Ein brennender Smoker, ein Food-Trip durch New York und die Vision von perfektem Barbecue: Wie Nawid Samawat das Chicago Williams zur kulinarischen Institution Berlins machte.
Rauch erfüllt die Luft, als Nawid Samawat sich an den Tag erinnert, an dem sein Smoker Feuer fing. Es war in den Anfangstagen seines Restaurants "Chicago Williams BBQ", als er noch in einer geliehenen Küche eines alten Bürogebäudes räucherte. Jemand hatte ungefragt eigene Speisen in seinen Smoker gelegt, was zu einer gefährlichen Fettansammlung und schließlich zum Brand führte.
"Ich fahre nach Hause, da ruft mich einer aus der Küche an und sagt: 'Der Räucherofen brennt, das ganze Haus brennt!'", erinnert er sich. Während unten die Friedrichstraße in Berlin von sechs Einsatzwagen blockiert wurde, rannte Samawat die Treppen hoch, entfernte die Gasflaschen und bekämpfte das Feuer. Ein Feuerwehrmann brach dramatisch mit einer Axt durch die Wand – nur um festzustellen, dass Samawat die Situation bereits unter Kontrolle hatte.
Diese Feuertaufe war nur eine von vielen Herausforderungen auf dem Weg zu einer der wichtigsten Barbecue-Adressen Berlins. Die Geschichte des "Chicago Williams" begann eigentlich 2012 in Queens, New York, als Samawat im John Brown Smokehouse zum ersten Mal authentisches amerikanisches Barbecue probierte.
Die komplexen Aromen von Frucht- und Hickoryholz waren eine Offenbarung für den gebürtigen Berliner mit persischem Vater und fränkischer Mutter. Eine zweiwöchigen Food-Research-Tour durch die USA, bei der er täglich bis zu 15 Restaurants testete und dabei, wie er lachend zugibt, "zwölf Kilo zunahm", wurde zur Geburtsstunde einer Vision.
Nur sechs Monate später eröffnete Samawat sein erstes Restaurant. Der Weg dorthin war nicht geradlinig: Mit 16 begann er als Tellerwäscher, arbeitete sich durch die Gastronomieszene und fand zunächst seine Berufung in der Berliner Barszene. Doch die Begegnung mit echtem amerikanischen Barbecue veränderte alles.
Was viele nicht wissen: Barbecue bedeutet nicht einfach nur Grillen. Es ist die Kunst, große Fleischstücke bei moderaten Temperaturen über lange Zeit zu garen. Im "Chicago Williams" wird das Brisket, die Rinderbrust, über zehn Stunden bei etwa 130 Grad mit Eichenholz geräuchert. Das Pulled Pork, ein 24 Stunden marinierter Schweinekamm, verbringt acht bis zehn Stunden bei derselben Temperatur im Smoker, begleitet vom süßlichen Rauch des Kirsch- und Apfelholzes.
"Bei einem neun Kilo schweren Stück Fleisch hast du am Ende nur noch zweieinhalb Kilo", erklärt Samawat den aufwendigen Prozess. Für das Brisket wird das Brustfleisch erst um 40 Prozent getrimmt, verliert dann beim Räuchern weitere 35 Prozent. Die Kerntemperatur wird präzise zwischen 92 und 94 Grad gehalten, wodurch das intramuskuläre Fett schmilzt und das Fleisch seine charakteristische Zartheit erhält. Der Rauch hinterlässt dabei seine Signatur in Form eines rosafarbenen "Smokerings" – ein chemisches Kunstwerk, das dem Fleisch sein unverwechselbares Aroma verleiht.
Heute dominiert ein 1,3 Tonnen schwerer, aus Texas importierter Smoker die Küche seines aktuellen Lokals in der Marburger Straße nahe dem Ku'damm. Er wird von der wohl teuersten Lüftungsanlage der Berliner Gastronomie versorgt – ein 250.000 Euro teures System, das sicherstellt, dass die Nachbarn eher die vietnamesischen und syrischen Restaurants in der Umgebung riechen als sein Barbecue.
