Die nahende Amtseinführung von Joe Biden wird nach dem Sturm auf das US-Kapitol von der Angst vor weiterer Gewalt überschattet. Die Capitol Police hat offenbar Informationen über drei bedrohliche Vorhaben.
In gut einer Woche steht in Washington die Vereidigung von Joe Biden als Nachfolger von US-Präsident Donald Trump an. Die Behörden befürchten nach der Erstürmung des Kapitols am vergangenen Mittwoch, dass es bis dahin und am 20. Januar selbst zu weiteren gewalttätigen Aktionen von Trump-Anhängern kommen könnte. Die für die Inaugurationszeremonie geplanten Sicherheitsmaßnahmen wurden deshalb massiv verschärft. Die Nationalgarde will zur Unterstützung der örtlichen Einsatzkräfte bis zu 15.000 Soldaten in der Hauptstadt zusammenziehen. Auch das Heimatschutzministerium kündigte eine Ausweitung der Schutzvorkehrungen rund um die Vereidigung an.
Wie groß die mögliche Bedrohung durch radikale Unterstützer des abgewählten US-Präsidenten ist, machte jetzt die Kapitolpolizei gegenüber Demokraten im Repräsentantenhaus deutlich. Die für die Sicherheit des Parlaments zuständige Behörde habe die Abgeordneten über weitere geplante, potenziell folgenschwere Protestaktionen in den kommenden Tagen informiert, berichtet das US-Nachrichtenportal "Huffington Post". Einer der Pläne sehe vor, das Kapitol zu umzingeln und Demokraten zu töten, damit die Republikaner die Kontrolle über die Regierung übernehmen können.PAID STERN 2020_03 Der Feind im Innern_11.30Uhr
Bei einem vertraulichen Telefonat am Montagabend habe die neue Führung der Capitol Police Demokraten mitgeteilt, dass sie drei getrennte Vorhaben überwache, die ernsthafte Gefährdungen der Mitglieder des Kongresses darstellen könnten, schreibt die "Huffington Post". Das erste sei eine Demonstration, die als der "größte bewaffnete Protest, der jemals auf amerikanischem Boden stattfindet", angekündigt werde.
Ein weiteres Vorhaben sei eine Protestaktion zu Ehren von Ashli B. Die 35-Jährige war während der Erstürmung des Kapitols erschossen worden, als sie versuchte, durch ein zerschlagenes Türfenster in die Speaker's Lobby zu klettern, eine Kammer des Repräsentantenhauses, in der Abgeordnete Schutz vor dem wütenden Mob gesucht hatten (Lesen Sie hier: "Sie stürmte das Kapitol – jetzt ist Trump-Anhängerin Ashli B. tot").
Die nach Aussage von drei Parlamentariern bei Weitem beängstigendste Bedrohung sei aber ein dritter Plan, berichtet die Onlinezeitung weiter. Demnach wollen Aufständische das Kapitol, das Weiße Haus und den Obersten Gerichtshof einkreisen und abriegeln.
Durch die Abrieglung des Kapitols sollen demnach demokratische Politiker daran gehindert werden, das Parlamentsgebäude zu betreten. Der Plan beinhalte auch die Ermordung von Demokraten sowie von Republikanern, die Trumps Feldzug gegen die Anerkennung der Präsidentschaftswahl nicht unterstützten. Andere Republikaner sollen dagegen in das Gebäude gelassen werden, damit sie die Regierung übernehmen können.
Das Einkreisen des Weißen Hauses soll dem Bericht zufolge dafür sorgen, dass niemand Trump schaden könne. Und die Abriegelung des Obersten Gerichtshofes habe die Schließung der Gerichte zum Zweck.
All diese Vorhaben werden möglicherweise gar nicht in die Tat umgesetzt werden – auch angesichts der massiv verschärften Sicherheitsvorkehrungen. Dennoch zeigten sich Abgeordnete nach dem Briefing durch die Capitol Police extrem besorgt. "Es war ziemlich erschütternd", zitiert die "Huffington Post" ein Kongressmitglied.
In dem Gespräch wurde demnach auch darüber diskutiert, bei der Amtseinführung Metalldetektoren zur Überprüfung der Abgeordneten und Senatoren einzusetzen. Es sei eine alarmierende Erkenntnis gewesen, dass die Kapitolpolizei gegen all die Kongressangehörigen, die mit den waffenliebenden Aufständischen verbündet seien, Vorsichtsmaßnahmen ergreifen müsse, sagte ein an dem Gespräch beteiligter Abgeordneter der Zeitung. "Man kann sie bei der Amtseinführung nicht einfach an den Sicherheitskontrollen vorbei und direkt auf [Joe] Biden und [Kamala] Harris zugehen lassen."Countdown bis zur Amtsübergabe Ticker KW02 Dreh 6.50h
Ein Demokrat habe sich bei dem Anruf auch besorgt über die Sicherheit der Politiker bei der Fahrt von ihren Wohnsitzen zum Kapitol oder der Anreise nach Washington gezeigt – insbesondere in Hinblick auf die jüngsten Konfrontationen zwischen Trump-Anhängern und Kongressmitgliedern an Flughäfen und auf Flügen (Lesen Sie hier: "Trump-Fans beschimpfen Republikaner Mitt Romney im Flugzeug"). Die Capitol Police habe darauf keine zufriedenstellende Antwort gehabt, schreibt das Newsportal.
Die Sicherheitsbeamten hätten die Teilnehmer des Telefonats gewarnt, Details des Briefings an die Medien weiterzugeben, weil die Verbreitung von spezifischen Daten, Zeiten und Gegenmaßnahmen den Organisatoren der Protestaktionen helfen könne, wie die "Huffington Post" weiter berichtet. Die Zeitung hat deshalb nach eigenen Angaben auch selbst bestimmte Informationen nicht preisgegeben, zum Beispiel wer die Vorhaben dem Anschein nach organisiert und wann sie stattfinden sollen.
Ein Abgeordneter habe explizit mitgeteilt, dass die Extremisten nach der Löschung von mehr als 70.000 Twitterkonten der auf Verschwörungstheorien spezialisierten QAnon-Bewegung und dem Vorgehen von Amazon gegen die von rechten Trump-Fans genutzte Plattform Parler versuchten, Journalisten zur Berichterstattung über ihre Demonstrationen zu bewegen. "Einige ihrer wichtigsten Kommunikationswege, um diese zu organisieren, wurden abgeschnitten, zitiert das Newsportal den Demokraten. "Also versuchen sie absichtlich, die Medien dazu zu bringen, darüber zu berichten, um so weitere Informationen zu verbreiten und zusätzliche Unterstützung für ihre Angriffe zu gewinnen."PAID Twitter nach Trump 16.27
Während des Briefings sei Twitter ausdrücklich für seine Löschung des Kontos von Donald Trump und der QAnon-Kanäle gelobt worden, erklärte ein Abgeordneter gegenüber der "Huffington Post". Auch Amazons Entscheidung, die Social-Media-Plattform Parler abzuklemmen, "sehe viel klüger aus" angesichts der Bemühungen von Extremisten, Bewaffnete zu rekrutieren, damit diese in den nächsten Tagen nach Washington kommen, sagte der Parlamentarier. "Es ist eine Entscheidung, die letztendlich Leben retten könnte."
Quelle: "Huffington Post"