Sim-Racing bis tief in die Nacht? Für Max Verstappen kein Problem. Die Debatte über sein Hobby hält der Formel-1-Weltmeister für vorgeschoben. Den Mund will er sich erst recht nicht verbieten lassen.
Immer wieder nestelt Max Verstappen an seiner Kappe und rückt sie zurecht. Ist das die neue Nervosität des dreimaligen Formel-1-Weltmeisters, dessen Red Bull in dieser Saison an die Grenzen seiner Dominanz stößt? Ist das die Angespanntheit eines Superstars, der sich mit Abschiedsgedanken tragen könnte? Oder ist der Niederländer im Motorhome seines Rennstalls einfach nur genervt von einer Debatte um das nächtliche Zocken von Online-Rennen vor einem Grand Prix?
Verstappen teilt an diesem sonnigen Tag auf dem Circuit de Spa-Francorchamps jedenfalls angriffslustig aus. "Ich habe drei Weltmeisterschaften gewonnen. Ich weiß ziemlich gut, was ich kann und was nicht", stellte der 26-Jährige vor dem letzten Rennen vor der Sommerpause klar. Eingriffe in sein Privatleben und seine Leidenschaft für Sim-Racing verbittet er sich. "Ich habe kein Verbot. Ich selbst muss auch niemandem vorschreiben, was er in seiner Freizeit oder am Wochenende zu tun hat", betonte er. Noch Fragen?!
Verstappen, der in Belgien geboren wurde, führt vor seinem Heimrennen das WM-Klassement mit 76 Punkten Vorsprung auf McLaren-Fahrer Lando Norris an. Das ist komfortabel. In den vergangenen drei Grand Prix gelang dem bisherigen Dominator aber kein Sieg mehr. McLaren und Mercedes haben ihren Leistungsrückstand aufgeholt und fordern Red Bull heraus.
In so einer Phase wirkt dann das von Verstappen in Ungarn praktizierte Dauerstänkern gegen die Teamstrategie und einzelne Teammitglieder besonders auffällig. "Max Verstappen war an diesem Wochenende eher dünnhäutig, und klar hat es nicht lange gedauert, bis sich Kritik regte – kein Wunder, wo er doch die halbe Nacht lang Sim-Racing spielte", bemerkte Red-Bull-Motorsportberater Helmut Marko in seiner Kolumne für das Fachportal "Speedweek".
"Max hat einen anderen Schlafrhythmus"
Nach der Nachtzockerei, dem Megamotzen auf dem Asphalt und einer Kollision mit Mercedes-Superstar Lewis Hamilton war Verstappen vor den Toren Budapests nur Fünfter geworden. "Wenn man das Rennen nicht gewinnt, schieben es die Leute immer auf: Er bleibt bis drei Uhr morgens auf oder er hat ein Kilo Übergewicht", meinte Verstappen knurrig. Er verwies darauf, dass es für ihn nichts Neues sei, "bis drei Uhr morgens Rennen zu fahren", er mache das schließlich schon seit 2015 so.
Verstappen war in der Nacht vor dem Ungarn-Rennen für einen erkrankten Teamkollegen eingesprungen und hatte für das Team Redline eine Drei-Stunden-Schicht für das 24-Stunden-Rennen von Spa übernommen. "In Imola ist er nach einem Sim-Racing-Einsatz auch erst um drei Uhr in der Nacht ins Bett – und hat dann den Grand Prix gewonnen. Max hat einen anderen Schlafrhythmus, und er hatte seine sieben Stunden Schlaf", räumte Marko wiederum ein. Man habe vereinbart, dass er künftig so spät keine Simulationen mehr fährt.
Angespanntheit bei Red Bull
Davon wollte aber Verstappen nichts wissen. "Es steht sowieso kein anderes Sim-Rennen mehr an, also braucht sich niemand Sorgen zu machen", sagte er. Und ein Verbot für ihn? Nein, das gebe es nun wirklich nicht.
Nach einer Saison, in der Verstappen 19 von 22 Grand Prix gewonnen hat und auch ohne die Punkte seines Teamkollegen Sergio Perez die Konstrukteurs-WM für Red Bull entschieden hätte, hat diese Saison bei Red Bull etwas deutlich Schwerfälliges. Das liegt sicher auch an dem Zoff, der nach dem Vorwurf angeblich unangemessenen Verhaltens von Teamchef Christian Horner gegenüber einer ehemaligen Mitarbeiterin entbrannte und der Forderung von Verstappens Vater Jos, dass der Engländer des Friedens willen gehen müsse.
Die Marko-Klausel
Und das liegt sicher auch daran, dass infolge dieser Debatte viel über einen Wechsel von Verstappen zu Mercedes als Nachfolger von Hamilton gesprochen wird, auch wenn der Niederländer bei Red Bull noch einen Vertrag bis Ende 2028 hat.
In diese angespannte Atmosphäre passt auch die regelmäßig wiederkehrende Frage nach der weiteren Zukunft von Verstappens Vertrautem Marko, der schon einmal kurz vor seinem vorzeitigen Abschied bei dem Brause-Rennstall stand. Der Österreicher selbst sprach zuletzt über seinen Vertrag bis Ende 2026, der "adaptiert" worden sei. Das soll heißen, dass sich Marko in einer schriftlichen Ergänzung für die nächsten eineinhalb Jahre zum Rennstall verbindlich bekannt hat, womit ein Ausstieg Verstappens auch erstmal vom Tisch wäre.
Das Hier und Jetzt ist für den 61-maligen Grand-Prix-Gewinner aber erstmal Spa, wo er zuletzt dreimal nacheinander erfolgreich war, wegen eines regelwidrigen Motorenaustauschs aber zehn Plätze weiter hinten starten muss. Eine nächste Motz-Arie ist zudem nicht ausgeschlossen.
"Es ist wichtig, dass man kritisch sein kann, denn in dieser Welt, in der wir heute leben, können viele Leute Kritik nicht mehr so gut vertragen wie das früher war. Da will ich nicht enden", sagte Verstappen und richtete sich direkt an seine Kritiker: "Menschen, die meine Sprache nicht mögen, sollten nicht zuhören, sondern die Lautstärke runterdrehen."