Cannabidiol in Form von Tropfen oder Öl soll bei einigen Beschwerden helfen können – ob bei Einschlafproblemen oder Menstruationsschmerzen. Aber stimmt das wirklich?
Wenn man Influencern oder Werbeversprechen Glauben schenkt, können CBD-Produkte wie Tropfen oder Öle wahre Wundermittel sein: Sie sollen etwa bei Schlafproblemen, Menstruationsschmerzen, Unruhe oder Stress helfen. Aber ist der Stoff, der in verschiedener Form auch frei verkäuflich ist, wirklich so universell einsetzbar? Welche Wirkung hat Cannabidiol, also CBD?
Zuerst einmal: Cannabidiol ist ein nicht psychoaktives Cannabinoid aus dem weiblichen Hanf und kein Betäubungsmittel – im Gegensatz zu THC, Tetrahydrocannabinol. Die "Deutsche Apotheker Zeitung" schreibt dazu: "Cannabidiol-haltige Öle oder Tinkturen, die als Lebensmittel, Nahrungsergänzungsmittel oder Kosmetik auch außerhalb von Apotheken verkauft werden, weisen einen THC-Gehalt von unter 0,2 Prozent auf und dürfen nicht mit gesundheitsbezogenen Aussagen beworben werden. Cannabidiol-haltige 'Hanföle' sollten nicht verwechselt werden mit illegalem 'Cannabis-Öl' ('Haschisch-Öl')." Frei verkäufliche CBD-Produkte machen also nicht "high", dürfen aber auch keine Versprechen machen, die die Gesundheit betreffen. Was aber ist tatsächlich die Wirkung von CBD?
Dr. med. Franjo Grotenhermen ist Allgemeinmediziner und ab dem 1. Mai Leiter des Zentrums für Cannabismedizin in Steinheim, NRW. Sein Arbeitsschwerpunkt ist die Therapie mit Cannabis und Cannabinoiden. Er hat außerdem ein Buch über Anwendung und Wirkung von CBD und Cannabis geschrieben. Grotenhermen erklärt dem stern, welche Wirkung Cannabidiol wirklich hat und was man vor allem beim Kauf von Produkten wie Ölen oder Tropfen beachten sollte.
Zur Wirkung von CBD sagt Dr. Franjo Grotenhermen: Cannabidiol sei kein Allheilmittel. Aber: "Die Zahl der pharmakologischen Wirkungen ist erstaunlich umfangreich. CBD hat angstlösende, antidepressive, entzündungshemmende, antibakterielle, antipsychotische und antiepileptische Eigenschaften, um die wichtigsten zu nennen." Es könne auch die Entzugssymptome bei Abhängigkeiten von Drogen, wie etwa von THC, Alkohol und Schlafmitteln abschwächen, so der Experte. "Bei einigen Personen fördert CBD den Schlaf, bei anderen wirkt es dagegen wach machend. Wie bei anderen Medikamenten ist die Wirksamkeit nicht bei jedem Patienten gleich."
Wichtig sei generell: Man müsse zwischen frei verkäuflichen und medizinisch verordneten beziehungsweise rezeptpflichtigen Cannabidiol-Produkten unterscheiden. Letztere haben deutlich höhere Dosen. Bisher bewegt sich der Handel mit frei verkäuflichen CBD-Produkten in einer Grauzone. Von einer Einstufung als Betäubungsmittel hat die EU-Kommission allerdings inzwischen Abstand genommen, da CBD keine psychotrope Wirkung habe. Die EU teilte daher 2020 mit, dass CBD als Lebensmittel angesehen werden könne. Laut Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit sind CBD-haltige Produkte aber nicht als Lebensmittel zugelassen. Daher werden CBD-Produkte neuerdings auch als Aromaöle verkauft. Diese sind zum Verzehr nicht geeignet, so die Verbraucherzentrale.
Stiftung Warentest hat kürzlich 16 CBD-haltige Produkte getestet und beäugt viele davon kritisch, da es oftmals keine klaren Aussagen darüber gibt, was die Produkte wirklich enthalten. Manche enthalten weniger CBD als versprochen, andere mehr TCH als angegeben – was wiederum bedenklich sein kann. Die Stiftung Warentest stellte nach dem Test fest, dass für keines der Produkte ausreichende wissenschaftliche Belege vorliegen – weder für die ausgelobten Eigenschaften noch für Effekte auf das Wohlbefinden, die viele Anbieter auf ihren Webseiten andeuten. Am Ende sei vor allem ein Zertifikat eines anerkannten Labors über die Zusammensetzung wichtig und als Verbraucher solle man sich genau informieren, was man kauft und oral zu sich nimmt.
Das ist aber nicht die einzige Kritik an den Produkten: Wegen ihrer geringen Dosis an CBD unterstellen manche Experten den frei verkäuflichen Produkten eine Placebo-Wirkung. Dazu sagt Grotenhermen: "Der entscheidende Punkt ist die Dosis. Das gilt auch für andere Substanzen. Vitaminpräparate, die als Nahrungsergänzungsmittel im Supermarkt verkauft werden dürfen, enthalten geringere Mengen als solche, die als Arzneimittel in der Apotheke verkauft werden." Die Übergänge von normalen gesunden Nahrungsmitteln, Nahrungsergänzungsmitteln und Medikamenten seien fließend.
