Nach dem überzeugenden Sieg gegen einen überforderten Aufsteiger aus Kiel steht Borussia nun zum 25. (!) Mal vor der großen Frage: Kann die Mannschaft zweimal in Folge in der Bundesliga gewinnen? Und nicht nur das: Kann man mehr aus dieser Saison herausholen, als „nur“ seine Pflichtaufgaben zu lösen, die zwar einen sicheren Klassenerhalt nahezu garantieren, aber kaum für mehr reichen werden?
Es gibt keinen Grund, an den starken Heimauftritten gegen Heidenheim, Bremen, St. Pauli und zuletzt eben Kiel das Haar in der Suppe zu suchen. Diese Spiele hat Borussia klar und größtenteils auch in überzeugender Weise gewonnen. Was man aber feststellen darf, ist, dass alles andere als drei Punkte aus diesen Partien – angesichts der weiterhin mäßigen Auswärtsbilanz – nicht nur die heftige Kritik der Wochen zuvor nicht hätte verstummen lassen, sondern auch dem Punktekonto erheblich geschadet hätte. So sind die nun 21 Zähler für einen Verein, der sich die Einstelligkeit als Ziel gesetzt hat, nach 14 Spieltagen von der reinen Ausbeute her mehr als ordentlich. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass zehn weitere Mannschaften bisher genauso oder besser punkteten – was auch an der Überforderung der letzten vier Teams liegt, die für den Rest der Liga bereitwillig Tür und Tor öffneten. Tabellenplatz 11 ist aktuell somit nicht nur außerhalb des offiziellen Saisonziels von Virkus und Co., man hat auch bereits den Großteil der vom Papier her machbarsten Gegner im Borussia-Park zu Gast gehabt.
Umso wichtiger ist es, nicht nur wie etwa in Leipzig und Mainz sporadisch auswärts zu punkten, sondern auch den einen oder anderen Sieg einzustreuen, mit dem man vorher nicht zwingend rechnen konnte. Angesichts der ersten 2025er-Stationen gegen Bayern, in Wolfsburg, Leverkusen, Stuttgart und noch davor gegen Frankfurt – alles lediglich unterbrochen durch das dann umso mehr „Pflicht-Heimspiel“ gegen Bochum – kann die Tabelle allein dann deutlich weniger rosig für den VfL aussehen, wenn alle Spiele „wie erwartet“ ausgehen. Das Argument, dass man in einer Liga „sowieso gegen alle spielen muss“, mag zwar ein Fakt sein, positive Ergebnisse und Erfolg hängen aber nun mal auch von Formkurve und Momentum ab. Und weil Borussia nach zuletzt mehreren ermutigenden Auftritten genau davon im positiven Sinne profitieren sollte, kommt das Spiel in Hoffenheim als perfekte Gelegenheit daher, sich nicht nur den nötigen Winterspeck für die Zeit nach den Feiertagen anzufuttern, sondern auch endlich sowohl mit der latenten Auswärtsschwäche als auch der Siegesserien-Phobie aufzuräumen.
Dass man die Qualität dafür durchaus besitzt, haben die vergangenen Wochen nicht nur im Rahmen der schönen Heimsiege, sondern auch in Spielen wie gegen Dortmund gezeigt. Der Trainer scheint endlich einen Weg gefunden zu haben, seine besten Spieler auch in ihren jeweils besten Rollen glänzen zu lassen. Statt immer wieder zu rotieren und in jedem Spiel irgendwie alles gleichzeitig erreichen zu wollen – Pressing, Ballbesitz, lange Bälle, kurze Bälle, hohe Bälle – konzentriert man sich aktuell auf einfachere Grundvorgaben, die den Spielern den Raum geben, eigene Lösungen zu finden. Hinten eine recht tiefstehende Viererkette, vorne ein klarer Fokus auf Flanken, das Mittelfeld als Verbindungsglied. Laufbereitschaft und Intensität sind da, die Abwehr hat sich stabilisiert, aber es ist vor allem die herausragende Verfassung von Spielern wie Kleindienst, Honorat und Reitz, die den Plan zuletzt häufiger aufgehen ließ. Und auch anderen Spielern (Ullrich, Itakura, Weigl, Plea, Nicolas) individuell mehr Stabilität gab. Qualitätsprobleme in der zweiten Reihe, das weiterhin fragwürdige Ingame-Coaching und die schablonenhaften Wechsel fallen immer dann weniger stark ins Gewicht, wenn über die ersten 60, 70 Minuten die Grundlage für einen erfolgreichen Ausgang gelegt wurde. Und daher wird es am Samstag auch darum gehen, das Spiel nicht zu stark den Kraichgauern zu überlassen – denn selbst bei den klaren Heimsiegen bekamen die eigentlich schon geschlagenen Gegner im Laufe der zweiten Hälfte zwischenzeitlich zu viel Oberwasser, weil Borussia es mit der bewusst gewählten Passivität fast übertrieb.
