Welche Rolle spielen bei der US-Wahl die Wahlleute? Und kann ein Kandidat die Mehrheit der Stimmen gewinnen und trotzdem verlieren? Das Wahlkollegium im Überblick.
Die Zukunft der USA liegt in den Händen von rund 244 Millionen Menschen. So viele Amerikaner sind am 5. November dazu aufgerufen, ihre Stimme für den Kandidaten ihrer Wahl abzugeben.
Ob der Gewinner – oder die Gewinnerin – bereits am Wahltag feststeht, lässt sich derzeit noch nicht sagen. Denn bislang zeichnet sich ein extrem enges Rennen ab: Vizepräsidentin Kamala Harris und Ex-Präsident Donald Trump liegen in den wichtigen Swing States Kopf-an-Kopf.
Doch wieso sind diese überhaupt so wichtig? Und was passiert eigentlich bei einem Patt?
Ein Blick auf das entscheidende Wahlkollegium.
In den USA wird das Staatsoberhaupt indirekt über Wahlmänner und Wahlfrauen gewählt, sogenannte "Electors". Jeder Bundesstaat entsendet nach seiner Bevölkerungsgröße entsprechend eine festgelegte Anzahl von Wahlleuten. Die Mindestzahl sind drei (etwa North Dakota und Washington, D.C.), in Kalifornien als größtem Bundesstaat, sind 55 Electors zu holen. Insgesamt besteht das Wahlmännergremium ("Electoral College") aus 538 Abgesandten. Die Wahlleute stimmen 41 Tage nach der Präsidentenwahl ab, dieses Jahr am 14. Dezember. Präsident wird, wer mehr als die Hälfte von ihnen (270) gewonnen hat. Der Gewinner soll am 20. Januar 2025 vereidigt werden.
IV Allan Lichtman Harris Trump 20.54
Die Kandidaten kämpfen also eigentlich darum, in den einzelnen Bundesstaaten zu gewinnen, denn der Sieger bekommt alle zu vergebenen Electors, während der Verlierer leer ausgeht. Das "The winner takes it all"-Prinzip gilt in 48 von 50 Bundesstaaten.
Ein Beispiel: Falls Donald Trump Florida mit 50,1 Prozent der Stimmen gewinnen sollte, bekäme er die Stimmen alle 29 Wahlleute, Kamala Harris ginge komplett leer aus.
Ja, die US-Bundesstaaten Maine und Nebraska stützen sich auf Kongressbezirke, um die Wahlstimmen annähernd proportional aufzuteilen. Der Gewinner der Mehrheit der Stimmen erhält jeweils zwei Wahlstimmen. Eine Stimme wird an den Gewinner pro Kongressbezirk vergeben.
Dieses Jahr gilt Pennsylvania als der Jackpot: Mit 19 Wahlleuten ist es einer der wichtigsten umkämpften Staaten. Harris und Trump liegen hier in den Umfragen Kopf-an-Kopf. Dahinter folgen die traditionellen "Battleground States" oder "Swing States", also jene Bundesstaaten, die mal für einen Republikaner und mal für einen Demokraten stimmen. Dazu gehören im ländlichen Mittleren Westen Michigan (15) und Wisconsin (10) sowie die "Sunshine States" Georgia (16), Arizona (11) und Nevada (6). Auch in North Carolina (16) zeichnet sich ein offenes Rennen ab.
US-Wahl Swing States Wo sich die Schlacht entscheidet
Ja, wegen des indirekten Wahlsystems ist es möglich, dass ein Kandidat zwar die meisten Direktstimmen gewinnt, die Wahl aber trotzdem verliert. Das war zum Beispiel 2016 der Fall. Damals stimmten mehr Amerikaner für Hillary Clinton, Trump konnte sich aber durch die von ihm gewonnenen Bundesstaaten die Mehrheit der Wahlleute sichern.
Ja, ein Unentschieden ist möglich, da es derzeit eine gerade Anzahl Wahlstimmen gibt. Wenn dies im Wahlkollegium geschieht, geht die Entscheidung an das neu eingesetzte Repräsentantenhaus, wobei jeder Bundesstaat als Einheit abstimmt. Wenn die Delegation eines US-Staates eine Stimmengleichheit aufweist, zählt diese nicht. Ein Präsidentschaftskandidat benötigt mindestens 26 Stimmen, um zu gewinnen.
So funktioniert die US-Wahl 10:55
Die Leute nennen sie "faithless electors" – treulose Wahlleute. Im Jahr 2016 haben sieben Electors – fünf Demokraten und zwei Republikaner – ihr Versprechen gebrochen und stimmten nicht für den Kandidaten ihrer Partei. Das änderte jedoch nichts am Ergebnis.
Ob Wahlleute in der Lage sein sollten, ihre Positionen zu ändern, wurde eine Pflicht lange heftig diskutiert. In 2020 entschied daraufhin der Oberste Gerichtshof, dass Bundesstaaten von den Electors verlangen können, dass sie ihr Versprechen einhalten müssen, einen bestimmten Kandidaten zu unterstützen.