Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, hat sich nach dem Anschlagsversuch in München tief besorgt über die gesamtgesellschaftliche Lage gezeigt. "Genauso wie Hitler damals nicht vom Himmel gefallen ist, kommen diese Terror-Aktionen nicht aus dem Nichts", sagte die 91 Jahre alte Holocaust-Überlebende der "Süddeutschen Zeitung" (Samstagsausgabe).
Der Schock gehe durch die ganze jüdische Gemeinde und für sie persönlich gehe die Sache noch tiefer, sagte Knobloch: "Es ärgert mich furchtbar, unter welchen Umständen wir heutzutage leben müssen. Nicht nur wir als jüdische Gemeinschaft, sondern als Gesellschaft insgesamt."
Am Donnerstag war in München auf das israelische Generalkonsulat und das NS-Dokumentationszentrum geschossen worden. Der Angreifer wurde von der Polizei erschossen. Die Ermittler identifizierten einen 18-jährigen Österreicher als Täter. Ein mögliches islamistisches oder antisemitisches Tatmotiv wird noch geprüft.
Der Vorfall in München habe erneut sichtbar gemacht, was jüdische Menschen seit dem Überfall der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas auf Israel vor fast einem Jahr umtreibe, sagte Knobloch der "Süddeutschen Zeitung". Viele Gemeindemitglieder sagten ihr inzwischen, sie hätten einen Fehler gemacht, als sie nach Deutschland kamen.
Insbesondere die Zuwanderer in der Gemeinde "dachten immer, dass sie im freien Deutschland geschützt sind", sagte Knobloch. "Jetzt sehen sie, dass es gefährlich anders sein kann." Das Sicherheitsgefühl der jüdischen Menschen insgesamt habe stark abgenommen.
Knobloch berichtete, dass sie nach dem Hamas-Überfall auf Israel am 7. Oktober vergangenen Jahres ihre Enkelin samt zwei Kindern nach München geholt habe, weil diese den Sirenenalarm bei Raketenangriffen in Israel nicht ausgehalten hätten. "Nach drei Wochen ist sie verstört zurückgeflogen nach Israel", berichtete Knobloch. "Zur Erklärung sagte sie mir, sie fühle sich in Israel besser geschützt als in Deutschland."
Vorangegangen war demnach ein Erlebnis der Familie in der Münchner U-Bahn. "Die Kinder waren ein bisschen lauter und haben Hebräisch gesprochen. Von den Fahrgästen gab es böse Blicke und sie fühlte sich bedroht, als die Leute aufgestanden sind." Am nächsten Tag sei die Tochter weg gewesen. "Ich muss sagen, ich war sehr, sehr unglücklich darüber", sagte Knobloch.