Der Wahlerfolg der französischen Rechtspopulisten hat für Beunruhigung in der deutschen Politik gesorgt. Es könne "niemanden kalt lassen", wenn in Deutschland oder "bei unserem allerengsten Partner und besten Freund eine Partei weit vorne liegt, die in Europa das Problem und nicht die Lösung sieht", sagte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) am Montag in Berlin. Die Bundesregierung wollte das Ergebnis nicht offiziell kommentieren - äußerte aber die Hoffnung auf eine weitere enge Zusammenarbeit.
"Wir arbeiten eng und vertrauensvoll mit Frankreich, unserem wichtigsten Partner in Europa, zusammen", sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit. "Und so soll es nach unseren Vorstellungen auch bleiben." Weiter wollte Hebestreit das Wahlergebnis mit Verweis auf den noch ausstehenden zweiten Wahlgang am kommenden Sonntag nicht kommentieren. Baerbock sagte, Deutschland und Frankreich trügen "eine besondere Verantwortung für unser gemeinsames Europa".
Vertreterinnen und Vertreter von Parteien und Fraktionen äußerten ihre Besorgnis offener. "Die Rechtsradikalen haben ein Drittel der Stimmen bekommen", sagte der Grünen-Europapolitiker Anton Hofreiter der Nachrichtenagentur AFP. "Das ist erschreckend, aber keine Mehrheit." Er hätte ein noch schlimmeres Ergebnis befürchtet.
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann sagte, die Neuordnung der Politik in Paris werde der Verhältnis zu Deutschland "fundamental verändern" und "sehr stark belasten". SPD-Chefin Saskia Esken deutete das Ergebnis als Teil eines "Rechtsrucks in Europa", der eine Gefahr für Zusammenhalt und Wohlstand darstelle.
Parteiübergreifend war in Berlin von einer verhängnisvollen Fehlkalkulation des französischen Präsidenten Emmanuel Macron die Rede, der die Neuwahl vor drei Wochen nach der Schlappe seines Lagers bei der Europawahl angesetzt hatte.
"Ich glaube, dass das Verhalten des französischen Präsidenten unklug war", sagte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai. Grünen-Chefin Ricarda Lang sagte Politico, Macron habe "jetzt wahrscheinlich eher zu einer Stärkung der Rechtsextremen beigetragen". Sie erinnerte die Ampel-Parteien daran, dass sie "eine große Verantwortung in einer Zeit tragen, in der viele europäische Länder instabiler werden."
Macron habe sich mit der Ausrufung vorgezogener Neuwahlen "definitiv verzockt", sagte der SPD-Außenpolitiker Nils Schmid dem "Tagesspiegel". "Es war eine Niederlage mit Ansage und es ist bis heute unerklärlich, warum er das Parlament vorzeitig aufgelöst hat". Macron habe "damit die Türen der Macht für die Rechtsextremen weit aufgemacht".
Als Konsequenz aus einem Regierungswechsel in Paris könnte auf Deutschland eine größere Verantwortung in Europa zukommen, sagte der Grünen-Abgeordnete Hofreiter zu AFP. Er werde schon jetzt bei Reisen in Europa "ganz stark nach deutscher Verantwortung gefragt", sagte der Vorsitzende des Europa-Ausschusses im Bundestag. "Und das kann sich noch mal verstärken."
Der SPD-Außenpolitiker Michael Roth sieht eine Mitverantwortung der Bundesregierung für das starke Abschneiden der Rechtspopulisten am Sonntag. "Wir haben uns zu wenig gefragt, wie wir den pro-europäischen, liberalen Präsidenten Macron besser unterstützen können", sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses gegenüber "Politico". "Wir nehmen zu wenig Rücksicht auf politische Debatten und Probleme in anderen Ländern."
Die Alternative zu Macron sei "eben kein Sarkozy mehr, sondern eine stramme Rechtsnationalistin wie Marine Le Pen." Sollte sie die Macht übernehmen, hätte das auch dramatische Folgen für Deutschland, warnte Roth. "Frankreich ist das Herz des vereinten Europas. Wenn dieses Herz nicht mehr kraftvoll schlägt, droht der EU ein Infarkt."
Die rechtspopulistische Partei Rassemblement National (RN) war in der ersten Runde der Parlamentswahl in Frankreich am Sonntag auf gut 33 Prozent gekommen. Das links-grüne Wahlbündnis Neue Volksfront kam nach Hochrechnungen auf etwa 28 Prozent. Das Regierungslager von Präsident Emmanuel Macron lag mit knapp 21 Prozent abgeschlagen auf Platz drei.