Rund zwei Wochen nach einer knapp gescheiterten Abstimmung zur Liberalisierung des Abtreibungsrechts in Polen haben am Dienstag Tausende Menschen gegen die Entscheidung protestiert. Vor dem Parlament in Warschau versammelten sich rund tausend Demonstranten. Polnische Frauenrechtsgruppen hatten zu den landesweiten Protesten aufgerufen, nachdem ein erstes Gesetzesvorhaben zur Lockerung des besonders restriktiven Abtreibungsregeln in Polen Mitte Juli keine Mehrheit im Parlament bekam. Dabei hatte die Regierung von Ministerpräsident Donald Tusk dies zum Wahlversprechen gemacht.
Sie sei sehr verärgert, sagte die in Warschau demonstrierende Medizinstudentin Maria Kozlowska. "Die Regierungskoalition hat dank der Frauen gewonnen und jetzt lassen sie uns wieder im Stich", fügte sie hinzu. Die 26-jährige Demonstrantin Aleksandra Socha sagte der Nachrichtenagentur AFP, sie habe Angst davor, schwanger zu werden.
Weitere Protestierende vor dem Parlament in Warschau forderten inmitten sengender Hitze "freie und legale Abtreibungen". Einige wenige Gegendemonstranten, die von der Polizei von der Demonstration getrennt wurden, beschimpften die Teilnehmenden als "Mörder".
Das katholisch geprägte Polen hat aktuell eines der restriktivsten Abtreibungsrechte in Europa. Der Abbruch einer Schwangerschaft ist nur möglich, wenn diese aus einer Vergewaltigung oder Inzest hervorging oder wenn das Leben und die Gesundheit der Frau gefährdet sind. Wer dabei hilft, eine Abtreibung durchzuführen, kann mit bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft werden.
Der gescheiterte Gesetzentwurf war der erste von insgesamt vier Gesetzentwürfen zur Liberalisierung des Abtreibungsrechts in Polen. Er hätte unter anderem Aktivisten entlastet, die abtreibungswillige Frauen mit Pillen aus anderen Ländern versorgen.
215 Abgeordnete hatten sich für die Liberalisierung ausgesprochen, 218 dagegen. Unter den Gegnern waren auch einige Abgeordnete der Bauernpartei PSL, die der Regierungskoalition angehört. Tusk hatte daraufhin einen stellvertretenden Minister entlassen, der mit Nein gestimmt hatte.
Der Regierungschef kündigte an, sich weiter für die Liberalisierung einzusetzen. "Ich kann mit reinem Gewissen behaupten, dass ich alles in meiner Macht Stehende tue, um dieser Hölle für Frauen ein Ende zu bereiten", sagte er.