Richard Gere verführte "Pretty Woman", bekannte sich zum Buddhismus und legte sich mit China an. Herzliche Geburtstagsgrüße an einen der schönsten und unergründlichsten Männer Hollywoods.
Das ist schon viele Jahre her, aber so eine Begegnung vergisst man nicht. So eine Begegnung mit einem Hollywood-Star, der sich nach einer Weile sehr sanft dicht vor einen setzt, einem die Hände auf die Schulter legt, einen mit seinen dunklen Augen lange anschaut, lächelt, und dann so ähnliche Sachen sagt wie "alles, was wir jetzt sind, ist das Resultat unserer Gedanken."
Dann schwieg Richard Gere einen langen Moment, als ob er die Wirkung seiner Worte beobachten wollte. Wie lange er da so saß, und wie lange die Hände auf den Schultern blieben, weiß man heute nicht mehr, wahrscheinlich nur kurz. Aber gefühlt war es eine Ewigkeit.
Gere sprach damals über seinen Film "Sommersby" (1993), eine epische Geschichte aus dem amerikanischen Bürgerkrieg, in der Geres Figur in die Identität eines anderen schlüpft, und die Frau des anderen ihn als ihren Mann akzeptiert. Wunderbarer Stoff für den Buddhisten Gere, "was wir sind, ist das Resultat unserer Gedanken", wie es Buddha sagt, und wie es Gere schon damals gefiel, dieses Denken, als sei das Leben ein fliegender Teppich.
Schon damals hatte er, dieser wirklich große Star, dieses Gesicht mit diesem Blick aus seinen kleinen, murmeldunklen Augen, das immer eine Spur unergründlich blieb. Man kann sich heute jeden seiner Filme nochmal ansehen, von "Ein Mann für gewisse Stunden" (1980) über "Pretty Woman" (1990), den wunderbaren Frauenarzt-Film „Dr.T and the Women“ (2000) oder Thriller wie „Der Schakal“ (1997), ganz egal, in seinem Gesicht entgleist nie etwas.
Es gibt kaum Momente, in denen Richard Gere auf der Leinwand schreit oder brüllt, weint oder irre wird. Zu den wenigen Ausnahmen gehören das frühe Road-Movie "Atemlos" von 1983, in dem er als hysterisch-hibbeliger Polizistenmörder Jesse auf der Flucht ist. Oder 2002 das Musical "Chicago" mit einem tanzenden und singenden Gere, was ihm, dem Musiker, wie er sagte, großen Spaß gemacht habe, was aber nicht in die Reihen seiner Rollen passte.
Diese Reihe von Rollen haben immer etwas gemeinsam: Richard Gere beruhigt jede Szene, sobald er vor die Kamera kam. Jeder Lärm verstummt, wenn er spricht, weil es immer wichtig ist, was seine Figur sagen wird. Weil er meistens mit seiner gerehaften, leisen Überlegtheit spricht, muss man immer genau zuhören. Er ist, auch wenn er wie in "Arbitrage" (2012) einen nervösen Pleitier spielte, immer das Gegenteil von nervös, einer, der in seiner Contenance zu wohnen scheint.
Im Schauspiel ist das eine große Kunst, denn hinter der immer so aufgeräumten und gekonnt charmanten Fassade ahnt der Zuschauer entweder abgrundtief Böses wie in "The Double" (2011), von Ehebruch Verletztes wie in "Untreu" (2002) oder, wie in "Pretty Woman", seufzend Romantisches. Die Zuschauer ahnen oder wissen es, sehen es aber nicht. Etwas kühn könnte man sagen, dass Richard Gere die Essenz, aus der Alfred Hitchcock Filme drehte, zur Figur gemacht hat.
