Nach dem Anschlag im nordrhein-westfälischen Solingen mit drei Toten fehlt von dem Täter weiter jede Spur. Ermittler können nach Angaben vom Samstag eine "terroristisch motivierte Tat" bislang nicht ausschließen. Ein am Samstag festgenommener 15-Jähriger habe möglicherweise kurz vor der Tat mit dem möglichen Täter in Verbindung gestanden. Die Gewalttat sorgte bundesweit für Entsetzen.
Ein bislang unbekannter Täter hatte am Freitagabend auf einem Stadtfest in Solingen auf mehrere Menschen mit einem Messer eingestochen. Die Polizei geht von einem männlichen Täter aus. Es soll sich um einen "sehr gezielten Angriff auf den Hals" der Opfer gehandelt haben, sagte Polizeiführer Thorsten Fleiß.
Drei Menschen wurden getötet - ein 67-Jähriger, ein 56-Jähriger und eine 56-Jährige. Vier Opfer wurden zudem lebensgefährlich, sowie zwei weitere schwer und zwei leicht verletzt. Nach der Tat wurden laut Polizei Messer beschlagnahmt, die nun einzeln untersucht werden. Ein Tatzusammenhang war noch unklar. Nähere Angaben zu dem Unbekannten machten die Ermittler bislang nicht. Die Polizei rief die Bevölkerung weiter zur Vorsicht auf.
Am Samstagmorgen wurde ein 15-Jähriger festgenommen, der mit dem möglichen Täter in Verbindung gestanden haben könnte. Eine bislang Unbekannter soll laut Zeugenaussagen "kurz vor der Tat" mit dem Jugendlichen gesprochen haben, sagte Oberstaatsanwalt Markus Caspers. Die dort geäußerten Absichten würden zu dem späteren Messerangriff passen. Ein Zusammenhang sei aber noch unklar und werde geprüft. Momentan werde ihm "lediglich die Nichtanzeige geplanter Straftaten zur Last gelegt".
Ermittelt wird laut Polizei weiter "in alle Richtungen". Dazu gab es auch mehrere Durchsuchungen "im gesamten Land Nordrhein-Westfalen". Die Ermittlungen liefen wegen dreifachen Mordes und achtfachen versuchten Mordes.
Der Anfangsverdacht eines terroristischen Hintergrundes ergibt sich laut Staatsanwaltschaft daraus, dass "kein anderes Motiv ersichtlich" sei. Die Opfer hätten "in keiner Beziehung zueinander gestanden". Die Behörden gehen von einem Einzeltäter aus. Die Polizeipräsenz sei erhöht worden, hieß es.
Die Polizei bat die Bevölkerung um Mithilfe. Auf ihrem Hinweisportal (nrw.hinweisportal.de) könnten Hinweise zur Tat oder dem Täter abgegeben und Bild- oder Videomaterial hochgeladen werden.
Derweil wurden in nordrhein-westfälischen Städten mehrere geplante Feste teils mit Verweis auf die unklare Sicherheitslage abgesagt. Betroffen waren ein Kulturfest in Hilden, ein Weinfest in Haan sowie ein für Sonntag geplanter Blaulichttag in Wülfrath. Bereits am Freitagabend hatte Solingen die für drei Tage angesetzte 650-Jahr-Feier komplett abgebrochen.
Die Tat löste bundesweit Entsetzen aus. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bezeichnete den Anschlag als "schreckliches Ereignis". Er sei "sehr bestürzt", schrieb Scholz im Online-Dienst X. Der Täter müsse "rasch gefasst und mit der vollen Härte des Gesetzes bestraft werden." Scholz schrieb weiter: "Wir trauern um die Opfer und stehen an der Seite der Angehörigen."
Angesichts der Unklarheiten hinsichtlich Täter und möglichem Tatmotiv warnte die Gewerkschaft der Polizei (GdP) vor der Verbreitung von Gerüchten. "Wir müssen erst alles aufklären und den Täter stellen, um dann zu dessen Motivation Rückschlüsse zu ziehen", sagte der nordrhein-westfälische GdP-Chef Michael Mertens der "Rheinischen Post".
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) reiste am Nachmittag nach Solingen, um sich ein Bild der Lage zu machen. Der Anschlag während der Jubiläumsfeier der Stadt sei "aufs Tiefste zu verurteilen und widerwärtig", sagte Faeser vor Journalisten. Sie rief zugleich zum Zusammenhalt der Gesellschaft auf: "Wir lassen uns in solchen Zeiten nicht spalten, sondern stehen zusammen".
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) verurteilte die Tat in Solingen als "Akt des Terrors". "Dieser Anschlag hat unser Land ins Herz getroffen", sagte er in Solingen. Die Tat sei gegen die "Freiheit unseres Landes" und "unsere Art zu leben" gerichtet. "Aber ich sage es in aller Klarheit: Unser Land wankt nicht", sagte Wüst weiter. "Wir werden uns nicht erschüttern lassen von Terror und Hass, wir werden unsere Art zu leben verteidigen."