Mehr als 70 Jahre liegen die Verbrechen der Nazis zurück, trotzdem sollen sie nicht zu den Akten gelegt werden. Nun tritt ein neuer Chefaufklärer an.Ludwigsburg (dpa) - Mord verjährt nicht, trotzdem läuft Jens Rommel die Zeit davon. Der Leitende Oberstaatsanwalt aus Ravensburg ist neuer Chefaufklärer für NS-Verbrechen - und in dieser Eigenschaft gehen ihm allmählich Täter, Opfer und Zeugen aus. «Mit jedem Jahr, das vergeht, werden auch die Betroffenen älter», sagt Rommel am Mittwoch bei seinem offiziellen Antritt als Leiter der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg.70 Jahre nach Kriegsende schwinden die Erfolgsaussichten immer stärker. Aber, sagt Rommel, man habe die Verpflichtung, «das heute noch Mögliche zu versuchen».Seine Arbeit sieht Rommel nicht zuletzt auch als Beitrag zur Aufklärung in heutigen Zeiten. Der 43-Jährige, «nicht verwandt und nicht verschwägert» mit dem Generalfeldmarschall Erwin Rommel, führt ein Ermittlerteam, das weltweit Hinweisen auf Nazi-Gewaltverbrechen und die dafür Verantwortlichen nachgeht. «Ist das noch sinnvoll?», nimmt er die Frage vorweg und verweist auf eine doppelte Verpflichtung, die auch heute noch gelte: eine juristische - weil Mord eben nicht verjährt - und eine moralische.Ein erster Wegweiser für seine Arbeit wird aus Karlsruhe kommen, wo der Bundesgerichtshof (BGH) noch über die Revision im Fall Oskar Gröning zu entscheiden hat. Der einstige SS-Mann, «Buchhalter von Auschwitz» genannt, war wegen Beihilfe zum Mord in 300 000 Fällen verurteilt worden. Rommel hofft, dass der BGH an diesem Fall klarstellt, wie der Straftatbestand der Beihilfe zu NS-Verbrechen genau auszulegen ist. Etliche Akten könnten und müssten dann womöglich noch einmal mit anderen Augen gelesen werden.Im April fliegt Rommel nach Argentinien. Er will selbst beurteilen, sagt er, wie groß der Aufwand für Recherchen im Ausland ist, die auch sein Vorgänger Kurt Schrimm immer wieder unternommen und sich damit weltweit große Achtung erworben hat. Wenn irgendwann einmal alle Akten geschlossen sind, soll aus der Zentralen Stelle ein Dokumentations-, Forschungs- und Informationszentrum werden. Was von Prognosen über den Zeitpunkt zu halten ist, hat Schrimm seinem Nachfolger noch mit auf den Weg gegeben: Drei Jahre solle er sich mit NS-Verbrechen beschäftigen, habe man ihm damals gesagt. Dann werde das niemanden mehr interessieren. Am Ende waren es 33.