Luke Mockridge lästert über Behinderte und bringt damit seinen Sender Sat.1 in Erklärungsnot. Die Konsequenzen dürften über eine Show-Absage hinausgehen. Es hätte sein Comeback werden sollen. Drei Jahre lang hatte sich Luke Mockridge weitgehend aus dem Fernsehbusiness zurückgezogen. Der Wirbel um die Missbrauchsvorwürfe gegen ihn hatte dazu geführt, dass der TV-Star an sich arbeiten wollte und sich in Therapie begab. "Ich brauche Zeit, Ruhe und Abstand, um zu verstehen, zu lernen und zu heilen", sagte er damals. Im Februar 2021 war bekannt geworden, dass seine Ex-Freundin Ines Anioli ihn eines Übergriffs beschuldigte. Später formulierten in einer "Spiegel"-Recherche weitere Frauen Anschuldigungen, Mockridge habe sich unangemessen verhalten. Der Comedian wies die Vorwürfe zurück und igelte sich ein. Sat.1-Shows wie "All Together Now", "Catch" und "Greatnightshow" wurden abgesagt. Die Auszeit begann – sie sollte bis zum September dieses Jahres dauern. Ein kalkuliertes Risiko Die Sat.1-Show "Was ist in der Box? – Das Comedy-Quiz" war als sein Comeback-Format geplant. Doch daraus wird nun nichts. Luke Mockridge manövrierte sich mit herabwürdigenden Äußerungen über Behinderte während eines Podcasts ins Abseits. Er machte sich über die Paralympics lustig, sagte Sätze wie: "Es gibt Menschen ohne Arme und Beine, die wirft man in ein Becken – und wer als Letzter ertrinkt, der hat gewonnen." Sein Sender zog daraufhin die Reißleine – und ließ das für den 12. September vorgesehene Comeback platzen. Für Sat.1 ist das ein herber Rückschlag. Acht Sendungen mit Mockridge als Moderator seiner neuen Show waren geplant – und bereits fertig produziert. Insgesamt 14 Comedians waren Teil der Gästeschar. Darunter Stars wie Simon Gosejohann, Wigald Boning , Janine Kunze, Eko Fresh oder Guido Cantz. Ein vermutlich teurer Spaß, jeweils eine Stunde lang, der nun in den Sat.1-Giftschrank wandert. Zu den genauen Kosten und der mutmaßlichen Verlustrechnung möchte sich der Sender nicht äußern. Mehrere Fragen von t-online lässt Sendersprecher Christoph Körfer unbeantwortet. Wie schwer es Sat.1 fiel, Ersatz für die Mockridge-Show zu besorgen, zeigten die vergangenen Tage. Der Skandal um die Äußerungen des Comedians nahm am Freitag Fahrt auf und baute sich am Wochenende zu einer beachtlichen Empörungswelle auf. Doch es sollte bis weit in den Montagnachmittag dauern, dass Sat.1 seine Programmänderung verkündete. Eine Programmänderung für den kommenden Donnerstag. Drei Tage Krisensitzung für einen Show-Ersatz in drei Tagen. Hinter den Kulissen dürfte es gebrodelt haben. Sat.1 hatte gehofft, mit der Rückkehr von Luke Mockridge auf die TV-Bühne gehe eine erhöhte Aufmerksamkeit einher. Das stimmt auch – doch die erweist sich nun als Bumerang. Denn mit viel Aufmerksamkeit, aber ohne passendes Programm, ist wenig gewonnen. Plötzlich schauen Werbepartner, geladene Comedians, Senderchefs, alle Beteiligten der Produktion sprichwörtlich in die Röhre und bekommen Wiederholungen serviert. Ähnlich wie beim Wendler-Drama Dies zeigt, wie fragil das TV-Geschäft mit kontroversen Persönlichkeiten ist. Ähnliches hat auch RTLzwei im März des vergangenen Jahres erleben müssen. Erst verkündete der Sender, eine Reality-Doku über das Familienleben von Michael Wendler zeigen zu wollen – nur um dann einen Tag später dem Druck der Öffentlichkeit nachzugeben und die Pläne wieder zu begraben. Luke Mockridge ist zwar nicht durch Verschwörungserzählungen und antisemitische Aussagen aufgefallen wie Wendler. Doch auch er ist bekannt als notorischer Grenzgänger, der mit der Provokation spielt. Schon zu seinen Karriereanfängen im Jahr 2013 fiel er auf dem YouTube-Kanal "Ponk" mit frauenfeindlichen Beleidigungen auf, erzählte von Vergewaltigungen unter Einfluss von K.-o.-Tropfen und davon, wie er mit seinem Patenkind auf "Nuttenpartys" gehen wolle. Sechs Jahre später zog er den Unmut von Andrea Kiewel auf sich, weil er im "ZDF Fernsehgarten" Affengeräusche imitierte und mit einer Banane telefonierte. Das Jahr 2021 und die Vorwürfe seiner Ex-Freundin wurden dann zum Wendepunkt. Luke Mockridge bestritt die Vergewaltigung, ein Verfahren gegen ihn wurde eingestellt. Und doch zeigte sich der heute 35-Jährige reumütig. Im "Stern" sagte er dieses Jahr in einem großen Interview, er sei früher "ein Arschloch" gewesen und habe "eine fast sportliche Motivation" gehabt, "Frauen aufzureißen". Mit so einem Comedian eine Zusammenarbeit zu vereinbaren, birgt Risiken. Wer Mockridge kauft, benötigt eine gute Rechtsschutzversicherung – das dürfte jedem TV-Macher klar sein. Es ist eine klassische Risikoabwägung. Geht alles glatt, hat man das Prädikat "TV-Comeback von Luke Mockridge" im Kasten – und damit ein Ereignis, das bei vielversprechender Resonanz auch als Startschuss für weitere Folgeprojekte dienen könnte. Doch die Fallhöhe ist groß: Geht etwas schief, ist die Entrüstung groß – weil sie auf all die Vorfälle aus der Vergangenheit verweisen kann, die dann als Anzeichen dafür ausgelegt werden, dass man es "schon vorher hätte wissen müssen". Am Freitagmorgen folgt die Quotenabrechnung Letzteres ist für Sat.1 eingetreten – und damit gilt die knallharte, aber in der Branche übliche Abrechnung: Die Risikoabwägung ist misslungen, die Mission gescheitert. Auch wenn der TV-Sender auf den ersten Blick nichts für Mockridges Entgleisungen kann: Er hat den Komiker und Entertainer mit all seinen Vorzügen, aber auch mit all seinen Gefahren eingekauft. Die Wahrscheinlichkeit, mit einem offenbar aus guten Gründen jahrelang von der Mattscheibe verschwundenen Witzemacher zu scheitern, muss ein milliardenschwerer Konzern einpreisen. Wie Sat.1 das getan hat und ob der Privatsender gut genug auf den "Worst Case" vorbereitet war, kann nun mit einem Blick auf das TV-Ersatzprogramm bemessen werden. Für welche Art der guten Vorbereitung eilig aus dem Archiv gekramte Wiederholungen stehen, muss jeder selbst beurteilen – und die TV-Quoten am Freitagmorgen werden eine erste Quittung dafür liefern.