Sie zählte zur Elite der deutschen Kunstturnerinnen, nahm auch an den Olympischen Spielen teil. Jetzt hat Tabea Alt sich zu Wort gemeldet – und scharfe Kritik an Trainern und Verbänden geäußert. Es sind Worte, die einem den Atem stocken lassen: Auf Instagram hat die ehemalige Spitzenturnerin Tabea Alt am Samstagnachmittag einen Beitrag veröffentlicht und dabei vom seelischen und körperlichen Missbrauch berichtet, den sie über Jahre unter anderem am Bundesstützpunkt des DTB (Deutscher Turner-Bund) in Stuttgart erfahren haben soll. "Lange Zeit habe ich gezögert, mich öffentlich über die Missstände in Stuttgart, aber auch im deutschen Frauenturnen generell, zu äußern", schreibt die 24-Jährige. Sie habe immer bevorzugt, solche Dinge zunächst intern anzusprechen und aus diesem Grunde auch vor drei Jahren einen Brief an ihren Heimtrainer, die Bundestrainerin, den DTB-Präsidenten, den Teamarzt und weitere Verantwortliche geschrieben. Darin habe sie auf Missstände aufmerksam gemacht und Lösungsvorschläge für den Umgang mit künftigen Turntalenten unterbreitet. Ohne Erfolg. "Es wurde ignoriert oder einfach nicht ernst genommen", so Alt. Dann holt die Olympia-Teilnehmerin von 2016 aus: Zu ihrer aktiven Zeit sei ihre "Gesundheit ganz gezielt aufs Spiel gesetzt" worden. Ärztliche Vorgaben hätten keine Beachtung gefunden. Sie habe sogar mit Knochenbrüchen turnen und an Wettkämpfen teilnehmen müssen. Alt weiter: "Es ist kein Einzelfall: Essstörungen, Straftraining, Schmerzmittel, Drohungen und Demütigungen waren an der Tagesordnung. Heute weiß ich, es war systematischer körperlicher und mentaler Missbrauch." Alt, die 2017 die Bronzemedaille am Schwebebalken bei den Weltmeisterschaften in Montréal gewann, fordert, dass Athletinnen und Athleten von ihren Trainern und den Verbänden "endlich gehört werden". Sie selbst hatte im April 2021 ihre Laufbahn aufgrund mehrerer langwieriger Verletzungen frühzeitig beendet. "Es geht um junge Menschen, es geht um deren Gesundheit und dass deren Karrieren nicht aufhören, bevor sie überhaupt angefangen haben", schreibt sie. Zudem gehe es "um den Schutz der wohl schönsten Sportart der Welt. Dieses System muss sich verändern, um sich weiterentwickeln zu können." "Einen Arzttermin wahrzunehmen, war problematisch" Unter ihrem Beitrag erfuhr Alt prominente Zustimmung. So kommentierte beispielsweise Speerwerfer Julian Weber, Europameister von 2022: "So stark, genau richtig, solche Missstände öffentlich zu machen, nur so kann man wirklich etwas bewegen." Auch die deutsche Geräteturnerin Emma Malewski, die bei der EM 2022 in München am Schwebebalken Gold gewann, unterstützte die Worte von Alt: "Schlimm genug, dass man damit an die Öffentlichkeit gehen muss, damit man gehört wird", so die 20-Jährige. "Ihr seid sehr stark." Möglicherweise bezieht sich Malewski mit ihrem Kommentar auch auf den Beitrag einer anderen Turnerin. Carina Kröll hatte am Samstagnachmittag ebenfalls per Instagram auf die Missstände im Turnen aufmerksam gemacht. Sie schrieb unter anderem: "Selbst einen Arzttermin wahrzunehmen, war problematisch. Musste ich deshalb fünf Minuten früher gehen, begann das Training auch fünf Minuten früher, damit ja keine Zeit verloren geht." Es falle ihr bis heute schwer, ihrem Körper im Krankheitsfall eine Pause zu gönnen, ohne sich schlecht zu fühlen. Derweil reagierte der DTB auf eine Anfrage vom SWR zu den Anschuldigungen und betonte: "Der Deutsche Turner-Bund (DTB) wie auch der Schwäbische Turnerbund (STB) nehmen die öffentliche Debatte und die Vorwürfe zum Thema mentale Gesundheit von Leistungsturnerinnen und -turnern sehr ernst. In diesem Zusammenhang liegen DTB und STB konkrete Informationen zu möglichem Fehlverhalten von Seiten verantwortlicher Trainer am Bundesstützpunkt in Stuttgart vor." Das Geschehe werde nun aufgearbeitet.