Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser, Krisenzeiten sind Stresstests für die Demokratie. Wenn Probleme unüberwindbar wirken und die Antworten der Regierenden ebenso ungenügend erscheinen wie die Alternativvorschläge der etablierten Opposition, suchen viele Wähler Auswege. Der Aufstieg der Grünen in den Achtzigerjahren war die Folge einer solchen Entwicklung. Die Wahlerfolge der Linkspartei in Ostdeutschland ab 2007 waren es ebenso. Seit einigen Jahren ist es so bei der AfD, in der sich das Protestpotenzial allerdings mit demokratiefeindlichem Extremismus mischt. Seit einem Jahr dient nun das Bündnis Sahra Wagenknecht als Ventil für Unzufriedene, ein Wahlverein nach leninistischem Vorbild: elitär, dogmatisch und dem Willen einer charismatischen Anführerin unterworfen. Die Wahlerfolge der AfD und des BSW in Thüringen, Sachsen und Brandenburg sind zweifellos Ausdruck des Volkswillens, oder besser: des Volks-Teil-Willens. Zugleich erschweren sie die Bildung stabiler Regierungen, womöglich vereiteln sie diese sogar. Das entlässt die Vertreter der politischen Parteien vor Ort nicht aus ihrer Verantwortung, Koalitionsoptionen auszuloten und dabei Kompromissbereitschaft bis an die Grenze der eigenen Überzeugungen zu beweisen. Solange dies auf Basis der rechtsstaatlichen, freiheitlichen und demokratischen Grundordnung geschieht und keine Verfassungsfeinde in Staatsämter befördert, ist dem nichts entgegenzusetzen. Die Wähler haben ein Recht darauf, dass die Gewählten sich um Bündnisse bemühen. Ein Recht auf die Verheiratung konträrer Politikkonzepte haben sie jedoch nicht. Wie also kann die Regierungsbildung in den ostdeutschen Bundesländern aussehen? Warum erwägt die CDU zwar eine Zusammenarbeit mit den Wagenknecht-Leuten, nicht aber mit der Linkspartei, aus der das BSW hervorgegangen ist? Wie lassen sich Mehrheiten gegen die AfD organisieren, wenn diese die meisten Abgeordneten im Parlament stellt und öffentliche Debatten durch Parolen prägt? Was in Erfurt, Dresden und Potsdam in diesen Tagen verhandelt wird, zeigt wie unter einem Brennglas, was bald auf ganz Deutschland zukommen könnte: der kraft- und zeitraubende Umbruch der deutschen Parteiendemokratie. Unser heutiger Podcast-Gast steht mittendrin in dieser Entwicklung und gibt sich Mühe, sie in zivile Bahnen zu lenken: Der Linken-Politiker Bodo Ramelow hat zwar Thüringens Landtagswahl verloren, bleibt aber solange Ministerpräsident, bis ein Nachfolger gefunden und gewählt ist. Das kann angesichts der komplizierten Mehrheitsverhältnisse dauern. Genug Zeit also, dass Lisa Raphael und ich mit dem wortgewaltigen Politiker diskutieren können. Er sagt tatsächlich Bemerkenswertes, so viel kann ich schon verraten. Aber hören Sie selbst: Abonnieren auf Spotify | Apple Podcasts || Transkript lesen Ich wünsche Ihnen ein behagliches Herbstwochenende. Am Montag kommt der Tagesanbruch von Heike Vowinkel, ab Dienstag lesen Sie wieder von mir. Herzliche Grüße Ihr Florian Harms Chefredakteur t-online E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de Sie möchten den täglichen kostenlosen Tagesanbruch-Newsletter abonnieren oder weiterempfehlen? Das geht mit drei Klicks hier.