Der langjährige Erfolgsrennstall fährt in der Formel 1 nicht mehr allen davon. Das Team steckt vielmehr seit geraumer Zeit in der Krise. Nun könnte dazu auch noch ein alter Konflikt neu eskalieren. Acht Rennen. 541 Runden. Über drei Monate. So lange ist der letzte Rennsieg von Formel-1-Weltmeister Max Verstappen her. Dass der amtierende Weltmeister noch immer relativ komfortabel in der Fahrerwertung führt, ist einzig auf den starken Saisonstart des Niederländers zurückzuführen, in dem alles nach einem weiteren dominanten Jahr des Red-Bull-Rennstalls aussah. Doch es kam alles ganz anders. Die Österreicher haben ihre absolute Dominanz eingebüßt, fahren seit Wochen schon nur noch mit statt vorneweg. Und jetzt droht das Team auch noch auseinanderzubrechen. Auf der Strecke sind es wirklich schwere Wochen für Red Bull. Zuletzt beim Großen Preis von Singapur war die Überlegenheit des aktuell größten Rivalen McLaren derart deutlich, dass der Rennstall sogar auf die Hilfe des kleinen Schwesterteams Racing Bulls zurückgreifen musste: In seinem letzten Formel-1-Rennen kam RB-Pilot Daniel Ricciardo auf Anweisung Red Bulls kurz vor Schluss noch mal an die Box und holte sich einen neuen Satz Reifen. Das Ziel: Ricciardo sollte sich die schnellste Rennrunde sichern, klaute damit Verstappens WM-Konkurrenten Lando Norris den damit verbundenen Extrapunkt, der in der Endabrechnung am Saisonende möglicherweise entscheidend sein könnte. "Wenn Max die WM mit einem Punkt holt, werde ich sicher ein schönes Weihnachtsgeschenk bekommen von ihm", sagte Ricciardo. 52 Punkte beträgt Verstappens Vorsprung auf Norris noch, sechs Rennen und drei Sprints sind noch zu fahren. Dem Weltmeister genügen in diesen Rennen dank Ricciardos Punkteklau ausschließlich zweite Plätze für seinen vierten WM-Titel in Serie. "Das Team sagt dann: 'Oh, das macht nichts'" Nicht nur sportlich steckt das einstige Erfolgsteam in der Krise, auch hinter den Kulissen rumort es. Nun hat sich auch noch einer der lautstärksten Kritiker wieder zu Wort gemeldet – und der kommt ausgerechnet quasi aus den eigenen Reihen: "Das ist genau das, wovor ich gewarnt habe", sagte Jos Verstappen, Vater des dreimaligen Weltmeisters, vor wenigen Tagen zu "motorsport.com". Grund für den Ärger des früheren Formel-1-Fahrers: Die zahlreichen prominenten Abgänge, die Red Bull in dieser Saison bereits verkünden musste. Mit Design-Koryphäe Adrian Newey und Sportdirektor Jonathan Wheatley verlassen zwei langjährige Architekten des Erfolgs das Team – und schließen sich auch noch der Konkurrenz an: Newey arbeitet ab kommender Saison bei Aston Martin, Wheatley verstärkt Audi . Nun geht auch noch Chefstratege Will Courtenay ausgerechnet zu McLaren, bringt sein Know-how also zum ärgsten Widersacher. Verstappen bemängelt, dass Red Bull nicht angemessen reagieren würde – mehr noch: Man würde sich die Probleme beschönigen. "Das Team sagt dann: 'Oh, das macht nichts, wir haben jemand anderen dafür', aber es sind einfach zu viele Leute", so Verstappen. Das störe dann letztlich auch die Fahrer in ihrer Konzentration auf die Rennen: "Und dann werden Max jedes Mal Fragen dazu gestellt. Es ist einfach nicht gut, was dort im Moment passiert." Letztlich benannte Verstappen Senior dann auch klar, an wen die Kritik adressiert war: Teamchef Christian Horner . "Er redet sich das alles immer schön", sagte der 52-Jährige. "Es kann so nicht weitergehen" Bricht damit eine alte Baustelle wieder auf? Schon zu Beginn des Jahres gerieten Jos Verstappen und der stets so selbstzufrieden lächelnde Horner aneinander, als sich der Engländer Vorwürfen ausgesetzt sah, er habe sich einer Red-Bull-Mitarbeiterin gegenüber mindestens unangemessen verhalten. Horner überlebte zwar eine interne Untersuchung der Anschuldigungen, war zeitweise jedoch schwer angeschlagen. Schon damals hatte sich Verstappen klar gegen den langjährigen Erfolgsmanager positioniert. Horner geriere sich als "Opfer, obwohl er derjenige ist, der die Probleme verursacht", erklärte der meinungsstarke Verstappen damals. Und forderte indirekt den Rücktritt des Briten: " Das Team läuft Gefahr, zerrissen zu werden. Es kann so nicht weitergehen, es wird explodieren." Irgendwie gelang es den unterschiedlichen Lagern – die Verstappens und Motorsportberater Helmut Marko auf der einen Seite, Horner und zumindest zeitweise die thailändische Eigentümerfamilie auf der anderen –, sich zu arrangieren; begünstigt sicher auch durch den erfolgreichen Saisonstart mit sieben Siegen von Max Verstappen in den ersten zehn Rennen 2024. Nun aber, mitten in der schwersten Red-Bull-Krise seit Jahren, scheint dieser Konflikt wieder aufzuflammen – durch die Frust-Äußerungen von Jos Verstappen. Immerhin dürfte der sich nach den zahlreichen Abgängen in seinen schon zu Beginn des Jahres geäußerten Befürchtungen vor einer Implosion des Teams bestätigt sehen. Mit ein Indiz für den weiteren Verlauf der Auseinandersetzung wird die Vorstellung von Red Bull am kommenden Rennwochenende in Austin (18. bis 20. Oktober) sein: Gelingt es dem Team mit dem angekündigten Upgrade, die Lücke zu McLaren zumindest zu verkleinern und den Vorsprung von Max Verstappen auf Lando Norris nicht noch weiter schrumpfen zu lassen? "Die Leichtigkeit", mit der Sieger Norris dem Zweiten Verstappen beim letzten Lauf in Singapur davonziehen konnte, sei "verstörend" gewesen, gab sogar Horner unumwunden zu, flüchtete sich danach aber in Zweckoptimismus: "Auf den Medium-Reifen hatten wir Probleme. Dafür konnten wir auf der harten Mischung das Tempo von Lando mitgehen." Er habe in dieser Phase "kein anderes Auto gesehen, das besser gewesen wäre als wir. Wenn man uns am Freitag einen Platz in der ersten Startreihe und zweiten Platz im Rennen angeboten hätte, hätten wir eingeschlagen." Singapur sei insgesamt "das zweite Rennen nach Baku, in dem wir uns gesteigert haben. Wir haben unsere Probleme verstanden und sind jetzt auch auf einem guten Weg, sie zu lösen", so Horner. Wenn das nicht klappt, wird Jos Verstappen wieder da sein.