Der Qualitätsanspruch zeigt sich auch in der Auswahl der Lieferanten. Samawat bezieht sein Fleisch ausschließlich von Creekstone Farms und der Bäuerlichen Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall. "Wozu brauche ich einen Lieferanten? Ich brauche einen Produzenten", erklärt er seine Philosophie. Er machte sich selbst auf den Weg nach Schwäbisch Hall, um sich von der artgerechten Tierhaltung zu überzeugen. "Die Bauernhöfe dürfen maximal 45 Minuten vom Schlachthof entfernt sein", erklärt er eines der Qualitätskriterien.
Doch bei allem Fokus auf Qualität und Technik ist es die Gastfreundschaft, die das "Chicago Williams" auszeichnet. Diese Gastfreundschaft erleben wir auch bei unserem Besuch. Kaum haben wir Platz genommen, beginnt eine wahre Parade von Gerichten, ohne dass wir auch nur die Karte öffnen konnten. "Erst gibst du jemandem etwas zu essen, dann wird er dein Freund", erklärt Samawat, während er eine dampfende Maissuppe servieren lässt – ein Willkommensgruß, den hier jeder Gast erhält. Es folgen hausgemachte Arepas mit geräuchertem Hähnchen-Mole, doppelt frittierte Pommes, ein Reuben-Sandwich mit hausgebeiztem Pastrami auf Brot, das in ausgelassenem Brisket-Fett gebraten wurde.
Das butterzarte Brisket kommt direkt aus dem Smoker, dazu Trüffel-Kartoffelpüree und Mac & Cheese. "Bei uns checkt der Kellner erst mal, wie es dir geht", erklärt er. "Und wenn du sagst 'Mir geht's scheiße', dann kriegt der Gast erstmal einen Schnaps – oder wenn er keinen Alkohol nimmt, etwas anderes Gutes." Das sind die Klassiker des Amerikanischen Barbecues 2300
Zwischen den Gängen spricht Samawat nachdenklich über die Herausforderungen der aktuellen Marktsituation: "Du schaust in deine Kalkulation, siehst die Betriebskosten, und es macht dich einfach traurig", reflektiert er. "Weil du eigentlich ein Ort sein willst, wo sich die Menschen wohlfühlen können, nicht ein exklusiver Club." Die Realität der Gastronomie im Jahr 2024 illustriert er an einem Beispiel: "Ich war gestern in einem einfachen Lokal und habe ein Lamm-Gericht und ein Wasser bestellt. Was früher ein Zehn-Euro-Gericht war, kostet heute 17 Euro. Das ist die neue Realität."
Doch er sieht auch eine positive Entwicklung: "Was mich optimistisch stimmt: Die Berliner verstehen zunehmend, dass Qualität ihren Preis hat. Wir sind zwar noch nicht auf dem Niveau von Frankreich oder Italien, aber wir kommen in eine Richtung, wo die Menschen nicht herkommen, um einfach nur satt zu werden, sondern um ein Lebensgefühl zu erleben."
Um seinen Gästen trotz steigender Kosten ein besonderes Erlebnis zu ermöglichen, entwickelt Samawat ständig neue Konzepte. Jeden Monat kreiert er mit seinem Team besondere Specials, oft in Zusammenarbeit mit ausgewählten Spirituosenherstellern. "Diese Partnerschaften erlauben es uns, hochwertige Cocktails für elf Euro anzubieten, während sie anderswo in Berlin mindestens 14 Euro kosten würden", erklärt er. Diese "Sidequests", wie er sie nennt, halten nicht nur die Speisekarte spannend, sondern ermöglichen es ihm auch, hochwertige Zutaten und Getränke zu erschwinglichen Preisen anzubieten. "Chicago Williams ist und bleibt aber immer die Base für alles", betont er.
Was Samawat besonders wichtig ist: Barbecue ist nicht nur Fleisch. Seine vegetarischen Kreationen wie geräucherter Blumenkohl oder Auberginen beweisen, dass die rauchige Magie des Smokers auch bei pflanzlichen Gerichten ihre Wirkung entfaltet. "Wir versuchen inklusiv zu sein", sagt er. "Hier sitzen Kinder, junge Gruppen, Frauen und Männer, Junggesellenabschiede – alle sind willkommen."
In einer Stadt, die für ihren manchmal rauen Service bekannt ist, hat Nawid Samawat eine Oase der Gastfreundschaft geschaffen, in der die Herzlichkeit mit dem Rauch seines geliebten Smokers wetteifert. Das "Chicago Williams" ist nicht nur ein Restaurant – es ist seine Liebeserklärung an gutes Essen und echte Gastfreundschaft.