Erstmals stellt ein Gericht in Deutschland fest: Die libanesische Hisbollah ist eine terroristische Vereinigung. Es spricht zwei Angeklagte in Hamburg wegen Mitgliedschaft schuldig.
Erstmals hat ein deutsches Gericht zwei Funktionäre der libanesischen Hisbollah wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verurteilt. In dem Verfahren seien zwei Fragen zu klären gewesen, sagte die Vorsitzende des Staatsschutzsenats am Hanseatischen Oberlandesgericht in Hamburg, Petra Wende-Spors: Ob die Hisbollah im strafrechtlichen Sinne eine terroristische Vereinigung im Ausland sei und ob die beiden Angeklagten Mitglieder dieser Vereinigung waren. "Beide Fragen sind glasklar mit Ja zu beantworten", stellte die Richterin am Freitag fest.
Ein 50 Jahre alter Libanese wurde zu fünfeinhalb Jahre Haft verurteilt, der zweite Angeklagte, ein 56 Jahre alter Deutsch-Libanese, zu drei Jahren. Damit entsprach das Gericht der Forderung der Bundesanwaltschaft. Die Verteidiger hatten Freispruch gefordert. Gegen das Urteil kann Revision eingelegt werden.
Angeklagte bei verbotenem Verein in Bremen tätig
Die beiden Angeklagten waren am 10. Mai vergangenen Jahres in den niedersächsischen Landkreisen Aurich und Cuxhaven festgenommen worden. Der 50-Jährige betreute nach Überzeugung des Gerichts vor allem in Norddeutschland libanesische Vereine und gehörte der Hisbollah seit 2002 an. Über mehrere Jahre trat er regelmäßig als Prediger und "Reisescheich" auf, so bei der 2022 verbotenen Al-Mustafa-Gemeinschaft in Bremen.
Der 56-Jährige war nach Überzeugung des Gerichts ebenfalls als Auslandsfunktionär der Hisbollah tätig. Er sei 2004 der Vereinigung beigetreten. Ab 2009 war er als Mitglied und ab 2012 Vorsitzender in der Al-Mustafa-Gemeinschaft aktiv. Beide Angeklagte hätten enge Beziehungen zum Islamischen Zentrum Hamburg (IZH) unterhalten, das laut Verfassungsschutz vom Iran gesteuert wird.
Anschläge auf Israel, US-Soldaten und jüdische Gemeinschaft
Für die schiitisch-islamistische Hisbollah ("Partei Gottes") gilt seit April 2020 ein Betätigungsverbot in Deutschland. Die 1982 gegründete Vereinigung strebe die Vernichtung Israels an und verübe Terroranschläge auch auf Zivilisten, erklärte Wende-Spors. Sie habe 1983 das israelische Hauptquartier im Südlibanon und das Hauptquartier der US-Marines am Flughafen von Beirut angegriffen. 1992 habe die Hisbollah einen Anschlag auf die israelische Botschaft in Buenos Aires und 1994 einen auf die jüdische Gemeinschaft in der argentinischen Hauptstadt verübt. Es habe jeweils eine große Anzahl von Toten und Verletzten gegeben. Die seit 1992 im libanesischen Parlament vertretene Organisation strebe einen konstitutionellen Gottesstaat unter der Herrschaft islamischer Rechtsgelehrter an.
Kinder und Jugendliche ideologisch geschult
Die Hisbollah betreibe ein weltweites Unterstützernetzwerk. Die beiden Angeklagten seien Bindeglieder zur Hisbollah-Führung gewesen. Sie hätten das dschihadistisch-terroristische Treiben der Organisation gefördert, sagte Wende-Spors. Der 56-Jährige habe jahrelang Kinder und Jugendliche ideologisch geschult, um ihre spätere Rekrutierung als Kämpfer vorzubereiten. Dafür habe er 2018 in Bremen eine Pfadfindergruppe gegründet, deren Mitglieder praktisch die gleiche Uniform trugen wie die Hisbollah-Pfadfinder im Libanon. Der 50-Jährige habe 2014 in einem Freizeitlager in Belgien Jugendliche indoktriniert und paramilitärisch ausgebildet. Beide Angeklagte seien im syrischen Bürgerkriegsgebiet gewesen und hätten sich in Uniform und schwer bewaffnet fotografieren lassen. Eine aktive Teilnahme an Kampfhandlungen sei jedoch nicht nachzuweisen gewesen.
Erdrückende Beweislast
Die Angeklagten seien der Auslandsabteilung der Hisbollah rechenschaftspflichtig gewesen, sagte Wende-Spors. Überaus detaillierte Tätigkeitsberichte und andere Unterlagen wie Lebensläufe mit dem Logo der Hisbollah und Redemanuskripte seien auf sichergestellten Handys und USB-Sticks gefunden worden. Die Dokumente fügten sich wie ein Puzzle zusammen, die Beweislast sei erdrückend. Die Erklärungen der Angeklagten, die lediglich eine Nähe zur schiitischen Amal, einer mit der Hisbollah konkurrierenden Organisation, einräumten, bezeichnete die Richterin als Schutzbehauptungen. "Sie haben offenbar versucht, dem Senat eine Geschichte aus 1001 Nacht zu erzählen."
Mitteilung zur Festnahme v. 10.5.23 Bundesinnenministerium zur Hisbollah Mitteilung des Bremer Innensenators zum Verbot der Al-Mustafa-Gemeinschaft Mitteilung zur Anklageerhebung