Warum scheiterte die rechtzeitige Abschiebung des Tatverdächtigen von Solingen? In einer Sondersitzung im Düsseldorfer Landtag rechtfertigt sich NRW-Flüchtlingsministerin Paul.
Nordrhein-Westfalens Flüchtlingsministerin Josefine Paul (Grüne) hat für die gescheiterte rechtzeitige Abschiebung des Tatverdächtigen von Solingen Defizite der EU-Vorschriften mitverantwortlich gemacht. Die mangelnde Bereitschaft einzelner EU-Staaten zur Rücknahme sowie restriktive und komplizierte Überstellungsmodalitäten führten dazu, dass Überstellungen aus Deutschland in andere EU-Staaten mangelhaft liefen. Das sagte Paul in einer gemeinsamen Sondersitzung der Ausschüsse für Inneres und Integration im Düsseldorfer Landtag.
Bundesweit gelängen nur 10 bis 15 Prozent der sogenannten Dublin-Überstellungen. Bundes-, Landes- und kommunale Behörden hätten täglich mit ähnlich gelagerten Fällen zu tun. "Die Verfahrensabläufe müssen auf den Prüfstand."
Vor dem mutmaßlich islamistischen Anschlag von Solingen hätten den Behörden keine sicherheitsrelevanten Informationen zu dem Mann vorgelegen, so die Grünen-Politikerin. Im Fall des mutmaßlichen Solinger Messerangreifers handele es sich um eine "Fallkonstellation, bei der viele ungünstige Zufälle möglicherweise zusammengekommen sein könnten", so Paul.
Zu wenig Flüge
Bei dem Anschlag hatte ein Mann am vergangenen Freitagabend auf einem Stadtfest in Solingen drei Menschen mit einem Messer getötet und acht weitere verletzt. Mutmaßlicher Täter ist der 26-jährige Syrer Issa Al H., der in Untersuchungshaft sitzt. Er war Ende 2022 über Bulgarien nach Deutschland gekommen und hätte nach den sogenannten Dublin-Asylregeln eigentlich nach Bulgarien zurückgebracht werden müssen.
Dies geschah jedoch nicht, weil der Mann am vorgesehenen Tag im Juni 2023 nicht angetroffen wurde. Ein neuer Flug nach Bulgarien hätte nach Angaben Pauls wegen der begrenzten Plätze erst nach Ablauf der sechsmonatigen Frist gebucht werden können, die für eine Überstellung gilt.
Paul sprach auch von Versäumnissen der Landesbehörden und kündigte neue Auflagen für zentrale Landeseinrichtungen sowie die Zentrale Ausländerbehörden in Bezug auf abschiebepflichtige Personen an. Dass Rücküberstellungen scheiterten, ist laut ihrer Darstellung bislang eher Regel als Ausnahme.
Die SPD warf Ministerin Paul vor, ihrer Verantwortung nicht gerecht zu werden und "tagelang öffentlich untergetaucht" zu sein. Paul spreche von "dysfunktionalen Verfahren". Dabei habe sie sich "schlichtweg zu wenig gekümmert", so die SPD-Abgeordnete Lisa Kapteinat. "Dabei sind Sie doch der Kopf des Systems."