Von Gert Ewen Ungar
Wer in diesen Tagen in die großen deutschen Gazetten blickt, sieht sich einer Kampagne ausgesetzt. Die deutschen Medien unterstützen Kamala Harris. Sie ist der neue Shootingstar, die Wunschpräsidentin des deutschen Qualitätsjournalismus. Es gibt kaum einen Superlativ, der noch nicht über die designierte Präsidentschaftskandidatin der Demokratischen Partei ausgegossen wurde. Auch die deutsche Politik ist voll des Lobes. Die deutsche Außenministerin bescheinigt Harris, eine starke Frau zu sein. Starke Frauen brauche es in der Politik. Das Statement Annalena Baerbocks überrascht kaum, denn ihre Außenpolitik steht ganz im Zeichen des Feminismus, auch wenn in den zwei Jahren ihrer Amtszeit noch immer nicht allen ganz klar wurde, was Baerbock mit dem Terminus "feministische Außenpolitik" denn nun konkret meint.
Die Welt titelte heute "Vier von fünf Deutschen würden Harris wählen", verschweigt ihren Lesern aber eine ganz entscheidende Tatsache: Sie sind für den November gar nicht zur Wahl aufgerufen. Zumindest nicht in den USA zur Wahl des nächsten US-Präsidenten. Zudem stellt sich die Frage, was in der deutschen Berichterstattung über die USA falsch gelaufen ist, dass ein solches Umfrageergebnis zustande kommen konnte. Sicher, einige Verlagshäuser sowie der öffentlich-rechtliche Rundfunk gerieren sich, als wären sie die Wahlkampfzentrale der US-Demokraten in Deutschland. Aber so ganz sollte man die Fakten nicht ignorieren, wenn man von sich selbst behauptet, man sei journalistischen Standards verpflichtet.
Es wird einerseits so getan, als hätten die Deutschen in den USA eine Stimme. Das ist nicht so. Es wird andererseits so getan, als sei die Wahl von Harris für Deutschland von Vorteil, die Wahl von Donald Trump dagegen eine Katastrophe. Das ist angesichts der Entwicklung des deutsch-US-amerikanischen Verhältnisses in den vergangenen Jahren eine ganz erstaunliche Behauptung. Bereits Barack Obama war das Handelsungleichgewicht zwischen den USA und Deutschland ein Dorn im Auge. Er drohte mit Maßnahmen. Bundeskanzlerin Angela Merkel erzählte in dem Zusammenhang was von Wettbewerbsfähigkeit der Nationen, mit anderen Worten, sie redete sich mit Voodoo-Ökonomie aus der Verantwortung für ein von Deutschland verursachtes Ungleichgewicht, das die Beziehung belastete. Der deutsche Wettbewerbsvorteil ging vor allem auf günstige Energie aus Russland und auf Lohndumping infolge der Umsetzung der Agenda 2010 zurück. Deutsche Politiker behaupteten, er sei dem Fleiß der deutschen Arbeitnehmer und der Genialität deutscher Ingenieure geschuldet. Das Tragische daran ist, dass sie es selbst glauben. Es offenbart grundlegende Unkenntnis im Hinblick auf wirtschaftliche Zusammenhänge. Das Entscheidende ist nicht der Fleiß, mit dem eine Ware hergestellt wird, sondern nur ihr Preis.
Verhängt hat die bereits von Obama angekündigten Strafmaßnahmen dann sein Nachfolger im Amt. Trump führte im Jahr 2018 Zölle auf Aluminium und Stahl aus der EU ein. Er drohte zudem, auch Autos mit einem Strafzoll von 20 Prozent zu belegen. Bereits Obama war kein Freund des Freihandelsabkommen TTIP, das vorläufige Aus kam dann unter Trump.
Was war es daher für ein Glück, dass nach nur einer Amtszeit Trump Joe Biden ins Weiße Haus einzog. Endlich konnten man wieder an die guten Beziehungen unter Obama anknüpfen und vertrauensvoll zusammenarbeiten. TTIP liegt zwar immer noch auf Eis. Dafür hat Biden die Strafzölle zurückgenommen, oder nicht? Eher nicht. Er hat sie durch eine Quotenregelung ersetzt. Auf Stahl und Aluminium oberhalb einer festgesetzten Quote fallen weiterhin Strafzölle an. Die Quote ist zudem so niedrig angesetzt, dass auf jeden Fall Strafzölle fällig werden.
Darüber hinaus wurde in der Zeit der Präsidentschaft Bidens Deutschlands wichtigster Wettbewerbsvorteil gesprengt. Auf Nord Stream wurde ein Terroranschlag verübt. Dadurch nahm Deutschlands Abhängigkeit von den USA im Energiesektor deutlich zu und die deutsche Wettbewerbsfähigkeit ist schlicht futsch. Mit dem Preis für Energie steigt auch der Preis für die Herstellung eines Produkts.
Deutschland importiert jetzt aus den USA teures und umweltschädliches Fracking-Gas in verflüssigter Form und daher mit einer deutlich schlechteren Energiebilanz. Im Januar, nachdem Deutschland vollständig in der Abhängigkeitsfalle gesessen hatte, kündigte Biden obendrein an, die USA würden keine neuen Genehmigungen für den Export von LNG ausstellen. Zum Glück ist Trump weg.
Die deutsche Wirtschaft ist in der Dauerkrise, denn sie hat ihr Geschäftsmodell verloren. Wer mutmaßlich hinter dem Anschlag auf Nord Stream steckt, da er letztlich auch den größten Vorteil von ihrer Zerstörung hat, darf man in Deutschland nicht laut sagen. Das könnte das Staatswohl gefährden. Ich will es daher auch an dieser Stelle nicht tun. Man weiß es ohnehin.
Biden erließ zudem den Inflation Reduction Act, mit dem die Hersteller von E-Autos in den USA bevorzugt und europäische Hersteller benachteiligt werden. Gleichzeitig locken die USA mit umfangreichen Subventionen und günstigen Preisen für Energie. Faktisch werben die USA auch in Deutschland Industrie ab. 2023 haben deutsche Unternehmen in den USA so viel investiert wie nie zuvor, während in Deutschland die Investitionen zurückgehen. Es lohnt sich einfach nicht mehr.
Faktisch wurde spätestens unter Biden Deutschland und der EU von den USA der Wirtschaftskrieg erklärt. Darüber will man in Deutschland nur nicht sprechen. Stattdessen wird behauptet, ein Wahlsieg Trumps wäre für Deutschland eine Katastrophe und ein Sieg von Harris die große Hoffnung. Fakt ist: Es ist völlig gleichgültig, wer im Weißen Haus einzieht, dem Standort Deutschland freundlich gesonnen ist der neue Hausherr auch dann nicht, wenn es eine Hausherrin sein sollte.
Vor diesem Hintergrund ist die konzertierte Kampagne deutscher Medien für Harris völlig unverständlich. Die Wahlen werden zum einen nicht in Deutschland entschieden. Zum anderen macht die Eskalation vom Handelsstreit zum Wirtschaftskrieg deutlich, dass es für den Standort Deutschland gleichgültig ist, wer das Präsidentenamt in den USA bekleidet. Das Wohl der deutschen Wirtschaft steht auf der Prioritätenliste des nächsten US-Präsidenten an unterster Stelle.
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