Borussia hat einen Lauf. Ergebnistechnisch und zuletzt gelegentlich auch, was die gezeigten Leistungen angeht, hat sich das Team aus der Depression befreit, die sich noch im Oktober um den Borussia-Park ausgebreitet hatte. In der Liga fünfmal nicht verloren, über diese erfreuliche Tatsache ist das Pokal-Aus fast schon in Vergessenheit geraten. Und musste sich Trainer Gerardo Seoane vor den Heimspielen gegen Union Berlin und Heidenheim noch gellende Pfiffe aus der Nordkurve anhören – wobei er mannhaft behauptete, nichts davon mitbekommen zu haben – so sind seine Kritiker zumindest vorübergehend verstummt. So ähnlich gilt das auch für Roland Virkus, bei dem sich der Verein inzwischen traut, den auslaufenden Vertrag zu thematisieren. Dass dieser Vertrag verlängert werden wird, komme, was wolle, ahnten wohl ohnehin alle, die sich ein bisschen mit den Verhältnissen bei Borussia Mönchengladbach beschäftigen. Zurzeit kann der Verein auch laut darüber nachdenken, ohne in der Anhängerschaft ein allzulautes Grummeln auszulösen. Die Fakten sprechen für Virkus: Die Abwehr steht trotz ausgebliebener Verstärkung stabil wie selten, über Tim Kleindienst muss man nicht viele Worte verlieren. Top-Transfer, ohne wenn und aber.
Aber wir alle wissen: So schnell sich die Stimmung ins Positive wendet, so schnell kann sie auch wieder umschlagen. Um wirklich dauerhaft Ruhe im Karton zu haben, sollte dem positiven kein negativer Lauf folgen. Eine hervorragende Voraussetzung dafür wäre der erste Sieg beim SC Freiburg seit 2007. Damals in Liga zwei trafen Rob Friend und zweimal Sascha Rösler. In der ersten Bundesliga gelang das zwei Jahre vorher durch ein Tor von Arie van Lent. Wäre als durchaus Zeit, dieser dünnen Erfolgsstatistik ein Element hinzuzufügen – aber das schreiben wir schon seit Jahren. Immerhin gingen die letzten vier Partien in Freiburg für Borussia unentschieden aus, die Heimbilanz gegen die Breisgauer liest sich da deutlich weniger erfreulich.
Wenig überraschend wäre es, wenn Gerardo Seoane die Aufgabe in Freiburg erneut mit derselben Startaufstellung angeht, wie zuletzt dreimal. Der einzige Wackelkandidat – Joe Scally – hat seinen Schädel nach dem Zusammenprall mit St. Paulis Treu erfolgreich entbrummt. Einziger Dämpfer unter der Woche ist die Muskelverletzung von Ergänzungsspieler Florian Neuhaus, der sich gerade wieder näher an die Mannschaft herangekämpft hatte und als offensive Einwechsel-Option Nummer eins galt.
Beim SC Freiburg sind die Personalsorgen minimal größer: Osterhage ist gesperrt, Dinkci noch nicht fit und Junior Ademu gesperrt. Dafür ist Merlin Röhl wieder eine Option fürs defensive Mittelfeld. Freiburgs Kader ist ohnehin breit genug, um die genannten Ausfälle ohne spürbaren Qualitätsverlust aufzufangen.
Zuletzt war dennoch beim SCF etwas Sand im Getriebe. Vier Mal in Folge nicht gewonnen, zuletzt in Dortmund geradezu unter die Räder gekommen. Nach dem guten Start in seine Bundesliga-Trainerkarriere erlebt Julian Schuster gerade erstmals eine kleine Durststrecke. Er kontert das mit dem business-üblichen Bullshit-Sprech, wenn er konstatiert „Niederlagen können helfen, den Fokus und die Balance in Richtung der Grundlagen zu lenken und Dinge zu schärfen“ und wir sind froh, dass dieser Daniel-Farke-Gedächtnissatz nicht in Gladbach gefallen ist. Trotz nur zweier Punkte seit Mitte Oktober steht Freiburg auf Augenhöhe mit Borussia und könnte mit einem Erfolg wieder am Gegner vorbeiziehen. Borussia dagegen würde den unverhofft erreichten „Europapokal-Platz“ mit einem Erfolg erst einmal sichern und könnte vor dem Duell am übernächsten Wochenende sogar Borussia Dortmund ins Visier nehmen. Und da so ein Satz selbst bei Seitenwahl ein Anflug von Übermut erahnen lässt, sollten wir uns schnell erden mit der:
SEITENWAHL-Prognose
Christian Spoo: Alle Jahre wieder kommt das Freiburg-Spiel, fährt uns in die Glieder, denn wir hol’n da nicht viel. Auch Ende November, grau und sonnenfrei. Gibt es auf die Mütze, mit einem eins zu drei.
Michael Heinen: Seit 4 1/2 Jahren ist Borussia in Freiburg ungeschlagen. Durch das 1:1 hält die Serie an.
Mike Lukanz: "Borussisch" ist ja das Lieblingsadjektiv dieser Redaktion, es beschreibt grundsätzlich die Neigung, in Regelmäßigkeit zu patzen oder Chancen nicht zu nutzen. Borussisch ist aber auch, sich Logiken zu entziehen. Daher haue ich mal einen raus und tippe einen überraschend souveränen 3:1-Auswärtssieg. Die anschließende Euphorie wird entsprechend borussisch ausfallen, nämlich vollkommen überzogen.