Von Olivia Kaiser und Alexander Albrecht
Mannheim. "Wir sind mehr, wir sind geimpft, und wir passen aufeinander auf", ruft der Grünen-Stadtrat Gerhard Fontagnier am Montagabend ins Megafon – und erntet viel Zustimmung. Es ist kurz nach 18 Uhr, zwischen 500 und 600 Menschen haben sich rund um das Rathaus in D 5 versammelt und bilden eine Kette. Die Teilnehmer tragen Maske und wahren mithilfe von Schals den Abstand. Sie sind dem Aufruf von Gerhard Fontagnier und seinem Fraktionskollegen Chris Rihm gefolgt, die die Aktion "Uffbasse" organisiert hatten.
Alle wollen ein Zeichen setzen, nachdem an zwei Montagen hintereinander "Spaziergänger" die Innenstadt geflutet hatten und – teilweise sehr aggressiv – gegen die Corona-Maßnahmen demonstrierten. "Unsere Versammlung ist angemeldet, wir haben uns im Vorfeld mit der Polizei beraten", betont Rihm. Es sind so viele Bürger gekommen, dass sich eine zweite Reihe um das Rathaus formiert.
"Wir wollen der Menschen gedenken, die in Mannheim gestorben sind, das sind circa 400", sagt Rihm. "Außerdem wollen wir Solidarität mit jenen üben, die in den Krankenhäusern gegen die Pandemie kämpfen, aber auch mit Polizei, Feuerwehr oder den Leuten, die im Gesundheitsamt arbeiten." Als Rihm und Fontagnier hörten, dass die "Spaziergänger" das Rathaus als Ziel auserkoren hatten, sei ihnen der "der Geduldsfaden gerissen". Solange die Impfgegner montags auf die Straße gehen, werde man sich auch am Rathaus treffen, verspricht Fontagnier. "Ich will nicht den Querdenkern das Feld überlassen", erklärt eine Frau ihre Motivation. Ähnlich sieht es Capitol-Chef und SPD-Stadtrat Thorsten Riehle, der sich mit Capitol-Sänger Sascha Krebs, der derzeit im Gesundheitsamt arbeitet, einen Schal teilt.
Einige Aktivisten der Antifa lösen sich von der Kundgebung und machen sich zum Paradeplatz auf. Es bleibt aber friedlich – die Polizei hat stattdessen mit starken Kräften am Plankenkopf Position gezogen. Waren es an den vorangegangenen Montagen 2000 und dann 800 Impfgegner, sind es dieses Mal nur rund 150. Obwohl die Polizei per Lautsprecherdurchsage mehrfach darauf aufmerksam macht, dass die Stadt die "Spaziergänge" verboten hat, setzt sich der Protestmarsch in Bewegung. Weit kommen die Demonstrierenden allerdings nicht. Nach wenigen Metern werden sie bereits von der Polizei eingekesselt und müssen nach der Feststellung ihrer Personalien mit einer Anzeige rechnen.
Doch es sind noch weitere Impfkritiker in der Stadt unterwegs. 200 Menschen setzen die Beamten im Quadrat G 5 fest, weitere 50 in der Fressgasse. Dort ist auch eine Reiterstaffel im Einsatz, die später von Hundeführern abgelöst wird. "Aus meinem subjektiven Sicherheitsgefühl heraus würde ich sagen, dass die Stimmung nicht so aggressiv ist wie vor einer Woche", sagt Polizeisprecher Patrick Knapp. Ob es Verletzte gab, kann er zu diesem Zeitpunkt nicht sagen. Es sei aber zu Festnahmen von Demonstranten wegen Widerstandshandlungen gekommen.
Update: Montag, 27. Dezember 2021, 21.42 Uhr
Mannheim. (RNZ/pri/dpa) Hunderte Menschen in Baden-Württemberg haben am Montagabend gegen die Corona-Maßnahmen der Politik demonstriert. In Ravensburg sprach eine Polizeisprecherin am frühen Abend von mehreren Hundert Teilnehmern. Es kämen stetig Menschen hinzu. In Mannheim und Pforzheim konnten die Beamten zunächst keine Zahlen nennen. Eine Polizeisprecherin in Mannheim sagte, in der Innenstadt seien auch sehr viele Menschen unterwegs, die offenkundig Einkäufe nach Weihnachten erledigten. Daher fehlte der Überblick, wie viele Personen wegen der Proteste da sind. Um das Rathaus hatten Dutzende als Zeichen gegen die Aufmärsche und für mehr Solidarität in der Pandemie eine Menschenkette gebildet. Hier gab es ersten Informationen zufolge rund 350 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die um 18 Uhr die Menschenkette um das Mannheimer Rathaus gebildet hatten. Nach ersten Angaben am Montagabend blieb es in den Städten friedlich.
Seit Wochen gehen Gegner der Corona-Politik vielerorts in Deutschland auf die Straße. Nicht immer kündigen sie die Demonstrationen an, sondern treffen sich als sogenannte Spaziergänger. Weil sie sich in sozialen Netzwerken verabreden, weiß die Polizei manchmal nicht im Voraus, wo eine solche Aktion stattfindet. Sie muss unter anderem kontrollieren, dass die Corona-Regeln eingehalten werden. Diese wurden just am Montag in Baden-Württemberg verschärft.
Bei derartigen Protesten hatte es immer wieder Ausschreitungen gegeben. Die Stadt Reutlingen und der Landkreis Reutlingen verlängerten infolge von Verstößen ihre Verbote solcher Versammlungen bis einschließlich Sonntag, 2. Januar. "Das Versammlungsrecht ist ein hohes Gut, das jedoch nicht nur mit Rechten, sondern auch mit Pflichten seitens der Versammlungsorganisatoren und -teilnehmer verbunden ist", hieß es dazu. In der aktuellen Corona-Situation gehören vor allem Maßnahmen zum Schutz vor Infektionen wie Abstände und Maskenpflicht dazu. Versammlungen, die ordentlich angemeldet und bei denen verlässlich Auflagen eingehalten werden, seien weiterhin möglich.
Update: Montag, 27. Dezember 2021, 19.34 Uhr