Die Deutsche Umwelthilfe, sonst eher als Lobbyverein zur Bekämpfung der deutschen Industrie tätig, hat Zahlen über das LNG-Terminal vor Rügen veröffentlicht, die nahelegen, dass es sich dabei eher um eine Gelddruckmaschine als um eine Einrichtung zur Gasversorgung handelt.
Die Organisation hat, so berichtet der Nordkurier, Beschwerde beim Bundesrechnungshof "wegen nicht zielgerichteter und ineffizienter Mittelverwendung" eingelegt und die sofortige Beendigung des Ausbaus gefordert ‒ ein Punkt, für den sie die Zustimmung der Gemeinde Binz finden wird, die von Anfang an in dem schwimmenden Terminal eine Bedrohung ihres touristischen Geschäfts sah.
865 Millionen Euro öffentlicher Mittel seien vom Wirtschaftsministerium für das Terminal veranschlagt, zudem noch eine Bundesbürgschaft über weitere 1,878 Milliarden Euro. Liefern würde das Terminal allerdings nur 1,3 Milliarden Kubikmeter Gas und damit ganze 1,5 Prozent des gesamten jährlichen Gasbedarfs.
Nicht zu vergessen, dass das Terminal die Verteilstrukturen der Nord-Stream-Pipelines nutzt, die ebenfalls nicht von dieser Firma finanziert wurden.
Schon im Sommer 2023 gab es Zweifel an der Firma, weil der Geschäftsführer Ingo Wagner, ursprünglich aus Bruchsal, Verbindungen zu einem Fonds auf den Cayman Islands hatte, einem klassischen Steuerparadies. Die Gemeinde Binz hatte sich damals aus diesem Grund an die Fahndung des Zolls gewandt ‒ die Ergebnisse sind bisher nicht bekannt. Wagner erklärte, diese Verbindungen aufgegeben zu haben.
Das Unternehmen, das das Gasterminal betreibt, die Deutsche ReGas GmbH & Co. KGaA, wurde am 11. April 2022 gegründet, mit Ingo Wagner, dem Steuerberater Prof. Dr. Stephan Knabe und Luca Rath als Vertreter. Das Gründungskapital betrug laut Registereintrag im Lobbyregister des Deutschen Bundestages 100.000 Euro, zum 31.12.2022 betrugen die Kapitalrücklagen 82 Millionen Euro. Eine Menge eingeworbenes Geld, das aus dem Verkauf der Aktien stammt, die sich hinter der KGaA (Kommanditgesellschaft auf Aktien) verbergen, und ein ungewöhnliches Konstrukt, das üblicherweise der Umgehung von Veröffentlichungsvorschriften dient.
Kein Wunder, ist doch eine der beiden Hauptfiguren, Stephan Knabe, Eigentümer der "größten Steuerkanzlei Brandenburgs", die nach eigenen Aussagen vor allem mittelständische Unternehmen berät ‒ und auf diesem Weg vermutlich auch Zugang zu den Investoren fand, die sich hinter der Firma verbergen.
Die Deutsche Umwelthilfe rügt vor allem, dass das Verhältnis zwischen der gelieferten Menge Gas und den dafür eingesetzten öffentlichen Mitteln weit ungünstiger sei als bei allen anderen LNG-Projekten. Das Verhältnis zwischen der Ende 2022 belegten Kapitalrücklage und den erwähnten öffentlichen Mitteln ist allerdings noch eigenartiger ‒ allein die 865 Millionen des Wirtschaftsministeriums belaufen sich auf das Zehnfache dieser Kapitalrücklage.
Angeblich sollte das Terminal komplett privat finanziert sein, was aber angesichts der Aufwendungen des Wirtschaftsministeriums offenkundig nicht der Fall ist. Das Geschäftsmodell scheint also mitnichten auf dem Entgelt der Bundesnetzagentur für die Regasifizierung zu beruhen, wie dies Knabe noch in einem Interview mit der Berliner Zeitung anlässlich der Inbetriebnahme im Januar 2023 behauptete, sondern vielmehr auf dem Zugriff auf öffentliche Mittel. Es gibt aber noch einen weiteren Punkt, der irritiert: Knabe, der zur Eröffnung immerhin Bundeskanzler Olaf Scholz, Wirtschaftsminister Robert Habeck und Ministerpräsidentin Manuela Schwesig begrüßen durfte, erzählt etwas über die Vorgeschichte:
"Als noch im Herbst 2021 der Gaspreis deutlich gestiegen war, haben Ingo Wagner und ich uns Lubmin nochmal als Standort für ein eventuelles LNG-Import-Terminal angeschaut."
Das dürfte unmittelbar nach der Bundestagswahl 2021 gewesen sein, und dieses "Anschauen" wäre nur dann sinnvoll gewesen, wenn Wagner und Knabe zu diesem Zeitpunkt mindestens Kenntnis von der Tatsache hatten, dass der grüne Teil der künftigen Regierung eine Inbetriebnahme von Nord Stream 2 verhindern wolle.
Weshalb es nicht nur wissenswert wäre, wie der Zeitverlauf der Planungen für dieses Terminal, das bei Inbetriebnahme von Nord Stream 2 unter keinen Umständen hätte wirtschaftlich sein können, war, sondern auch, wer genau die Aktionäre dieser Firma sind, die so großzügig mit öffentlichen Mitteln bedacht wird.
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