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Das war mal eine recht entspannte Länderspielpause in Mönchengladbach. Nach den zwei überzeugenden Spielen gegen Bremen und in Leipzig, 8 Punkten aus den letzten 4 Spielen und einem endlich mal wieder einstelligen Tabellenplatz verstummten die von einigen nach den erschreckenden Auswärtsspielen in Augsburg, Mainz und Frankfurt schon wild geschlagenen Alarmglocken schnell wieder. Statt dessen konnte man in Ruhe anschauen, wie sich Tim Kleindienst so bei der Nationalelf macht und über seinen Startelfeinsatz gegen Bosnien-Herzegowina inklusive zweier Tor freuen, bevor der Gladbacher Mittelstürmer dann im Ungarn-Spiel den endgültigen Ritterschlag erhielt, indem er nach dem Trio Musiala-Wirtz-Havertz von Nagelsmann in der zweiten „Jetzt bringen wir aber die A-Elf und zeigen Euch was ne Harke ist“-Halbzeit eingewechselt wurde (wie sich in der Schlussminute herausstellte, wussten die Ungarn allerdings bereits, was eine Harke ist).

In der Heimat gab es derweil immerhin einen 3:1 Sieg in einem Freundschaftsspiel gegen Zweitligisten Preussen Münster, bei dem der 19-Jährige U23-Spieler Noah Pesch mit einem schönen Kopfballtor andeuten konnte, warum er gerade Erster in der Torschützenliste der Regionalliga West ist. Abgesehen davon durfte Robin Hack mit einem raffinierten Treffer aus 45 Metern mal wieder beweisen, was für eine coole Sau er ist und Jonas Omlin konnte nach überstandener Verletzung sein Comeback im Tor feiern. Den Schweizer Torhüter betraf auch die einzig andere nennenswerte Nachricht aus Gladbach in den letzten 2 Wochen, als Gerardo Seoane verkündete „Wir werden nach der Länderspielpause weiter mit Moritz Nicolas im Tor spielen“. Im anglo-amerikanischen Sprachraum bezeichnet man solch eine Entscheidung oft als „No-Brainer“ um anzudeuten, dass sie so offensichtlich ist, dass man dafür eigentlich noch nicht mal das Gehirn belästigen muss. War es zu Saisonbeginn noch nachvollziehbar, dass Seoane seinen Kapitän auch auf dem Platz sehen wollte, um mit ihm auch etwas Erfahrung und Hierarchie ins Team zu bekommen, so hat sich die Lage inzwischen verändert. Nicolas war wie schon zuvor ein solider und guter Ersatz für seinen Schweizer Konkurrenten und insgesamt scheint die Mannschaft in den letzten Wochen zueinander gefunden zu haben. Es macht also wenig Sinn ohne Not mit dem Torwart ein sehr wichtiges Teil dieser Struktur zu verändern. Hinzu kommt, dass niemand weiß, wie match-fit Omlin wirklich schon wieder ist, und wie lange er diesmal verletzungsfrei bleibt. Der arme Kerl kann herzlich wenig dafür, aber Fakt, ist dass Omlin seit seiner Verpflichtung im Januar 2023 von 63 möglichen Spielen nur 27 gespielt hat und innerhalb einer Saison bislang höchstens 7 Spiele hintereinander im Tor stand.

Auch Borussias zweiter Schweizer Nationalspieler wird am Sonntag vermutlich erst einmal auf der Bank sitzen. Nico Elvedi konnte nach mehrwöchigen muskulären Problemen zwar diese Woche wieder am Training teilnehmen, aber ein Einsatz gegen St. Pauli kommt wahrscheinlich noch etwas früh und ist nach der starken Leistung Marvin Friedrichs in Leipzig auch nicht selbstverständlich. Hier bahnt sich eventuell ein vor ein paar Wochen noch nicht erwarteter Zweikampf an. Ähnlich ist es auf der linken Außenseite, wo Lukas Ullrich zuletzt dreimal in Folge seine Sache sehr gut gemacht hat und Luca Netz (im Moment immer noch verletzt) es schwer finden könnte seinen Stammplatz zurückzuerobern. An anderen Kaderpositionen sind die Entscheidungen anscheinend gefallen: Rocco Reitz hat durch starke Leistungen Philipp Sander vorerst auf die Bank verdrängt und in der Offensive scheint Kevin Stöger im Moment nicht an Robin Hack und Alassane Plea vorbeizukommen und so spricht einiges dafür, dass die Borussia gegen die Hamburger mit der gleichen Startelf wie in Leipzig startet.

