Seit drei Spielen wartet Harry Kane beim FC Bayern nun auf einen Torerfolg. Deshalb wird eine eigentlich unmögliche Debatte geführt. Steckt mehr hinter seiner Krise? Harry Kane reiste noch am Sonntag direkt aus Frankfurt weiter zur englischen Nationalmannschaft. Ob der Stürmer des FC Bayern in der Länderspielpause auch für die auflaufen kann, ist aber noch unklar. Nachdem er beim Spiel der Bayern bei Eintracht Frankfurt (3:3) mit Oberschenkelproblemen ausgewechselt werden musste (72.), standen zuerst noch weitere Untersuchungen durch die englischen Ärzte an. Eine genauere Diagnose steht noch aus. Es bleibt also noch abzuwarten, ob Kane an den beiden Nations-League-Partien am Donnerstag in Wembley gegen Griechenland und am Sonntag in Helsinki gegen Finnland mitwirken kann. Wer Kane kennt, der weiß, dass der 31-Jährige alles dafür tun wird und auf einen Einsatz im Nationaltrikot brennt. Und zwar nicht nur, weil er der Kapitän der "Three Lions" ist. Sondern auch, weil die anstehenden Länderspiele dem Stürmer die Chance bieten, seine kleine Torflaute ganz schnell wieder zu beenden. Zuletzt war der Torjäger bei Bayern nämlich in drei aufeinanderfolgenden Spielen ohne Treffer geblieben. Auch was deren Ergebnisse betrifft, hat Kane eine ziemlich ernüchternde Woche mit dem Rekordmeister hinter sich. Dem 1:1 gegen Meister Leverkusen folgten unter der Woche die erste Niederlage in dieser Saison bei Aston Villa (0:1) und das Remis in Frankfurt. Hamann attackiert Kane Die erste Ergebniskrise unter dem neuen Chefcoach Vincent Kompany ist damit perfekt. Kane war gegen Leverkusen über die komplette Spielzeit und anschließend bei Villa bis in die Nachspielzeit sogar ohne eigenen Torschuss geblieben. Klar, dass das direkt wieder Bayerns Chefkritiker Dietmar Hamann auf den Plan rief, der zuletzt bereits Jamal Musiala trotz dessen Topform als "Alleinunterhalter" abgewatscht hatte. Er habe schon nach der EM im Sommer über Kane gesagt, "dass er den Beweis noch schuldig ist, die 100 Millionen wert zu sein – auch wenn er letztes Jahr über 30 Tore geschossen hat", schrieb der ehemalige Nationalspieler in seiner Sky-Kolumne bereits vor dem Frankfurt-Spiel. Kane konnte ihm zumindest in Form von Toren keine Gegenargumente liefern. Allerdings bereitete Kane das zwischenzeitliche 3:2 durch Michael Olise mit einem Pass stark vor. Schon gegen Leverkusen hatte er Serge Gnabry mit einer technisch anspruchsvollen Flanke eigentlich perfekt in Szene gesetzt. Dass die am Ende nicht auch zur direkten Vorlage zum 2:1-Siegtreffer wurde, verhinderten nur der Innenpfosten und die Latte, die Gnabry in der Aktion anschließend direkt nacheinander traf. Kanes Quote spricht weiter für sich Kanes Torquote ist ohnehin auch in dieser Saison herausragend: In neun Pflichtspielen gelangen ihm schon wieder zehn eigene Treffer und zusätzlich sechs Assists. Beim 6:1 in Kiel erzielte er einen Dreierpack, drei Tage später beim 9:2 gegen Dinamo Zagreb traf er sogar viermal. In seinen bislang 54 Spielen für Bayern schoss er insgesamt schon 54 Tore und lieferte zusätzlich 18 Assists. Damit ist er im Schnitt alle 64 Minuten an einem Treffer beteiligt. Wenn man sich diese Zahlen vor Augen führt, ist es eigentlich schon irgendwie Wahnsinn, eine Debatte über Kane führen zu wollen. Hamann hielt trotzdem dagegen. Kane sei nicht von Bayern geholt worden, "um gegen Darmstadt einen Hattrick zu erzielen", sagte er. "Er wurde geholt, um gegen Leverkusen und Aston Villa ein Tor zu machen und im Viertelfinale der Champions League zu treffen. Das hat er bislang nicht getan." Deshalb bleibe er "bei Kane skeptisch". Mit Bayern erlebte Kane die erste titellose Saison seit 2012 mit und wartet damit auch weiter auf seine erste Trophäe seiner Karriere. Mit der soll es unter Kompany jetzt endlich klappen. Unter dem neuen Coach spielt Bayern nun wieder einen anderen Fußball. Während unter Ex-Trainer Thomas Tuchel das Spiel häufig eher defensiv und auf Konter ausgelegt war, legt Kompany nun seinen Schwerpunkt auf Dominanz und Ballbesitz. Steckt hinter seiner Kanes Krise System? Möglicherweise ist das auch einer der Gründe, warum es bei Kane bisweilen noch hakt. Dem Stürmer fehlen so häufig die Räume vor sich und mögliche Pässe dorthin. Daraus resultierend kommt er auch nicht mehr so oft in Eins-gegen-eins-Situationen gegen den Torhüter, in denen er seine Stärken im Abschluss ausspielen kann. Kane muss sich gegen die von Bayern oft tief in ihre eigene Hälfte zurückgedrängten Gegner in engeren Räumen zurechtfinden. Hinzukommt, dass sowohl Rechtsfuß Serge Gnabry auf dem linken Flügel als auch Linksfuß Michael Olise auf dem rechten häufig in die Mitte ziehen und selbst den Torabschluss suchen. Im Pressingsystem der englischen Nationalelf, wo er bisweilen kaum ins Spiel eingebunden war, schienen Kanes Stärken auch schon bei der EM im Sommer nicht unbedingt perfekt zur Geltung zu kommen. Kompany hat in der Länderspielpause nun jedenfalls knapp zwei Wochen Zeit, um eine Lösung dafür zu finden. Eberl: "Didi Hamann ist wie ein Tinnitus" Von Hamanns Kritik wollen sich die Bayern dabei aber nicht aus der Ruhe bringen lassen. Sportvorstand Max Eberl hatte die Kritik von Hamann schon vor dem Frankfurt-Spiel mit spitzen Worten gekontert. "Didi Hamann ist wie ein Tinnitus . Der kommt alle drei Tage hoch", sagte der 51-Jährige sichtlich genervt auf eine entsprechende Frage auf der Pressekonferenz. Von Tinnitus wird auch als Ohrensausen gesprochen. Ausgerechnet Hamanns Sky-Kollege Lothar Matthäus nahm Kane nun ebenfalls gegen Zweifel und Kritik in Schutz. "Mich hat er in diesen 15, 16 Monaten, wo er beim FC Bayern ist, nicht enttäuscht", sagte der 63-Jährige bei Sky. "Er scheint nicht im Vollbesitz seiner Kräfte zu sein", mutmaßte Matthäus. Schon gegen Leverkusen hatte Kane einen Schlag auf den Knöchel abbekommen und gegen Villa dann auf die Zähne gebissen und trotzdem gespielt. Matthäus weiter: "Kane muss 100-prozentig fit sein. Dann trifft Kane. Wenn er nicht fit ist, wird er auch nicht die Tore machen, die wir alle von ihm erwarten." Es liegt jetzt an Kane, den Tinnitus der Bayern wieder verstummen zu lassen.