Priester, die in Deutschland Kinder missbrauchten und dann ins Ausland geschickt wurden? Aus Sicht von Betroffenen war das kein Einzelfall.
Die Versetzung von Missbrauchstätern ins Ausland war aus Sicht der Betroffeneninitiative Eckiger Tisch lange Zeit gängige Praxis in der katholischen Kirche. "Nach unserer Einschätzung hatte dieses Verstecken in der Mission System", sagte ihr Sprecher, Matthias Katsch, der Deutschen Presse-Agentur. "Es offenbart geradezu mafiöse Strukturen in der Kirche, wenn es darum ging, Täter vor den Konsequenzen ihrer Verbrechen zu schützen."
Auch aus dem Bereich der Ordenspriester seien "zahlreiche vergleichbare Fälle" bekannt, sagte Katsch. "So hatten beide Serientäter vom Berliner Canisius-Kolleg Bezüge und Einsätze in Lateinamerika, nachdem sie schon in Deutschland an verschiedenen Einsatzorten Missbrauchstaten begangen hatten."
Das ARD-Politikmagazins "report München" hatte in Zusammenarbeit mit dem ARD-Studio Rio de Janeiro eine Recherche über derartige Fälle veröffentlicht, in deren Zentrum zwei Priester aus den bayerischen Diözesen Eichstätt und Bamberg standen.
Missbrauchstäter nach Afrika und Lateinamerika geschickt
In einem Fall geht es um einen Priester aus dem Bistum Eichstätt, der sich nach Missbrauchsfällen Ende der 1960er Jahre erst nach Afrika und dann nach Südamerika abgesetzt hatte. Die Mediengruppe Bayern hatte den Fall bereits 2022 zusammen mit Vorwürfen gegen den früheren Bischof, der den betreffenden Priester gedeckt haben soll, öffentlich gemacht. Das Bistum hat den Bericht bestätigt. Der Priester sei unter falschem Namen als Missionar tätig gewesen und nach seiner Rückkehr - als die vorgeworfenen Taten verjährt waren - im Erzbistum München eingesetzt worden.
Im Interview mit "report München" sprach der aktuelle Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke von Praktiken mit "kriminellem Anstrich": "Da mit ansehen zu müssen, dass Täter geschützt wurden, das ist skandalös." Eine Sprecherin des Bistums betonte auf dpa-Anfrage: "Die Betroffenen sexuellen Missbrauchs wurden durch ein System im Stich gelassen, das ihre Rechte und ihr Leid ignorierte."
Ein Fall aus dem Erzbistum Bamberg
Auch das Erzbistum Bamberg soll einem Priester, gegen den Missbrauchsvorwürfe erhoben worden waren, geholfen haben, in Bolivien als Missionar zu arbeiten. Diesen Fall, den das Erzbistum selbst vor einigen Jahren bekannt machte, greift "report München" ebenfalls auf. Nach seiner Rückkehr wurde der Mann in Bayern als Gemeindepfarrer eingesetzt. "Es muss immer wieder erschüttern, dass sich ein Priester über Jahrzehnte hinweg ungehindert immer wieder an Kindern und Jugendlichen vergehen konnte", sagte Bistumssprecher Harry Luck der dpa. Inzwischen gebe es 13 Meldungen von Betroffenen zu diesem Pfarrer, davon zwei aus dessen Nürnberger Zeit und elf aus seiner Zeit im oberfränkischen Wallenfels. Der Fall sei Gegenstand des derzeit laufenden wissenschaftlichen Aufarbeitungsprojekts.
Die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) hatte 2022 die Ergebnisse Untersuchung von 474 der Akten zu Entsandten der Koordinierungsstelle Fidei Donum zum Einsatz von deutschen Priestern in Lateinamerika vorgestellt. Daraus ergab sich, dass der frühere Leiter dieser Koordinationsstelle und spätere Bischof von Santo Domingo in Ecuador, Emil Stehle, "Priester, die in Deutschland wegen sexualisierter Gewalt strafrechtlich verfolgt wurden, dabei unterstützt hat, sich den Strafverfolgungsbehörden zu entziehen", wie es damals in einer Mitteilung der DBK hieß. "Auch wird er selbst des sexuellen Missbrauchs beschuldigt", teilte die Bischofskonferenz 2022 mit.