US-Präsident Joe Biden überlegt nach Informationen der "New York Times", ob er weiter am Rennen um das Weiße Haus teilnehmen soll. Doch wer könnte seinen Platz einnehmen, sollte er tatsächlich aussteigen? In den Umfragen kristallisiert sich ein Name heraus.
Nach seinem kläglichen Auftritt beim Fernsehduell gegen Donald Trump wächst der Druck auf Joe Biden. Erste Parteikollegen stellen die Bewerbung des 81 Jahre alten US-Präsidenten für eine zweite Amtszeit mittlerweile öffentlich infrage. Und auch das Wahlvolk glaubt jüngsten Umfragen zufolge, dass die Demokraten eine bessere Chance haben, Trump am 5. November zu schlagen, wenn Biden nicht ihr Kandidat ist.
Beim Präsidenten zeigt der Druck offenbar bereits Wirkung. Nach einem Bericht der "New York Times" hat Biden einem wichtigen Verbündeten mitgeteilt, dass er weiß, dass seine Kandidatur möglicherweise nicht mehr zu retten ist, wenn er die Öffentlichkeit in den kommenden Tagen nicht davon überzeugen kann, dass er fit genug für den Job ist. Zwar dementiert das Weiße Haus diese Behauptung als "absolut falsch", dennoch stellt sich die Frage: Wer sollte bei einem Rückzug Bidens dessen Platz im Kampf um die Präsidentschaft einnehmen?
Auch hierauf haben die Umfragen eine mögliche Antwort: Laut einer Erhebung des US-Senders CNN würden 45 Prozent der registrierten Wählerinnen und Wähler für Bidens Vizepräsidentin Kamala Harris stimmen, sollte sie gegen Trump antreten. Damit liegt sie in Schlagdistanz zu dem Republikaner, dem 47 Prozent ihre Stimme geben würden.STERN PAID 28_24 Biden Titel 6.05
Bei einer Kandidatur von Trump und Biden führt der Herausforderer dagegen sogar mit sechs Prozentpunkten (49 zu 43 Prozent). Dieser Abstand ist identisch mit den Ergebnissen einer nationalen CNN-Umfrage zum Präsidentschaftsrennen im April und steht in Einklang mit den Zahlen, die der Sender seit vergangenem Herbst ermittelt hat.
Das im Vergleich zu Biden bessere Abschneiden von Harris gegenüber Trump überrascht, galt sie doch bislang eher als notorisch unpopulär. Es beruht laut CNN zumindest teilweise auf der breiteren Unterstützung durch Frauen und unabhängige Wählerinnen und Wähler. Demnach ziehen 50 Prozent der weiblichen Wähler die Demokratin dem Republikaner vor, während es bei Biden nur 44 Prozent sind. Noch größer ist der Abstand bei den Unabhängigen, mit 43 Prozent für Harris und 34 Prozent für Biden.Infobox US-Wahl-NL
Auch im Vergleich mit anderen Politikerinnen und Politikern, die derzeit immer wieder als möglicher Biden-Ersatz genannt werden, hat Harris die Nase vorn – wobei diese ebenfalls besser abschneiden als der Präsident. Kaliforniens populärer Gouverneur Gavin Newsom liegt in der CNN-Umfrage ebenso wie die Gouverneurin von Michigan, Gretchen Whitmer, fünf Prozentpunkte hinter Trump, Verkehrsminister Pete Buttigieg sogar nur vier Prozentpunkte.
Ein ähnliches Bild zeichnet eine Umfrage von Yougov im Auftrag von "Yahoo News": Dort liegt Harris in einem hypothetischen Zweier-Rennen gegen Trump bei den eingetragenen Wählern ebenfalls mit 45 zu 47 Prozent nur knapp hinter dem Ex-Präsidenten. Der Abstand der Vizepräsidentin zu Trump ist bei Yougov genauso groß wie der von Biden (43 zu 45 Prozent), allerdings ist ihr Zustimmungswert etwas höher. Als Grund nennen die Meinungsforscher ebenfalls, dass Harris bei den Unabhängigen besser abschneidet als ihr Chef und außerdem bei den Wählern zwischen 30 und 44 Jahren beliebter ist.FS Bidens mögliche Nachfolger 11.25
In einer Umfrage der Nachrichtenagentur Reuters in Zusammenarbeit mit Ipsos liegt Harris mit 42 zu 43 Prozent sogar nur einen Prozentpunkt hinter Trump. Zwischen Biden und seinem Herausforderer besteht in der Erhebung ein Patt (beide 40 Prozent). Und die von den Demokraten diskutierten Alternativen zum Präsidenten schneiden allesamt schlechter ab.
Bei all der Unruhe, die Bidens Debatten-Debakel in der Demokratischen Partei ausgelöst hat, zeigen die Umfragen aber auch: Der US-Präsident hat trotz aller Kritik im direkten Vergleich mit Trump kaum in der Wählergunst verloren. Oder anders gesagt: Den Republikanern ist es nicht gelungen, aus Bidens desaströsem Auftritt Kapital zu schlagen.
Harris selbst stärkt Biden unterdessen weiterhin den Rücken. Sie sei stolz darauf, erneut seine Kandidatin für den Vizeposten zu sein, versicherte die 59-Jährige. "Joe Biden ist unser Kandidat", sagte sie im Sender CBS News. "Wir haben Trump einmal geschlagen und wir werden ihn wieder schlagen."
Dass auch der Rest der Partei diesen Optimismus teilt, kann man derzeit nicht sagen. So haben die Gouverneure demokratisch regierter Bundesstaaten US-Medien zufolge am Montag in einer Telefonkonferenz ihre Ängste und Sorgen in Hinblick auf Bidens Kandidatur ausgetauscht. Bei einem Treffen mit dem Präsidenten am Mittwochabend, das wohl sowohl persönlich als auch virtuell stattfinden soll, wollen sie sich direkt mit ihm aussprechen. "Momentan ist Joe Biden unser Kandidat und ich unterstütze ihn zu 100 Prozent, es sei denn, er trifft eine andere Entscheidung", bekräftigte der Gouverneur von Illinois, J.B. Pritzker, vorab. "Wir werden besprechen, was der beste Weg nach vorne ist."
Ein Weg nach vorne wäre, eine Kandidatin gegen Trump ins Rennen zu schicken, die seit Jahren immer wieder als mögliche US-Präsidentin gehandelt wird: Michelle Obama. Laut Ipsos würde die ehemalige First Lady den 78-Jährigen mit 50 zu 39 Prozent haushoch schlagen. Einziger Haken: Die Ehefrau von Ex-Präsident Barack Obama hat mehrfach deutlich gemacht, dass sie keinerlei Ambitionen auf ein politisches Amt hat.
Quellen: Fivethirtyeight, CNN, "Yahoo News", Reuters, Ipsos, "Politico", "New York Times"