Wer die Meisterparty und die schiere Freude der Leverkusener Anhänger verfolgt hat, weiß jetzt wieder, welchen Wert der Titel hat. In den vergangenen Jahren war das etwas in Vergessenheit geraten.
Es gab kein Halten mehr. Bevor der Schlusspfiff ertönte, stürmten die ersten Fans das Spielfeld. Es war das eingetreten, was sich Verantwortliche nicht wünschen: die blanke, unkontrollierte Entfesselung purer Freude, die sich in Form wild gestikulierender und hüpfender Anhänger in das Stadioninnere ergoss. Für einen kurzen Moment hatte man den Eindruck, dass die Profis von Bayer Leverkusen nicht so recht wussten, wie sich verhalten sollten. Schon mitfeiern oder die Fans bitten, noch mal für die letzten Spielzüge den Rasen zu räumen? Die Kameras fingen Dreifach-Torschütze Florian Wirtz ein, der sich etwas orientierungslos umschaute.
Doch das Thema erledigte sich von selbst. Schiedsrichter Harm Osmers pfiff in der 90. Minute vor Ablauf der regulären Spielzeit ab. Es machte eh keinen Sinn mehr. Leverkusen war in diesem Moment offiziell neuer deutscher Meister und beendete durch das 5:0 gegen Werder Bremen die elfjährige Dominanz des großen FC Bayern München.Meister Bundesliga
Die folgenden Bilder, die die Spieler und ihre Anhänger aus der Bayarena lieferten, waren herzergreifend. Allein wie Flügelspieler Jeremie Frimpong das Bad in der Menge genoss, als befände er sich in einem Heiligenbild, ist großartig. Schon bei der Ankunft der Mannschaft im Stadion vor dem Spiel säumten Tausende die Straße und feierten ihre Mannschaft. Die Fanbasis des Werkteams mag nicht so groß sein wie die der Lokalrivalen Borussia Mönchengladbach und 1. FC Köln, aber eine rauschende Titelfeier können die Anhänger von Bayer genauso gut.
Erwähnenswert ist die spontane Meisterparty im Stadion, weil eine derartige emotionale Eruption in den vergangenen Jahren nicht vorkam. Beim Dauermeister in München war der Titel zur kalten Routine verkommen. Sicher, Spieler und Mannschaft des FC Bayern genossen ihre Erfolge ähnlich, die eine oder andere Bierdusche gab es auch. Doch Bilder wie aus der Bayarena hat es aus München lange nicht mehr gegeben. Die Münchner Meisterfeier auf dem Marienplatz glich eher einer verordneten Spaßveranstaltung.
© Andreas Rentz
So gesehen muss man Leverkusen und seinem brillanten Trainer Xabi Alonso danken. Der neue deutsche Meister hat die komplette Liga sportlich aufgemischt und vor allem – aufgewertet. Und noch mehr: Der Klub und sein Trainer haben dem Meistertitel Größe und Glanz zurückgebracht. Die Bilder aus Leverkusen haben deutlich gemacht, welchen überragenden Wert er besitzt. Das ist für alle Nicht-Leverkusen-Fans die wichtigste Erkenntnis der Saison. Und wenn wir am Ende der nächsten Spielzeit ein echten Zwei- oder Dreikampf um den Titel erleben, dann ist endgültig wieder alles gut.
