Von Tim Kegel
Sinsheim. "Feuerwehr-Quarantäne", Kampieren an der Kläranlage, kommunale Kurzarbeit: Begriffe und Szenarien, mit denen sich eine Stadt in einer Pandemie beschäftigen muss, besonders für die kritische Infrastruktur, denn die muss laufen. Tut sie auch, sagen die Zuständigen. Aber es ist schwer.
Einsatzbereitschaft muss zu jedem Zeitpunkt gewährleistet sein, sagt Stadtbrandmeister Michael Hess, aber man müsse im Feuerwehrwesen "Handgriffe üben", die im Einsatz "von null auf 100 sitzen müssen, selbst wenn man sie nicht oft macht". Weil man kaum üben kann, müsse man die Abteilungen "mit alten Hasen" durchmischen und dafür sorgen, dass die Leute nicht zu Kontaktpersonen oder Infizierten werden.
Besonders wichtig ist das bei Atemschutzgeräteträgern, aber auch besonders schwierig: "Das kann nicht jeder und nicht ein Leben lang"; die Spezialisten müssten ihre Leistungsfähigkeit bei ärztlichen Checks nachweisen. "Fällt einer aus oder hört auf, muss genug Ersatz da sein." Deshalb müsse man den Atemschutz-Umgang im kleinen Rahmen schulen. Sind die Lehrgänge zu Ende, begeben sich die Teilnehmer in "Feuerwehr-Quarantäne", gehen also nicht auf Einsätze, zehn Tage lang. Die Kontaktbeschränkungen belasten, sagt Hess. Die Nachbereitung von Einsätzen, die Aufarbeitung des Erlebten, die Kameradschaft – "all das findet nicht statt. Du ziehst dich um und gehst heim." Hess räumt ein, dass die Gefahr bestehe, dass man "den Kontakt verliert". Gerade bei 13 Abteilungen.
Wasserwerk und Kläranlage gehören zu den wichtigsten Einrichtungen der Kommune, auch wenn Werke-Leiter Andreas Uhler abwinkt und sagt: "Alle sind wichtig." Den besonderen Stellenwert sieht man an den Szenarien: Müsste beispielsweise die ganze Belegschaft der Kläranlage in Quarantäne – "was wir ausschließen können" – dann ginge man im Notbetrieb so weit, das "Kampieren auf der Kläranlage" oder die Aushilfe durch versierte Kollegen anderer Anlagen zu ermöglichen: "Sicher doch", sagt Uhler, "bevor die Elsenz umkippt." Seit März arbeite man – "einsam, aber routiniert" – im Pandemie-Betrieb, "auch während der Lockerungen". Es wurden Schichten gebildet, um Räume und Umkleiden zu entzerren. Sie arbeiten zeitversetzt in festen Gruppen; die Führungsebene arbeitet getrennt. Ausnahme sei der Bereich, "in dem man Hände braucht". Und: Man könne nicht mehr "so einfach mal zur Verwaltung springen".
Viel kritisiert, haben sich die typisch Sinsheimer Strukturen in der Pandemie-Lage als "ganz geschickt" erwiesen, sagt Hauptamtsleiter Marco Fulgner: Weil es vieles 13 Mal gibt, also in der Kernstadt und den zwölf Stadtteilen, sei es leichter, das Geschehen zu entzerren. Viele Dienste seien auch in Verwaltungsstellen möglich; bei Wahlen könne man die Mehrzweckhallen nutzen.
Termine vergibt das Rathaus nach Vereinbarung, "ein Großteil" lasse sich telefonisch erledigen. Hierdurch seien Standesamt und Ausländerwesen "im Prinzip permanent ausgebucht". Trotzdem müsse man für einen Termin "maximal fünf Tage" warten.
Zur Entzerrung wurden Einzelbüros eingerichtet. Die Mitarbeiter ohne Homeoffice wurden angehalten, "Pausen alleine oder immer mit derselben Person zu verbringen". Dies klappe, allerdings werde es "immer schwieriger", ein positives Lebensgefühl aufzubringen, gesteht Fulgner. Indessen sei "das Verantwortungsbewusstsein groß": Die Anzahl der Angestellten, die zurzeit keinen Öffentlichen Nahverkehr nutzen, schätzt Fulgner "auf 98 Prozent".
In den Kindergärten beobachte man gerade einen "gefühlt sehr hohen Auslastungsgrad" in der Notfallbetreuung. Der Krisenstab wird sich diesen Donnerstag mit der Frage beschäftigen, "inwieweit das schon Normalbetrieb ist". Immer mehr Eltern nutzen ihr Anrecht auf die Notlösung. Für Fulgner, der selbst hin und wieder mit Frau und drei Schulkindern von daheim aus arbeitet, ist das "nachvollziehbar", müsse aber genauer untersucht werden. Auch Kurzarbeit sei "seit Beginn der Pandemie immer wieder Thema gewesen", habe sich aber auf "wenige Einzelfälle" der Bereiche Veranstaltungen, Bäder und Erziehung beschränkt.
Corona-Infektionen habe es bei der Feuerwehr mit ihren 460 Aktiven wenige gegeben, allerdings war ein Mitglied der Truppe im mittleren Alter derart schwer erkrankt, dass er wochenlang im Koma lag, bis er sich erholte. Für die Truppe sei dies "ein richtig dicker Hammer gewesen". Im Rathaus zahlte sich das strikte Sicherheitskonzept mit Homeoffice Spuckschutzwänden und Termin-Zeiten aus: Hier kam es, sagt Oberbürgermeister Jörg Albrecht, seit Beginn der Pandemie nur zu vier Fällen, Ansteckungen innerhalb des Rathauses gab es keine.
"Einen kurzen Schreck eingejagt" habe der Belegschaft der Positiv-Test von Albrecht selbst. Auch hier kam es zu keinen Infektionen. Albrecht selbst arbeitet – "nach kurzem, relativ schwerem Kopfweh" – von zu Hause aus. Er sei, wie Fulgner schildert, "fidel und will machen."