Von Carsten Blaue
Ludwigshafen. Jutta Steinrucks Büro gegenüber des Rathauscenters ist groß. Hier im vierten Stock hat man eine weite Aussicht auf Häuserblöcke, Straßen, eine Rheinbrücke, Kräne und sogar ganz links ein Stück vom Fluss. Ludwigshafener Charme. Charmanter gibt sich Steinruck an ihrem ersten Arbeitstag als Oberbürgermeisterin ihrer Heimatstadt. Sie hat die Medien gleich am Vormittag eingeladen. Alle auf einmal. Ihr Dienstzimmer ist so voll, dass es gar nicht mehr so weitläufig wirkt. Das Interesse an ihr ist groß. Geduldig erfüllt die neue OB im roten Blazer und schwarzen Rock alle Wünsche von Fotografen und Kameraleuten. Steinruck am Fenster, Steinruck am Konferenztisch, Steinruck am Schreibtisch, mit und ohne Sekretärin. Immer lächeln. Und immer wieder die gleichen Fragen beantworten und auch dabei lächeln. Dabei dürfte ihr neuer Job nicht nur das reinste Vergnügen werden: "Ich bin mir darüber im Klaren, was auf mich zukommt", sagt sie.
Ihre größte Herausforderung sieht Steinruck darin, die Ludwigshafener selbst von ihrer Stadt zu überzeugen: "Ja, das ist nötig", sagt sie auf Nachfrage. Und sie will die Stadt sauberer und sicherer machen. Dafür wolle sie neue Ordnungskräfte einstellen, kündigt die OB an, "die für Recht und Ordnung sorgen. Es wird Kontrollen geben". Dabei lächelt sie dann nicht mehr ganz so sehr. Dass Ludwigshafen nicht den besten Ruf genießt, hält sie für oberflächlich: "Viele schauen einfach nicht gut genug hin." Klar: "Wir sind Industriestadt, und hier wird Geld verdient." Aber die Stadt habe eben auch wunderschöne Seiten und einen hohen Lebens- und Naherholungswert.
Dass Ludwigshafen auch Probleme hat, verschweigt sie nicht. Dazu zählt sie neben der Wohnungsnot und dem Zustand der Innenstadt auch den geplanten Abriss der Hochstraße Nord, diesem wichtigen Verbindungsstück zwischen der Nachbarstadt Mannheim und der Pfalz. Es soll ab Ende 2019 durch eine ebene Stadtstraße ersetzt werden. Die konkreten Planungen will Steinruck zügig anpacken. Und das Baustellenmanagement gemeinsam mit Mannheim angehen. Denn jahrelange Verkehrsprobleme sind zu befürchten: "Es wird eine schwierige Zeit für die Stadt", sagt Steinruck. Sie will dafür kämpfen, dass sich Bund und Land finanziell stärker beteiligen - an diesem Projekt wie überhaupt an den Lasten der Kommunen. Ludwigshafen drückt eine Milliarden-Verschuldung.
Natürlich muss Steinruck an diesem ersten Morgen im Amt auch etwas zu Helmut Kohl sagen. Einen transparenten Prozess, in den die Bürger eingebunden sind, wünscht sich die Sozialdemokratin, um dem Ehrenbürger der Stadt und Europas angemessen zu gedenken. Sei es mit einer Straße, einem Platz "oder was auch immer". Ihr ist klar, dass Kohl in der Stadt polarisiert. Kürzlich vermutete sie, mancher hätte sich gewünscht, dass der Alt-Kanzler mehr zu Ludwigshafen steht. Das sind Eindrücke, die Steinruck aus persönlichen Gesprächen gewinnt.
Überhaupt will sie auch als OB für die Bürger direkt ansprechbar bleiben, bürgernah sein: "Ich fahre weiter Straßenbahn und bin auf der Straße unterwegs. Ich werde Bürgersprechstunden haben." Und dann gibt es ja auch noch E-Mails. Außerdem will Steinruck eine "Mängelmelder-App" einführen: "Die Bürger sollen der Verwaltung direkt mitteilen können, was ihnen auffällt und welche Sorgen sie haben." Die neue OB erwartet von den Ludwigshafenern ganz offen, dass sie mitmachen, mitgestalten und sich beteiligen.
Gestalten will auch sie, aber erst mal nicht ihr Büro, in dem schon ihre Vorgängerin, Eva Lohse, saß. Das könne so bleiben, sagt Steinruck: "Vielleicht schau’ ich mal im Keller nach einem anderen Bild." Aber auch das kann warten. Personalgespräche sind in den ersten Tagen wichtiger. Viele im Rathaus würden sie ja nur aus der Zeitung kennen, sagt sie in eine Fernsehkamera. Nicht nur eine gute Chefin will sie sein, sondern eine OB, die transparente Politik macht. Sicher brauche sie dafür auch etwas Glück, sagt Steinruck und schaut auf den Glücksklee auf ihrem Schreibtisch.