Ein Gastronom möchte seinen Gästen intensive Parfums verbieten – weil sie damit zu sehr von seinem Essen ablenken. Ein Duft-Dresscode? Elitärer Blödsinn, findet unsere Autorin.
Dem Berliner Gastronomen The Duc Ngo stinkt’s. Mit überkreuzten Armen und strengem Gesicht ist er auf einem Instagram-Post zu sehen, dazu die Worte: "zu starke parfums sind in meinem sushi/seafood restaurant unerwünscht! Ich bitte um verständnis für unsere köche und die anderen gäste". Die Debatte um "No-Fragrance!" ist eröffnet, sein Post hat über 20.000 Likes.
Die Hürden, ein Gericht zu sich zu nehmen, das aussieht, wie im Labor ertüftelt, sind groß: monatelanges Warten auf einen Tisch, eventuell genauso langes Sparen, Kleiderschrank aufrüsten. Seinen Gästen nun auch vorzuschreiben, wie intensiv sie duften dürfen, weil nicht sie, sondern die (Koch-)Kunst im Vordergrund stehen soll, ist elitärer Blödsinn, das sind vier Sterne in Sachen Spießigkeit.
The Duc Ngo besitzt ein Gastro-Imperium, zu dem zahlreiche gar nicht mal so edle Ramen-Bars gehören, aber auch das gehobene Hotel-Restaurant "Golden Phoenix" ("Paris meets Shanghai"). Mit seinem Post traf er einen Nerv, wie man an den Kommentaren sehen kann:
"Endlich macht mal jemand aus der Branche eine Ansage! Beduftung hat auch etwas mit Anstand zu tun!"
"Uns wurde schon mancher Abend vermiest durch Parfümfahnen vom Nachbartisch."
"Und jetzt noch bitte die Raucher erst vor der Tür ‚lüften‘, bevor sie wieder reinkommen, dann sind wir noch einen Schritt weiter."
Auch ein Feingeist wie Mario Barth fühlt sich durch starke Düfte beim Dinieren gestört, kommentierte unter The Duc Ngos Post mit: "Yeeeeeeees". Ebenso reckte Ilka Bessin (ehemals "Cindy aus Marzahn") digitale Daumen nach oben.
"Leben und leben lassen", das ist deutlich schwerer geworden, seitdem es das Internet gibt. Oder würde man im Reallife in einem Museum an Leute heranschleichen, um ihnen zuzuraunen: "Würden Sie bitte den Impressionismus verlassen, ihr Blumenkleid lenkt mich zu sehr von der Kunst ab?"
Wer hunderte Euros und mehr für ein Essen auszugeben bereit ist, ist Herr oder Herrin am Anfang der Gabel, nicht an deren Ende. Und wer es beim Fine Dining mit Moschus und Patschuli auf der Haut krachen lassen will, der soll das tun. Das hat nichts mit fehlender Rücksichtnahme zu tun, sondern mit freier Entfaltung und individuellem Stil. Wieso sollten ätherische Citrus-Typen im Allover-Beige-Look eine größere Berechtigung haben als Amber-Apostel im Glitzerfummel? Ist nicht die Schwere eines Parfums ebenso Geschmacksache wie Chicorée mit Bitterschokoladenglasur?
In Japan soll es bereits ein Drei-Sterne-Restaurant mit Parfum-Verbot geben. Wie das wohl in der Praxis aussieht? Schnüffel-Kontrolle am Eingang? Ausdünstungs-Melder über den Tischen – bei Alarm Verbannung in die Besenkammer?
Dass Fremdgerüche sensible Gourmet-Zungen beim Abtasten feinster Aromen stören können, mag stimmen. Tja, sorry! Denn es gibt nun einmal Dinge, die man akzeptieren muss, wenn man das traute Heim verlässt. Wo man ein Mensch unter Menschen ist, die eben lärmen, nerven, stinken und fragwürdige Fummel tragen. Im Bus genauso wie im Edellokal.
Dass sich Mario Barth nun gerade in Sachen Parfum zurückhält, ist übrigens schwer vorstellbar. Bestimmt sitzt er da, hält das Menü bedächtig in den Händen, und ist vollständig umschlossen von einer Bruno-Banani-Wolke, weil ihm das Motto so gut gefällt: "Not for Everybody".