Als die Borussia das letzte Mal den FC St. Pauli in einem Bundesligaspiel zu Hause besiegen konnte, stand die Berliner Mauer noch und Erich Honecker und Co bereiteten sich gerade auf die 40-Jahr-Feier der DDR vor. Ein gewisser Stefan Effenberg leitete am 15. August 1989 den 4:1 Sieg am Bökelberg ein, zwei der weiteren Gladbach Torschützen sind bedauerlicherweise inzwischen von uns gegangen (Christoph Budde und Hans Jörg Criens, den vierten Treffer erzielte Hochstätter). Dass Borussia die Kiezkicker solange nicht mehr daheim in der ersten Liga besiegen konnte, liegt zum Teil natürlich daran, dass St. Pauli in seiner Vereinsgeschichte nur 8 Jahre Bundesliga gespielt hat, aber immerhin gab es danach noch 5 weitere Auftritte der Paulianer in Mönchengladbach: der letzte im Jahr 2010 kam eine Woche nach einer historischen 0:7-Klatsche in Stuttgart als eine Wiedergutmachung gründlich misslang und man 1:2 gegen den späteren Absteiger verlor. Wie in all diesen vorangegangenen Partien auch ist die Borussia der Favorit in dieser Begegnung. Die Hamburger sind wie Mitaufsteiger Kiel als klarer Abstiegskandidat in die Saison gegangen. Der Marktwert des Teams liegt im Deutschland-Vergleich auf Platz 20 (die Zweitligisten HSV, Hertha BSC und FC Köln liegen alle noch vor St. Pauli), der einzige Spieler mit nennenswerter Bundesliga-Erfahrung im momentanen Kader ist Johannes Eggestein, der aus seiner Bremer Zeit zumindest schon mal weiß, wie das so geht mit dem Absteigen. Der klare Star der Aufstiegssaison war Trainer Fabien Hürzeler, der dann auch gleich von der Premier League weggeschnappt wurde und momentan als Nachfolger von Roberto de Zerbi Brighton Hove sensationell auf Platz 6 der Liga geführt hat. Immerhin konnten man mit Alexander Blessin einen interessanten Nachfolger verpflichten, der zuletzt in Belgien für Furore gesorgt hatte. Für das Unterfangen Abstiegskampf könnte der von RB-Schule geprägte Blessin-Fussball vielleicht sogar geeigneter sein als das vor allem offensiv fokussierte Ballbesitz-Spiel mit dem Hürzeler St. Pauli in die erste Liga führte. Im Moment steht die Mannschaft auf dem 16. Platz, scheint aber allmählich in der Liga angekommen zu sein. Während man auf eigenem Platz noch keinen Treffer erzielen konnte (Wortspiel-Connoisseure sprechen hier auch von Millerntorlosigkeit), hat man auswärts zuletzt überzeugen können. In Freiburg (3:0) und Hoffenheim (2:0) gab es Siege, in Dortmund verlor man nur knapp und etwas unglücklich mit 1:2. Die vielleicht verblüffendste Statistik ist, dass das Blessin-Team mit nur 12 Gegentreffern bislang die 5. Beste Defensive der Liga aufzubieten hat.  Mit 121,37 km pro Spiel stellt man auch das laufstärkste Team der Liga.

Die Schwäche der Hanseaten liegt offensichtlich im Sturm, wo mit Elias Saad im Moment auch noch ein Schlüsselspieler verletzt ausfällt. Sieben Tore in 10 Spielen sind einfach zu wenig, aber dummerweise fielen alle diese Treffer in den 5 Auswärtsspielen, so dass die in Leipzig überzeugende aber sonst oft auch fehleranfällige Gladbacher Abwehr sich nicht zu früh auf einen ruhigen Abend einstellen sollte.

