Eine Woche bezahlter Urlaub extra? Darauf verzichten viele Beschäftigte. Dabei ist der Anspruch auf Bildungsurlaub in den meisten Bundesländern Gesetz – und hilft auch der Gesundheit. So kann Bildungsurlaub beantragt werden
Jahr für Jahr eine Woche bezahlten Urlaub verfallen lassen – das würde nur den wenigsten Beschäftigten einfallen. Doch genau das tut die überwältigende Mehrheit der Angestellten beim Bildungsurlaub. Laut dem Deutschen Gewerkschaftsbund nehmen nur ein bis zwei Prozent der Beschäftigten ihr Recht auf bezahlte Auszeit für Weiterbildung in Anspruch. Dabei ist das in den meisten Bundesländern per Gesetz festgeschrieben.
Außer in Sachsen und Bayern genießen Arbeitnehmer einen gesetzlichen Anspruch auf Bildungsurlaub (auch Bildungsfreistellung oder Bildungszeit genannt). In der Regel sind es fünf Tage pro Jahr oder zehn Tage in zwei Jahren. Natürlich muss der Bildungsurlaub dann auch für die Weiterbildung genutzt werden, allerdings nicht zwingend acht Stunden am Tag. In Hamburg liegt das Minimum zum Beispiel bei täglich 4,5 Stunden für Sprachkurse.
Die gute Nachricht: Der Kurs muss nichts mit der eigentlichen Arbeit zu tun haben. Zwar gibt es unter dem Stichwort "Bildungsurlaub" eine Fülle von konkret berufsbezogenen Angeboten, zum Beispiel zu Buchhaltung, Konfliktbewältigung oder Softwareprogrammen. Doch in vielen Bundesländern darf die Auszeit auch für die Gesundheit, Qualifizierung für Ehrenämter sowie kulturelle oder politische Bildung genutzt werden. Deshalb stehen Themen wie jüdische Lokalgeschichte oder Stressbewältigung in freier Natur mit dem Hund auf dem Programm.
Entscheidend ist, dass der Kurs vom Bundesland des Wohn- oder Arbeitsortes als Bildungsurlaub zertifiziert wurde. Das heißt aber nicht, dass nur Kurse vor Ort erlaubt sind. So dürfen Interessenten auch Spanisch auf Mallorca oder Yoga in der Camargue lernen. "Einzige Ausnahme: NRW. Hier darf Bildungsurlaub nur 500 Kilometer von der Landesgrenze entfernt stattfinden", berichtet Lara Körber, Mitgründerin der Plattform www.Bildungsurlauber.de.
Dass nur so wenige Menschen das Angebot in Anspruch nehmen, wundert Körber nicht. "Leider gibt es keine gesetzliche Kommunikationspflicht auf Unternehmensseite – diese müssten aktiv über Bildungsurlaub aufklären, anstatt ihn zu verschweigen", kritisiert die Expertin. "Das würde die Hürde bei der Beantragung für viele Beschäftigte senken."
So aber wissen laut Körber viele Angestellte schlicht nicht, dass sie ein Recht auf Bildungsurlaub haben. Aber bei der geringen Akzeptanz sei auch Angst im Spiel. "Gerade, wenn das gewünschte Seminar danach klingt, als könnte das Lernen dort Spaß machen", stellt die Expertin fest. Auch bei Seminaren zur Burn-out-Prävention oder körperlichen Gesundheit würden sich viele Menschen noch scheuen, ihrem Vorgesetzten einen solchen Antrag vorzulegen.
Körber wirbt dafür, diese falsche Zurückhaltung abzulegen. "Jeder Bildungsurlaub wird von den Bundesländern inhaltlich geprüft, bevor das Seminar offiziell als Bildungsurlaub anerkannt wird – ein Mehrwert ist also immer gegeben, auch wenn das Seminar nach Spaß klingt", sagt sie und unterstreicht: "Lernen und Spaß am Lernen schließen einander nicht aus."
Dass Bildungsurlaub noch so wenig genutzt wird, zeigt laut Körber auch, dass Weiterbildung in vielen Unternehmen weiterhin vernachlässigt wird. In Zeiten von Fachkräftemangel, steigenden Krankentagen und "Quiet Quitting" sei Bildungsurlaub jedoch ein "360-Grad-Mitarbeiter-Benefit": "Denn durch die thematische Seminarvielfalt ist es möglich, dass Beschäftigte sich selbstverantwortlich um ihre aktuellen Bedürfnisse kümmern."
"Selbstverantwortlich" bedeutet auch, dass Beschäftigte die Kosten für den Kurs tragen. Grob gesagt reicht die Preisspanne von 50 Euro für ein Wochenseminar an der Volkshochschule bis zu über 2000 Euro für den Programmierkurs für Führungskräfte. Dass Arbeitgeber die Kosten tragen, kommt laut Körber immer mal wieder vor, ist jedoch die Ausnahme. Für Präventionsprogramme gibt es teils auch Zuschüsse von den Krankenkassen.
Die Arbeitsagentur empfiehlt, Anträge für Bildungsurlaub vier bis neun Wochen vorher einzureichen. In den Genuss kommen übrigens meist auch Auszubildende und Beamte. Angestellte müssen seit sechs Monaten im Betrieb sein (in Baden-Württemberg und im Saarland zwölf Monate, so Körber). Es gibt zudem unterschiedliche Regelungen, die Kleinstbetriebe ausnehmen.
Dass dem Chef das Thema des Seminars nicht gefällt, ist laut Körber kein Grund, den Bildungsurlaub abzulehnen. Anders sehe es aus, wenn eine wichtige Deadline anstehe oder Personalknappheit herrsche. Der Anspruch verfällt Körber zufolge aber nicht einfach, sondern wandert ins nächste Jahr. Dann wären also zwei Wochen bezahlter Bildungsurlaub möglich.
Allerdings sitzen Beschäftigte häufig am kürzeren Hebel, wenn der Chef mauert. "Denn wer möchte deswegen vors Arbeitsgericht?", sagt Körber. Sie empfiehlt daher: "Zusammen mit dem Arbeitgebenden den Zeitraum festlegen und transparent erklären, was man sich vom Seminarinhalt verspricht. Viele Beschäftigte geben auch nach dem Bildungsurlaub kleine Einblicke in das Erlernte – das baut Hürden ab."
Vielleicht kommt manch ein Vorgesetzter dadurch ja selbst auf die Idee, Bildungsurlaub zu machen. "Wann hat man schon mal im Alltag die Option, sich fünf Tage am Stück intensiv mit einem Thema zu beschäftigen?", wirbt Körber für das Programm.