Enttäuscht, aber auch kampfbereit - bei einer Betriebsversammlung haben viele Beschäftigte von VW Baunatal nach Gewerkschaftsangaben ihren Sorgen wegen des verschärften Sparkurses Luft gemacht.
Die Beschäftigten des VW-Werkes im nordhessischen Baunatal haben sich nach Angaben der IG Metall bei einer Betriebsversammlung wütend und enttäuscht über den verschärften Sparkurs des Konzerns gezeigt. Man bezweifle nicht die Herausforderungen, vor denen die Automobilindustrie stehe, sagte der 1. Bevollmächtigte der IG Metall Nordhessen, Oliver Dietzel, der Deutschen Presse-Agentur. Dass aber beim Aufziehen eines rauen Windes "sofort mit Werksschließungen gedroht wird", sei nicht nachvollziehbar.
Europas größter Autobauer hatte am Montag angekündigt, dass im Rahmen des Sparprogramms bei der Kernmarke VW Werkschließungen und betriebsbedingte Kündigungen nicht länger ausgeschlossen sind. Mit rund 15.500 Mitarbeitern ist Baunatal im Landkreis Kassel das weltgrößte Komponentenwerk des Volkswagen-Konzerns - es gilt als größter Arbeitgeber Nordhessens. In Baunatal werden weite Teile des elektrischen Antriebsstrangs hergestellt.
Aus Sicht des Betriebsrates ist das Werk in Kassel-Baunatal "sehr zukunftssicher" aufgestellt. "Wir haben den Weg der Transformation für unser Komponentenwerk so früh in Angriff genommen wie kaum ein anderer Wettbewerber", sagt ein Sprecher des Gesamtbetriebsrats auf Anfrage. Die Fabrik sei seit 2016 zum Kompetenzzentrum für die Elektro-Antriebe aufgebaut worden. Zuletzt habe Kassel den Zuschlag für das Kompetenzzentrum Großguss erhalten, dessen Arbeit zum Beispiel bei künftigen Batterierahmen gebraucht wird. Wichtigstes Produkt für Verbrennerantriebe ist das Doppelschaltgetriebe, das in E-Autos nicht mehr benötigt wird.
Der frühe Weg in Richtung Elektromobilität habe sich auch rückblickend als richtig erwiesen. "Denn die Antriebswende wird dafür sorgen, dass in unseren VW-Komponentenwerken über kurz oder lang 70 Prozent der früheren Wertschöpfung verschwinden, die mit dem Verbrenner-Antriebsstrang zusammenhängt", sagte der Sprecher. Hier werde deutlich, wie unerlässlich neue Geschäftsfelder sind, die die bisherigen ergänzen und je nach weiterem Hochlauf der E-Mobilität ersetzen können.
Auch Gewerkschafter Dietzel erklärte, er sehe das VW-Werk in Baunatal nicht auf der Kippe. Erst kürzlich seien dort mehr als 800 Beschäftigte als Leiharbeiter zugeführt worden. Es sei aber zu befürchten, dass ausbleibende Investitionen in den Standort mittel- und langfristig massiv Arbeitsplätze gefährden könnten. Der Unternehmensführung habe man zwar Gesprächsbereitschaft signalisiert, Voraussetzung sei aber, dass der Vorstand "zur Besinnung" komme. "Der Konflikt ist nicht von uns ausgegangen, aber wenn er uns aufgezwungen wird, nehmen wir ihn auch an", sagte der Gewerkschafter. In dem verschärften Sparkurs sieht er auch ein "Drohszenario" mit Blick auf die anstehende Tarifrunde in der Metall- und Elektroindustrie im Herbst.
An der Betriebsversammlung nahm auch Hessens Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori (SPD) teil. Auch er erklärte, das VW-Werk in Baunatal und seine dortigen Beschäftigten seien "ein Schlüssel für den Erfolg von VW in der Zukunft". Als er vor drei Wochen das Werk besucht habe, habe er sich von den Kompetenzen und Fertigkeiten überzeugen können. "Dort ist viel investiert worden, modernste Produktionstechnologien sind im Einsatz. Da wird Innovation betrieben", so der Minister, der zudem bekräftigte: "Wir stehen an der Seite der Beschäftigten in Baunatal. Was es jetzt braucht, sind Investitionen und Gespräche über eine Zukunftsidee, keine Drohgebärden."
Seit der Ankündigung des Unternehmens sei man in Gesprächen mit den Betriebsräten und der IG Metall. "Wir werden auch bilateral mit dem Vorstand sprechen", so Mansoori. Hierzu werde man sich auch mit den Landesregierungen der anderen VW-Standorte und den Beschäftigtenvertretern eng abstimmen.
Auf die in der Versammlung gestellte Frage, wie es nun weitergehe, sagte Carsten Büchling, Betriebsratsvorsitzender am Standort Kassel, einer Mitteilung zufolge: "Unter der Voraussetzung, dass die Bedrohung zurückgenommen wird, sind wir als Betriebsrat weiter gesprächsbereit. Falls dies nicht der Fall sein sollte, droht eine Eskalation im Tarifkonflikt und in der betrieblichen Zusammenarbeit."