Und weiter: "Die Dosis entscheidet über die Wirkung, auch über medizinisch erwünschte und unerwünschte Wirkungen. Niedrige CBD-Dosen sind nicht gefährlich." Bei hohen Dosen können dagegen Nebenwirkungen auftreten, etwa Kopfschmerzen. Die "Deutsche Apotheker Zeitung" erklärt dazu: "Als ein positiver Aspekt der bisherigen Studien zum Cannabidiol wird generell die überwiegend gute Verträglichkeit hervorgehoben. In der Tat werden eher milde Nebenwirkungen wie Müdigkeit und gastrointestinale Beschwerden beobachtet." Letztere bedeuten etwa einen Reizdarm, Reizmagen und insgesamt Magen- und Darmbeschwerden.
Gefährlich sei die Einnahme von frei verkäuflichen Cannabidiol-Produkten mit einer niedrigen Dosis also nicht, sagt der Arzt und Autor und zieht das Fazit: "CBD kann in hohen Dosen ein Medikament sein und in niedrigen ein Nahrungsergänzungsmittel." Was aber heißt niedrig? Dazu bezieht sich Grotenhermen auf das Gesundheitsministerium in Australien: "CBD in einer Dosis von bis zu einem Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht gilt als niedrige Dosis." Bei einem Körpergewicht von 70 Kilogramm entsprechen also alle Dosen unter 70 Milligramm einer niedrigen Dosis. Diese könne man bedenkenlos zu sich nehmen, sagt der Experte.
Er sagt aber auch: "Wer gesund ist, sich gut fühlt, sich ausreichend bewegt und gesund ernährt, benötigt keine Nahrungsergänzungsmittel." Dennoch können frei verkäufliche Tropfen oder Öle bei manchen Verbrauchern positive Wirkungen zeigen. "Das ist aber bisher kaum erforscht und basiert nahezu ausschließlich auf Umfragen zu Erfahrungen von Menschen, die CBD in niedrigen Mengen einnehmen", so der Experte. Vor allem bei Produkten, die CBD in Kombination mit beruhigenden Kräutern oder auch Vitaminen und Nährstoffen enthalten, ist es nicht ausgeschlossen, dass man sich wirklich entspannter oder auch konzentrierter beziehungsweise insgesamt positiver fühlen kann.
Studien und wissenschaftliche Belege zur Wirkung von CBD gibt es insgesamt bisher nur wenige, wie Dr. med. Franjo Grotenhermen erklärt. Er sagt aber: "Studien haben Hinweise darauf ergeben, dass CBD unter anderem gut bei bestimmten Formen der Epilepsie oder auch bei Angststörungen und schizophrenen Psychosen wirken könnte." Der Wirkstoff könne dabei helfen, Symptome zu lindern. "Der CBD-Extrakt Epidiolex ist für die Behandlung zweier seltener Formen der kindlichen Epilepsie in mehreren europäischen Ländern, darunter auch in Deutschland, arzneimittelrechtlich zugelassen", sagt der Experte weiter. Da es sich um schwerwiegende Erkrankungen handelt, sollte die Therapie aber nicht eigenmächtig und nur nach Rücksprache mit dem behandelnden Mediziner begonnen werden.
Für solche Effekte seien sowieso höhere Dosen erforderlich: "Bei einer schweren Erkrankung, die durch CBD gelindert werden soll, sind hohe Dosen von mehreren Hundert Milligramm erforderlich." Mit frei verkäuflichen CBD-Produkten sind solche Wirkungen natürlich nicht zu erzielen.
Wer sich aber dennoch dafür entscheidet, Produkte ausprobieren zu wollen, um etwa innere Ruhe zu schaffen, hat nun die Wahl zwischen verschiedenen Formen: "Die bevorzugten Darreichungsformen sind Blüten, die inhaliert werden können, sowie Tropfen, Kapseln und Tinkturen, die über den Mund eingenommen werden. Daneben gibt es CBD-haltige Cremes oder Gele, die auf die Haut aufgetragen werden, um zum Beispiel Hautentzündungen zu reduzieren oder die Hautalterung zu beeinflussen", sagt Grotenhermen. "Die bevorzugte Einnahmeform von CBD-Produkten ist sicherlich die orale Einnahme von Tropfen, Tinkturen und Pasten."
Beim Kauf solle man folgende Dinge beachten, so der Experte: "Wünschenswert wäre ein Zertifikat eines anerkannten Labors über die Zusammensetzung der Produkte. In den USA hatten Prüfungen ergeben, dass die realen CBD-Konzentrationen von den deklarierten nicht selten deutlich abwichen. In Deutschland hat kürzlich die Stiftung Warentest eine vergleichbare Untersuchung vorgenommen. Zum Teil werden CBD-Extrakte mit Konzentrationen von zehn Prozent oder mehr als 'natürlich' deklariert. Solch hohe Konzentrationen sind allerdings nur mit isoliertem Cannabidiol, das dann in einem Öl gelöst wurde, zu erzielen. Ob dieses CBD synthetisch hergestellt oder aus der Hanfpflanze extrahiert wurde, kann im Allgemeinen nicht beurteilt werden. Natürliche CBD-Extrakte enthalten nicht mehr als fünf Prozent CBD", erklärt der Arzt.
Verwendete Quellen: VAAY / "Deutsche Apotheker Zeitung" / verbraucherzentrale.de
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