Von Tim Kegel
Sinsheim. Alle Jahre wieder, kommt mit dem Sinsheimer Weihnachtsmarkt nicht nur Adventsstimmung auf – sondern auch die alte Debatte, was man besser machen könnte. Und ob früher nicht sowieso alles besser war.
Eine Frage – oder, genau genommen, mehrere – die dieses Mal nicht im Nachhinein und innerhalb überschaubarer, gut informierter Sinsheimer Kreise diskutiert wurden, sondern frontal. Während der Weihnachtsmarkt-Konferenz in der Carl-Orff-Schule.
Monika Möhring vom Verein „Aufbruch“, der sich für Frauenrechte einsetzt und gegen die Unterdrückung von Frauen kämpft, machte das Fass auf: Der Weihnachts-Flohmarkt in der Elsenzhalle sei zur separaten Großveranstaltung geworden. Der eigentliche Markt sei „dadurch zweigeteilt“. Man spüre einen Rückgang beim Zulauf auf dem Kirchplatz; die meist ehrenamtlichen Standbetreiber in der Innenstadt und jene im abgelegenen Wiesental bekämen „von einander gar nichts mit“.
Eine knappe Handvoll mache dieses Jahr nicht mit, an deren Stelle sich weniger Neue versuchten, bestätigt Markt-Organisator Michael Jerabek von der Stadt Sinsheim. Möhring, die viele als Stadtführerin „Marie vun Sinse“ kennen, sprach aus, was sich einige bislang nur hinter vorgehaltener Hand zu sagen trauten: Man müsse sich Gedanken machen, ob Floh- und Weihnachtsmarkt nicht „als zwei separate Veranstaltungen stattfinden“ sollen.
Gemeint war: an zwei verschiedenen Wochenenden. Fast ein Tabubruch. Dass das Thema polarisiert, zeigten andere Einwürfe. Manch einer hält es für überlegenswert, den Weihnachtsmarkt räumlich und vom Konzept her ganz zu überdenken.
Das Jahr 2018 jedoch, mahnt Flohmarkt-Macher Hans-Jürgen Poppe von der Initiative Sinsheimer Weihnachtsmarkt, könne man nicht mit dem jetzigen vergleichen. Damals versank der Elsenz-Uferweg regelrecht im An- und Ab- fahrts-, Park- und Suchverkehr. Es kam gar zu fast nicht entwirrbaren Staus. Grund: die Sanierung des Festplatzes mit Hunderten wegfallender Parkbuchten vor der Halle. Das städtische Ordnungsamt habe beim letzten Weihnachts-Flohmarkt hart durchgreifen müssen. Da habe man den einen oder anderen durchaus verstehen können, der vom Floh- nicht mehr zum Weihnachtsmarkt ging.
Der Festplatz wird am heutigen Mittwoch wieder frei gegeben. Auch die Friedrichstraße soll zum Fest wieder frei sein. Poppe glaubt daher, dass „sich das Problem dadurch erledigt hat“.
Eine wichtige Rolle spielt auch die Carl-Orff-Schule: Schüler der Förderschule bereiten seit Jahren Maultaschen und Mürbse für den Flohmarkt zu, verkaufen diese für den guten Zweck und erwerben dabei soziale und fachliche Kompetenzen und haben Erfolgserlebnisse. Ohne den Weihnachts-Flohmarkt, und zwar parallel zum Weihnachtsmarkt, falle ein wesentlicher Inhalt des Schul-Fördervereins „Brücke“ weg, der die Einsätze unterstützt. „Brücke“-Vorsitzender Theo Grimm ist der Ansicht, dass „die eine Veranstaltung die andere braucht“.
Einige aus der Runde hätten trotzdem nichts dagegen, den ganzen Weihnachtsmarkt in Richtung Halle umzulagern. Dann wären zumindest Vereine und Initiativen, Flohmarkt und Schule wieder vereint. In direkter Nähe der Halle liegen schließlich der Festplatz, der Postgarten mit der „Alla Hopp!“-Anlage, das Katharinenstift mit dessen Gelände und der Elsenzufer- und Schwimmbadweg, die auch beim Fohlenmarkt seit Jahren als Festmeile genutzt werden. „Eine Verbindung zu schaffen“, hierfür spricht sich der Vertreter der Evangelisch-Methodistischen Gemeinde aus.
Ähnlich war’s ja früher auch schon: Damals fand der auch seinerzeit riesige Flohmarkt in der Carl-Orff-Schule statt - keine fünf Gehminuten vom Kirchplatz entfernt. Die alte Sporthalle wurde mitgenutzt. Noch früher wurde der Weihnachtsmarkt sogar auf dem Parkdeck in der Grabengasse abgehalten, das keine 30 Meter von der Schule entfernt liegt. Und: Noch einmal früher - da gab es den alten Sinsheimer Weihnachtsmarkt rund ums Stift Sunnisheim, das ganz woanders und zudem auf dem Berg liegt. In keinem Fall hat’s wohl geschadet.
Andere Zeiten? Offenbar: Der Aufbau des Flohmarkts, der jährlich Tausende Euro in die Kassen karitativer Sinsheimer Einrichtungen spült, sei wegen der engen Flure und kleinen Klassenzimmer der Schule eine Schinderei gewesen, heißt es beim Veranstalter. Den Schulbetrieb an den Tagen zuvor und danach habe man gewährleisten müssen.
Aber noch etwas anderes spreche gegen den alten Standort: Seitdem Schule und vor allem Sporthalle mit Millionenbeträgen der Dietmar-Hopp-Stiftung saniert wurden, könne man diese „nicht mehr so einfach Tausenden von Straßenschuhen aussetzen“, wie Andrea Struzyna vom Bürgerkreis für Menschen mit psychischer Erkrankung nachvollziehen kann. Immer noch könne man Matsch und Schnee am ersten Adventswochenende ja nicht völlig ausschließen.
Die Runde einigte sich schließlich dahingehend, dass ein großes Plus des Kirchplatzes in der Kirche liegt, die dort ist. Dekanin Christiane Glöckner-Lang und ihr katholischer Kollege Thomas Hafner wollen den Markt dieses Jahr mit einer kleinen Eröffnungs-Andacht näher am Ursprung verorten. Doch auch der Handel, so hört man, favorisiert die Innenstadt als Standort, wegen des Christkindl-Shoppings am langen Samstag.
Ein letzter Faktor, weshalb der Weihnachtsmarkt manchmal nicht ganz so gut lief, wie er hätte laufen können, sei die verlässlich am ersten Advent ausgetragene Bundesliga-Partie im Sinsheimer Stadion. Dieses Mal kommt Fortuna Düsseldorf. Ein Glücksfall seien hingegen die Holzhütten, die der städtische Bauhof mit den Vereinen und Gruppen hin- und wieder wegstellt. Sie kosteten eine Gebühr von 25 Euro. Alle Jahre wieder.