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Richard Tiffany Gere, der nun 75 wird, und der einmal sagte, dass ihm das Älterwerden sehr gefalle, weil auch sein Vater, der mit 101 Jahren verstarb, im hohen Alter noch völlig auf der Höhe war, wurde 1949 in Philadelphia geboren und wuchs dann in Syracuse im Bundestaat New York auf. Nach einem zweijährigen Philosophiestudium, das er 1969 abbrach, ging er nach New York, weil ihn die Schauspielerei interessierte.
Nach kleinen Rollen am Broadway hatte er seinen ersten größeren Auftritt 1973 im Musical "Grease" in London. Es folgten kleinere Film-Nebenrollen und sogar ein Part in einer "Kojak"-Folge im Fernsehen. 1979 fiel er dann wieder in London auf, wo er in dem Theaterstück "Bent" einen homosexuellen Holocaust-Überlebenden spielte, was unter Hollywood- Schauspielern damals noch ein Image-Risiko war.
Das interessierte den jungen Richard Gere aber nicht, er war noch ein Suchender und spielte mit seinem Image und seinen Rollen. Berühmt wurde er zwischenzeitlich auch als eine Art Posterboy, nachdem er sich von seinem Freund Herb Ritts im Unterhemd an einer Tankstelle hatte fotografieren lassen. Noch berühmter wurde er dann 1980 in seiner ersten Hauptrolle als Luxus-Callboy Julian in "Ein Mann für gewisse Stunden" an der Seite von Lauren Hutton. Der Skandal um den Film perlte an ihm aber einfach ab, weil er schon damals anfing, sich mit seiner Unergründlichkeit zu schützen. Und mit seinem Glauben.
Sein buddhistischer Glauben wurde das Fundament seines Denkens, und Gere würde sagen, seiner Existenz. Begonnen hatte das schon 1978 nach einer Reise durch Tibet und seiner ersten Berührung mit fernöstlicher Spiritualität. Seit den frühen 90er Jahren bekannte sich Gere dann zum Buddhismus, nicht nur religiös, sondern auch politisch. Er wurde, wie er sagte, zu einem Schüler des Dalai Lama und zu einem lauten und aktiven Kritiker der chinesischen Unterdrückung Tibets.
Als Gere bei der Oscar-Verleihung 1993 China vor aller Welt scharf kritisierte, verhängte Peking ein Einreiseverbot gegen ihn, das bis heute gilt. In einem Interview erzählte Gere kürzlich, dass der zunehmende finanzielle Einfluss Chinas in Hollywood auch dazu führte, dass er nicht mehr in vielen großen Produktionen besetzt wird, weil chinesische Finanziers das nicht wollen.
"Es gibt definitiv Filme, in denen ich nicht mitspiele", sagte er dem Branchenblatt Hollywood Reporter, "weil China sagt: nicht mit dem". Doch da kommt wieder seine spirituelle Gelassenheit zum Tragen. Der Buddhismus, muss man wissen, ist eine Religion ohne Gott. Probleme, Schicksale, und was den Mensch sonst so umtreibt, werden nicht an eine höhere Macht ausgelagert, die dann angebetet wird, sondern der Buddhist kreiselt in Meditationen in sich selbst und sucht dort aktiv nach Lösungen. Das macht einen gedanklich so autonom wie es Richard Gere heute ist. „Ich war in den vergangenen Jahren erfolgreich genug, dass ich mir heute erlauben kann, in kleineren Filmen zu spielen“, sagt er.
Einer diese Filme, "Oh, Canada" ist gar nicht so klein, sondern lief im Wettbewerb bei den diesjährigen Filmfestspielen in Cannes. Es ist die Geschichte eines Amerikaners, der sich Anfang der 70er Jahre in Kanada versteckte, um nicht nach Vietnam eingezogen zu werden und sich nun, schwer an Krebs erkrankt, erinnert. Richard Gere spielt die Hauptrolle, Regisseur und Co-Autor ist Paul Schrader. Jener Paul Schrader, der den jungen Gere vor 44 Jahren als Mann für gewisse Stunden entdeckt hatte.