Über Nacht stürzte die Dresdner Carolabrücke im September 2024 zusammen. Amtliche Dokumente zeigen nun: Der sächsische Verkehrsminister verwehrte persönlich Gelder für die zügigere Sanierung. 11. September 2024: Die Carolabrücke in Dresden kollabiert nachts. Nur durch Zufall kommen keine Menschen zu Schaden. Seitdem läuft die Aufarbeitung des Unglücks. Laut einem Gutachten war der Zusammenbruch nicht vorhersehbar, trotz enger Überwachung. Dass die Brücke dringend sanierungsbedürftig war, stand allerdings für Jahre außer Frage. Stadtrat und Landtag diskutieren Versäumnisse in der Instandhaltung. Dulig unterschrieb Brief Nun belegen Dokumente des Sächsischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr (SMWA): Sachsens Landesverkehrsminister Martin Dulig (SPD) war bereits 2019 persönlich mit der Carolabrücke befasst – und verweigerte der Stadt dringend benötigte Fördermittel für die Sanierung. Das geht aus dem Schriftverkehr des Ministeriums mit der Stadtverwaltung hervor, der t-online exklusiv vorliegt. Für Dulig ist das politisch heikel: Zwar war bereits bekannt, dass das Ministerium der Stadt Fördermittel für die Carolabrücke versagte. Dass jedoch Dulig selbst Anteil an dem Vorgang hatte, dürfte Kritik im Landtag hervorrufen. Bislang hatte die Landesregierung auf Fragen von Abgeordneten lediglich eingeräumt, die Förderung abgelehnt zu haben, "da die Voraussetzungen für eine Bewilligung von Fördermitteln nicht vorlagen". Dringende Bitte an den Minister Das ist allerdings nicht das vollständige Bild: Tatsächlich wandte sich Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) bereits im Februar 2019 per Brief an das Ministerium, um Landesfördermittel für dringend benötigte Brückensanierungen zu erbitten. Zuvor hatte das Landesamt für Straßenbau und Verkehr aus Geldgründen allen derartigen Vorhaben eine Absage erteilt. Und nicht nur das: "Auch die Genehmigung des förderunschädlichen vorzeitigen Baubeginns wird ausgeschlossen", schilderte Hilbert dem Minister persönlich. Sprich: Wenn die Stadt auf eigene Faust mit den dringenden Sanierungen beginne, würden Fördermittel auch später automatisch versagt. Duligs Antwort, die sechs Wochen später im Dresdner Rathaus einging, hatte es in sich. "Gegenwärtig nicht der Fall" Es blieb bei der Ablehnung der Fördermittel für die Dresdner Brückenvorhaben. Und auch ein vorzeitiger Baubeginn sollte ausgeschlossen bleiben: "Eine Zustimmung zum vorzeitigen Baubeginn kann nur erteilt werden, wenn mit hinlänglicher Sicherheit davon ausgegangen werden kann, dass ausreichend Mittel für die Bewilligung zur Verfügung stehen. Dies ist gegenwärtig nicht der Fall." Unterzeichnet wurde der Brief von Dulig. In der Stadt machte sich Unsicherheit breit. "3,6 Millionen Euro für die Sanierung der Carolabrücke fehlen" titelten eine Woche später die "Dresdener Neuesten Nachrichten". Und Dulig, den die Zeitung um eine Stellungnahme bat, warb um Verständnis für sein Ministerium: "Auch als Staat kann man jeden Euro nur einmal ausgeben." Daran änderten auch weitere Bittbriefe der Stadt Dresden nichts. "Vielen Dank für Ihre beiden Schreiben" "Mit besonderem Nachdruck verweise ich auf die Förderung der noch in diesem Jahr beginnenden Instandsetzung der Carolabrücke", schrieb Oberbürgermeister Hilbert im Mai 2019 erneut an den Minister persönlich. Es seien "tiefergehende Instandsetzungsarbeiten notwendig". Über mehrere Absätze hinweg schilderte er den Sanierungsplan in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Dresden. "Ich bitte Sie, sich für dieses Leuchtturmprojekt einzusetzen und eine Zuwendung auf Basis der Experimentierklausel der Förderrichtlinie KStB [für die Förderung von Straßen- und Brückenbauvorhaben] zu bewilligen." Doch aus Duligs Sicht schien offenbar alles gesagt zu sein. "Vielen Dank für Ihre beiden Schreiben an unser Haus. Herr Staatsminister Dulig und Herr Staatssekretär Brangs haben mich gebeten, Ihnen zu antworten", schrieb einige Wochen später der zuständige Abteilungsleiter im Ministerium an OB Hilbert. Es sei aufgrund der landesweiten Fördermittelanträge weiterhin ein Mehrmittelbedarf von rund 167 Millionen Euro zu verzeichnen, aber nicht absehbar, ob er im Folgejahr 2020 abgearbeitet werden könne. "Aufgrund dieser Tatsache werden gegenwärtig keine vorzeitigen Baubeginne befürwortet." Weil die Planungen aber bereits begonnen hatten, der Sanierungsbedarf offenkundig war, erteilte die Stadt im September 2019 trotzdem den Zuschlag für die Baumaßnahme. Aus Sicht des Ministeriums noch heute vorschnell: "Aufgrund dieses förderschädlichen vorzeitigen Maßnahmenbeginns musste der Antrag mit Bescheid vom Dezember 2019 abgelehnt werden", sagte ein Sprecher t-online. Die Bewilligungsbehörde habe in solchen Fällen keinen Ermessensspielraum. Die Folge: Die Stadt musste über 20 Millionen Euro für die Sanierung allein stemmen. Der Baustart für den letzten Brückenzug, der schließlich im September 2024 einstürzte, verzögerte sich über zwei Jahre. Nach dem Kollaps ist das Bauwerk mittlerweile nun auch in den bereits sanierten Zügen nicht mehr zu retten, wie ein Gutachten kürzlich feststellte. Es muss voraussichtlich komplett abgerissen werden.