Beim Besuch von Friedrich Merz in Seeon sollte eigentlich die große Einigkeit zwischen CDU und CSU demonstriert werden. Nur: Ganz zufrieden ist hier keiner. Es dauert ein paar Minuten, bis Friedrich Merz aus seinem Dienstwagen steigt. Wenige Meter entfernt steht Markus Söder . Und wartet. Der CSU-Chef zieht die Augenbrauen zusammen, seine Gesichtszüge verhärten sich etwas. "Ist der überhaupt im Auto?", fragt Söder halb ironisch. Dann steigt Merz aus. Gemütlich zieht der CDU-Vorsitzende sein Sakko an und spaziert lachend die Straße zum Kloster Seeon hinauf, als hätte er alle Zeit der Welt. An diesem Mittwoch ist Merz zu Gast bei der Klausur der CSU-Landesgruppe. Die Botschaft soll klar sein: CDU und CSU gehen geeint in den Wahlkampf. Friedrich Merz und Markus Söder, die große Geschlossenheit. So der Plan. Aber ein bisschen Spannung liegt doch in der Luft. "Wo ist der weiß-blaue Himmel?", fragt Merz und läuft Söder entgegen, die Arme von sich gestreckt. Der CSU-Chef beäugt den Kanzlerkandidaten für einen Moment als überlege er noch, ob er wirklich sagen soll, was ihm auf der Zunge liegt. Dann verzieht er die Mundwinkel und frotzelt zurück: "Bisher war es schön." Die CSU will mehr Söder von Merz Eigentlich ist man in der Union dieser Tage bemüht darum, Sticheleien und Streitigkeit beiseite zu schieben. Zumindest für den Moment. Zumindest für sieben Wochen, bis zur Bundestagswahl . Sowohl CDU als auch CSU wissen, was droht, wenn die Union nicht geeint ist. Der Wahlkampf 2021 hat das gezeigt. Söder und die CSU haben damals immer wieder gegen den Kandidaten Armin Laschet gestichelt. Das soll dieses Mal anders sein. Das Problem: So ganz zufrieden ist man in der CSU bislang auch dieses Mal nicht mit dem gemeinsamen Kanzlerkandidaten der Schwesterparteien. Zwar betonen sowohl Söder als auch andere in der Partei immer wieder die inhaltliche Nähe. Und es stimmt: Bei den großen Themen Wirtschaft, Migration und Sicherheit herrscht weitestgehend Konsens. Allerdings gehören zum Wahlkampf noch andere Dinge. Der Eindruck in den Reihen der Christsozialen: Die CSU hat seit Mitte Dezember auf Wahlkampf umgestellt, ist im Angriffsmodus. Unterdessen müssen Friedrich Merz und die CDU erst noch ins Rollen kommen. So erklärt man sich in Bayern auch, dass die Zustimmung für die CSU besser ist. Tatsächlich liegt die CSU in den Umfragen derzeit bei rund 44 Prozent, das sind 12,3 Prozentpunkte mehr, als sie bei der vergangenen Bundestagswahl holte. Unterdessen liegt die Union im Bund bei 32 Prozent. Damit das Ergebnis noch stärker wird, wünscht sich die CSU jetzt also mehr Söder von Merz. Aber was genau heißt das? Und ist der CDU-Vorsitzende auch bereit dazu? Mehr ist mehr: das soll der CDU-Chef jetzt anders machen Es gibt eine Reihe von Dingen, bei denen mancher in der CSU glaubt, dass Merz sie noch besser machen kann. Etwa sei die Taktung bislang eine andere als erwartet, noch nicht ausreichend, so heißt es hier in Seeon aus den Reihen der Abgeordneten. Merz müsse mehr öffentliche Auftritte absolvieren – und markiger werden. Zudem wünschen sich Teile der CSU, dass der Kanzlerkandidat in seinen Aussagen durchaus noch schärfer werde. Die Forderung des CDU-Vorsitzenden, die Hürden bei der Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft zu senken, kommt zum Beispiel gut an, Söder befürwortet sie im Laufe der Klausur gleich mehrfach. Als wolle er sagen: Gerne mehr davon. Hinzu kommt, dass das konsequente Nein zu einer schwarz-grünen Koalition in Bayern immer wieder bekräftigt wird. Merz sehe das genauso, heißt es in Seeon auf Nachfrage. Aber ist das so? Zumindest in der CDU zeigt man sich dahingehend von Söder genervt. Der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Daniel Günther , betonte am Dienstagabend in der ZDF-Sendung "Markus Lanz" sogar: "Söder sagt immer, es gibt in der CDU Leute, die schwärmen von Schwarz-Grün im Bund. Ich kenne niemanden." Der CSU-Chef behaupte dies, um dann zu sagen, er sei derjenige, der es verhindern werde. "Anstatt einfach den Mund zu halten und zu sagen, wir kämpfen für eine starke CDU. Und eine starke CSU", so Günther. Vier Themen und kein Wort von Migration Und Merz? Der macht in Seeon spätestens während einer Pressekonferenz am Nachmittag klar, dass er ganz gut für sich selbst sprechen kann. Sein "innerer Abstand" zu den Grünen sei in der Sache noch einmal größer geworden, so der CDU-Vorsitzende. Er betont aber auch: "Wir führen keinen Koalitionswahlkampf." Es gehe darum, ein starkes Ergebnis für die Union zu bekommen, dann werde man sehen, wer den vernünftigen Weg mitgehen will. Von Ausschluss? Kein Wort. Dann zählt Merz die Themen auf, die ihm wichtig sind: die Verbesserung der wirtschaftliche Lage und der Bürokratieabbau, die Energiepolitik, Steuerreformen und ein starkes Europa, das sich mit Blick auf die USA und China behaupten kann. Wollte die CSU nicht mehr scharfe Töne in Sachen Migration vom Kanzlerkandidaten? Ob bewusst oder unbewusst – Merz ignoriert diesen Wunsch nicht nur, sondern schiebt das Thema an diesem Mittwoch sogar beiseite. Neben ihm verziehen weder der CSU-Vorsitzende noch Alexander Dobrindt eine Miene. Und dann sagt Merz nur noch, er sei sehr froh über die "vollkommen uneingeschränkte Zustimmung der CSU". Söder nickt brav, Dobrindt verzieht die Mundwinkel zu einem Lächeln. Bis auf ein paar Sticheleien dürfte die Rebellion ausbleiben. Zumindest im Wahlkampf.