Und wo steht Hoffenheim? Das ist insbesondere von Weitem (und dem sich nicht unbedingt aufdrängenden Interesse am SAP-Verein und seinem Schaffen) schwer zu beantworten. Doch schon seit Saisonbeginn geht es offenbar turbulent zu in der Welt von ROGON und Hopp, dessen vermeintlicher Rückzug, aber auch die Demission von Alexander Rosen einen Verein nicht nur ohne Fans (die gab es schon vorher kaum), sondern nun auch ohne erkennbare Führungsstruktur und Identität hinterlassen haben. Das sieht man auch auf dem Platz, wo neben den üblichen Verdächtigen um Kramaric oder Baumann viel internationales Personal mit Potenzial, aber nicht der ganz großen Klasse um eine Perspektive in Bundesliga und Europa League ringt. Außer mit dem Aufstieg von Shootingstar Bischof ist man im Dorf bei Sinsheim generell eher wenig zufrieden. Die magere Punkteausbeute (Platz 14 mit 14 Punkten) kostete schon Trainer Materazzo den Job, und auch der Start seines Nachfolgers, dem Österreicher Christian Ilzer, fiel eher mittelmäßig aus. Wenn man aber in der Hinrunde gepunktet hat, dann meistens zu Hause (10 Punkte), und selbst wenn die Stimmung im eigenen Stadion kaum eine große Hilfe darstellt, muss Borussia gewarnt sein – sonderlich häufig war Hoffenheim für Borussia noch kein gutes Auswärtspflaster.
Doch daran soll jetzt nicht nur die Mannschaft etwas ändern: Zum einen kann man personell wieder fast aus dem Vollen schöpfen (Weigl, Neuhaus, Netz und Cvancara stehen wieder zur Verfügung), zum anderen haben die reisefreudigen Anhänger der Fohlenelf in den letzten Wochen angekündigt, mit 6.000 bis 8.000 Auswärtsfans das in der Regel spärlich besuchte und akustisch eher leblose Sinsheimer Operettenhaus stimmungstechnisch einnehmen zu wollen – um nicht nur das letzte Spiel des Jahres zum Heimspiel in der Ferne zu machen, sondern die Mannschaft der Borussia dabei zu unterstützen, das Jahr 2024 mit einer kleinen Kür abzuschließen. Man wird die Punkte noch brauchen, um den eigenen Ambitionen gerecht zu werden.
Seitenwahl-Tipps:
Christian Spoo: Wir, die wir über Borussia schreiben, müssen uns im neuen Jahr keine neue Geschichte ausdenken. Der Zwei-Siege-Fluch bleibt mit der 1:3-Niederlage beim Kraichgauer Traditionsklub bestehen.
Michael Heinen: Zum zweiten Sieg in Folge reicht es erneut nicht ganz. Mit einem ordentlichen 1:1 in Sinsheim endet das Jahr aber zumindest halbwegs versöhnlich.
Kevin Schulte: Wenn nicht jetzt, wann dann? Borussia legt uns einen zweiten Sieg in Folge unter den Weihnachtsbaum: 3-1 beim akustischen Heimspiel in Hoffenheim
Claus-Dieter Mayer: Das 1:1 in Hoffenheim ist so ein bisschen wie die Borussia ingesamt dieser Tage: zufriedenstellend, ordentlich, ohne dass man jedoch in wilden Enthusiasmus ausbrechen müsste.
Mike Lukanz: Borussia wird gut beginnen, ein paar Chancen haben, dann wird irgendein Kramaric schon treffen. 2:0 für Hoffenheim.