Vielleicht sollte man den „Pflichtsieg“-Tag für dieses Spiel aus Gladbacher Sicht daher gegen „Unangenehmer Gegner“ austauschen, denn es ist bislang kein Fall in der Fußballgeschichte bekannt, wo das Unterschätzen der gegnerischen Mannschaft zu irgendetwas Gutem geführt hätte. Für die Borussia ergibt sich am Sonntag sowieso eine für diese Saison neue Situation: zum ersten Mal steht man in einem Heimspiel weniger unter Druck den Saisonstart irgendwie gerade zu biegen, sondern hat vielmehr eine gute Chance sich etwas dauerhafter in der oberen Tabellenhälfte festzusetzen. Diesen positiven Druck anzunehmen und in eine gute Leistung umzumünzen wäre ein wichtiger Entwicklungsschritt. Nach diesem Spieltag warten auf den VFL noch Freiburg (A), Dortmund (H), Kiel (H) und Hoffenheim (A) bevor es eine kurze Weihnachtspause gibt. Mit einem Sieg gegen St. Pauli wäre ein einigermaßen entspanntes Fest fast schon sichergestellt. Aber genau an diesem Punkt, an dem es möglich gewesen wäre, wirklich mal einen Schritt nach vorn zu machen, ist der VFL in den Vorjahren immer wieder krachend gescheitert.  Das war so, als man unter Daniel Farke nach einem 4:1 Hoffenheim zwei Spiele gegen die späteren Absteiger Schalke und Hertha vor sich hatte, aber anstatt des Anschlusses an internationale Plätze aus diesen Spielen nur einen mickrigen Punkt holte. Oder auch im Vorjahr, als nach einem starken 3:1 gegen den VFB Stuttgart die nächsten Heimspielgegner Augsburg und Darmstadt hießen und man wieder nur einen Punkt aus diesen Spielen holte, anstatt sich frühzeitig aller Abstiegssorgen zu entledigen.

Natürlich hat sowas teilweise auch mit Qualität zu tun, aber die Häufigkeit mit der Gladbach in den letzten Jahren Chancen ausgelassen hat, mehr als nur das absolut nötigste zu erreichen, legt nahe, dass es auch einen selbstzufriedenen Mangel an Ehrgeiz und Leistungskultur im Team gab. Ambitionierte und bissige Spieler wie Reitz, Hack oder Kleindienst geben Anlass zu Hoffnung, dass die Borussia im Begriff ist sich aus dieser jahrelangen Lethargie zu befreien, aber die endgültige Bestätigung bleibt noch aus. Am Sonntag und in den 4 folgenden Spielen vor Jahresende hat das Team eine gute Gelegenheit diese Zweifel zu zerstreuen.

 

Seitenwahl-Tipps:

Michael Heinen: Borussias Serie hält auch gegen St. Pauli. Durch den 2:1-Heimsieg wird der Platz in der oberen Tabellenhälfte gefestigt.

Christian Spoo: Des Fußballfreundes Seele ist zart. So grassiert wieder Optimismus im Borussen-Lager. Weil es gegen St. Pauli tatsächlich drei Punkte gibt, hält der an, auch wenn das 1:0 mühsamer errungen wurde, als erwartet.

Kevin Schulte: Borussia vergoldet den Punkt aus Leipzig, gewinnt gegen den auswärtsstarken Aufsteiger mit 3:1.

Mike Lukanz: Es wird ein Spekatakel, denn Pauli spielt frech und offensiv. Das kommt Borussia entgegen, am Ende gibt es nach dem 3:2 viele grinsende Gesichter im Stadion.

Michael Oehm: Wir befinden uns im November 2024 in der Seitenwahl-Redaktion. Die ganze Redaktion ist von Gerado Seoane und Roland Virkus zum Optimismus bekehrt worden… Die ganze Redaktion? Nein! Ein unbeugsamer Redakteur traut dem Frieden nicht und tippt deshalb ein enttäuschendes 1:1.

Claus-Dieter Mayer: ZWEI unbeugsame Redakteure (wir werden noch intern klären wer von uns hier Asterix bzw Obelix ist) bitte! Der Einsatz stimmt, aber die Borussia schafft es nie das Spiel wirklich zu dominieren und muss sich am Ende (wie mein Vorredner schon sagte) mit einem 1:1 abgeben.

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