Gewährt eine Kirchengemeinde einem Geflüchteten oder einer Familie Asyl, ist das ein Zeichen von Menschlichkeit. Zugleich ist damit großer Aufwand verbunden. Die Nachfrage nach Hilfe ist groß.
Die Gemeinden der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) gewähren immer öfter Kirchenasyl. In diesem Jahr seien mehr als 100 Fälle neu hinzugekommen, nach 85 im Vorjahr und 54 im Jahr 2022, so die Kirche. In dieser Entwicklung spiegelt sich nach Einschätzung der EKM die starke Flüchtlingsabwehr in einigen anderen Ländern der EU, aufgrund derer sich geflüchtete Menschen nicht vorstellen könnten, dort zu bleiben. Hinzu kämen enge verwandtschaftliche Bindungen zu Personen, die schon in Deutschland leben.
Bei den allermeisten Schutzsuchenden handelt es sich um syrische Staatsbürger. Über die Gewährung von Kirchenasyl entscheidet das Leitungsgremium der Kirchengemeinde. Dabei gibt viele Herausforderungen. Es ist ein Überblick über die konkrete Gefährdungssituation und die drohende humanitäre Härte nötig. Es stellen sich die Fragen nach den Räumlichkeiten, der Versorgung und Seelsorge. Wer im Kirchenasyl aufgenommen ist, darf das Gebäude beziehungsweise das Grundstück nicht verlassen.
Landesbischof: Anfeindungen nehmen zu
EKM-Landesbischof Friedrich Kramer sagte: "Die Anfeindungen gegenüber im Kirchenasyl Engagierten nehmen massiv zu, das muss man sagen. Das ist von unseren Gemeinden sehr mutig." Er verwies auf den insgesamt raueren Ton in der Gesellschaft, den viele zu spüren bekämen. "Es ist eine Vernetzung mit der Landeskirche wichtig und dass die Kirchenasyle voneinander wissen und sich wechselseitig stärken."
Kramer betonte: "Und ich bin stolz auf unsere Gemeinden, die den Mut haben, das zu tun. Die sich dann trotz auch Infragestellung und Anfeindungen nicht davon abbringen lassen. Und die sagen, wir haben hier eine Aufgabe, Menschen in ihrer Würde auch zu schützen." Der Landesbischof sagte weiter: "Dass sich die ganzen Migrationsfragen damit nicht lösen lassen, ist völlig klar. Aber hier geht es um Menschlichkeit, um den konkreten Fall. Dass wir unser Herz nicht verhärten, sondern die konkrete Situation sehen, in der die Familien und einzelne Menschen stehen."
Katholisches Bistum Magdeburg
Im Bistum Magdeburg sind der Beauftragten für Migration, Monika Schwenke, derzeit keine Fälle von Kirchenasyl bekannt. Allerdings gingen wöchentlich zwei bis drei Anfragen ein. Schwenke verweist dann an die 43 Pfarreien.
Bei den Menschen, die um Kirchenasyl bitten, handelt es sich zumeist um sogenannte Dublin-Fälle, also Menschen, die in einem anderen Land angekommen sind und nach geltender Rechtslage eigentlich dort ihren Asylantrag stellen müssten.
Zwei Fälle von Kirchenasyl in Anhalt
Im Bereich der Evangelischen Landeskirche Anhalts gibt es pro Jahr etwa 10 bis 15 Anfragen zum Thema Kirchenasyl, wie Pfarrer Johannes Lewek aus Bernburg berichtet. Er berät die Gemeinden der Landeskirche in ehrenamtlicher Arbeit in dieser Thematik. Bei den meisten Anfragen handele es sich um eine Beratung.
Im Jahr 2024 habe die Evangelische Landeskirche Anhalts in zwei Fällen Kirchenasyl in zwei Kirchengemeinden gewährt. "In einem Fall handelte es sich um eine dreiköpfige Familie aus Afghanistan. Im anderen Fall um eine achtköpfige Familie aus Syrien. Beide Familien haben etwa ein halbes Jahr das Kirchenasyl in Anspruch genommen", so Lewek. Beide Kirchenasyle sind inzwischen abgeschlossen. Aktuell gebe es keine Fälle von Kirchenasyl.
Gemeinden sind offen im Rahmen ihrer Möglichkeiten
"Die Gemeinden der Landeskirche sind im Rahmen ihrer finanziellen und räumlichen Möglichkeiten offen für das Thema Kirchenasyl", schätzte Lewek ein. "Es finden sich genügend Gemeinden, um die wirklich dramatischen Fälle von Schutzsuchenden auffangen zu können." Grundlegende Voraussetzung für ein Kirchenasyl sei, dass die angefragte Gemeinde von der speziellen Härte der jeweiligen Situation der von Abschiebung betroffenen Flüchtlinge überzeugt sei. Dies sei dann auch Voraussetzung dafür, dass die staatlichen Behörden das Kirchenasyl respektierten.