Caitlin Clark bricht Rekorde – auf dem Platz, beim Einkommen und den Zuschauerzahlen. Doch der Star des Frauen-Basketball ist extrem umstritten, auch unter den Kolleginnen.
Stellen Sie sich vor, eine einzelne Fußballerin sorgt auf einmal dafür, dass die Spiele ihrer Mannschaft ausverkauft sind und mehr Menschen sie vor dem Fernseher verfolgen als die der Herren-Mannschaften. Dass sie Millionen verdient, auf dem Platz sportliche Rekorde bricht. Und das alles nach vier Monaten in der Bundesliga. Genau das passiert gerade in der US-Damenbasketball-Liga WNBA. Caitlin Clark ist ein Phänomen – und wird dafür geliebt und verachtet.
Schon vor ihrem Ersten Spiel in der WNBA im Mai war die 22-Jährige ein Star. Zusammenstellungen ihres selbstbewussten Spielstils, ihrer schlicht spektakulären Dreierwürfen und ihrer vorlauten Sprüche machten schon während ihrer Uni-Spiele die Runde in den sozialen Medien. Und sorgten für Zuschauerrekorde.
College Basketball ist in den USA zwar schon lange riesig – das galt aber bisher nur für die Männer-Mannschaften. Clark sorgte plötzlich auch bei ihrem Frauenteam, den Iowa Hawkeyes, für ausverkaufte Häuser. Statt halb besetzter Ränge wurden Karten auf einmal auf dem Schwarzmarkt gehandelt. Ihr letztes Spiel in der Liga, das Finale der Playoffs gegen die South Carolina Gamecocks, schauten im April 18,9 Millionen Menschen. Deutlich mehr als das beliebte College-Finale der Männer. Die Presse nennt es den "Caitlin-Clark-Effect".
Was genau den ausmacht, darüber scheiden sich allerdings die Geister. Clark ist ohne Zweifel eine herausragende Basketball-Spielerin. Sie kann passen, sie holt sich den Ball – und sie trifft auch aus größter Entfernung sicher. Noch im College schlug sie den Rekord für die meisten getroffenen Dreipunkte-Würfe in einer einzelnen Saison. Nicht den Rekord in der weiblichen College-Liga – sondern den des für seine Dreierwürfe bekannten NBA-Stars Steph Curry.
Doch das dürfte nur einen Teil des Hypes erklären. Denn zur Wahrheit gehört auch: Clark ist eine der wenigen weiße Heterofrauen in der WNBA, einer Liga, die größtenteils von schwarzen, mit knapp 25 Prozent überdurchschnittlich häufig lesbischen Frauen dominiert wird. "Ich glaube, der größte Teil der neuen Zuschauer kommt aus gut gebildeten, weißen Familien mit Töchtern", erklärt Sport-Berichterstatter Clay Travis. "Sie sieht aus und benimmt sich, wie man es sich diese (oft weißen) Familien für ihre Töchter wünschen würden."
Diese größere Aufmerksamkeit gefällt nicht jedem. Clark sei ein Feindbild für andere Spieler und selbst in der eigenen Mannschaft, heißt es in den Medien. Die teils harten Fouls gegen sie werden ausführlich diskutiert, oft als Ablehnung der anderen Spieler gewertet. Doch das muss man nicht so sehen, ist Experte Bob Costas sicher. "Alica Thomas hat Angel Reese gerade erst an der Kehle gepackt und zu Boden geworfen", erklärt er. "Darüber redet aber kaum jemand – weil es unter Schwarzen passierte. Daraus lässt sich einfach nicht im selben Maße eine Story machen."
Diese Beobachtung ist vor allem deshalb relevant, weil Angel Reese eigentlich eine sehr ähnliche Erfolgsgeschichte wie Clark vorweisen kann. Auch sie ist ein Ausnahmetalent, auch sie führte ihre College-Mannschaft in der letzten Saison zu Erfolgen, auch sie ist eine der großen neuen Hoffnungen der WNBA. Doch die im größtenteils afroamerikanisch geprägten Baltimore aufgewachsene Schwarze erfährt nur einen Bruchteil des Hypes, der um Clark herrscht.
Dabei geben sich die beiden sportlich wenig. Trotz ihres Rookie-Status haben Clark und Reese schon vier Monate nach ihrem WNBA-Debut Rekorde zu verzeichnen. Mit 19 Assists in einem einzelnen Spiel hat Clark jetzt schon den Ligarekord geknackt, als erster Rookie in der Ligageschichte schaffte sie einen Tripple-Double – also zweistellige Werte in drei der fünf wichtigsten Spielwerte. Das wurde in der WNBA überhaupt erst 37 Mal geschafft. Reese legte ebenfalls einen Rekord vor: In 15 aufeinander folgenden Spielen schaffte sie einen Double-Double, die längste Serie der Ligageschichte.
Bei den Zuschauern ist die Präferenz allerdings klar zu erkennen: Während sich die durchschnittlichen Zuschauerzahlen bei Clarks WNBA-Team, den Indiana Fevers, in dieser Saison knapp vervierfacht haben, sind bei Reeses neuem Team, Chicago Sky, nur knapp 15 Prozent neue Zuschauer dazugekommen.
Finanziell sticht Clark ohnehin heraus. Schon im College schloss sie Werbedeals mit Nike oder dem Großversicherer State Farm ab. Bis zu zehn Millionen Dollar im Jahr soll sie damit verdienen. Damit war sie schon an ihrem ersten Tag die bestverdienende Spielerin der WNBA: Ihr Spielergehalt liegt bei gerade mal 75.000 Dollar – und die meisten Spielerinnen haben selbst nach Jahren höchstens kleinere Werbedeals.
Trotzdem sollten die anderen Spieler nicht neidisch sein, schaltete sich mit LeBron James eine NBA-Legende in die Debatte ein. "Verdreht das nicht", warnte er in seinem Podcast "Mind the Game". "Caitlin Clark ist der Grund dafür, dass in der WNBA gerade großartige Dinge passieren", erinnerte er an die positive Entwicklung durch das plötzlich riesige Interesse an der lange vergessenen Liga. Mit dem größeren Interesse ist die Liga schließlich auch für Werbekunden interessanter – was dann auch die Kassen der anderen Vereine füllen dürfte.
Auch für Clark selbst hat der NBA-Veteran einen Rat. "Sie sollte sich darauf gar nicht einlassen und einfach Spaß haben", findet er. "Ich habe denselben Weg hinter mir. Ich hoffe, sie räumt ab."