeten Jungen ins Visier der Polizei geraten.
Weitere offene Fragen im Zusammenhang mit einer möglichen Verbindung zwischen dem Neonazi- und dem Pädophilenmilieu in Thüringen wirft vor diesem Hintergrund auch der Fund kinderpornografischen Materials im Jahr 2015 auf einem Computer auf, den die NSU-Hauptverdächtige Beate Zschäpe nachweislich benutzt hatte.
Auch wurde im Dezember 2014 der langjährige thüringische Neonaziführer und V-Mann Tino Brandt wegen mehrerer Fälle des sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen verurteilt. Brandt hielt sich über mehrere Jahre im engsten Umfeld der im Untergrund lebenden mutmaßlichen NSU-Terroristen auf.
Einige Medien spekulieren nun, ob die rechtsextremen Terroristen ihren Lebensunterhalt auch mit gewerblichen Formen des Kindesmissbrauchs finanziert haben könnten. Die Brandt zur Last gelegten Taten beziehen sich allerdings auf einen Zeitraum zwischen Mitte 2011 und Mitte 2014. Die NSU-Terrorzelle flog am 4. November 2011 auf, nachdem zwei der mutmaßlichen Hauptbeteiligten, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, tot in einem Wohnmobil in Eisenach aufgefunden worden waren.
Der Inhaftierte Ulvi K. wurde erst im Mai 2014 aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Er soll heute an einem geheimen Ort leben.