Als einziger Deutscher ist Ricardo Pietreczko noch bei der Darts-WM dabei. Der 30-Jährige hat einen ungewöhnlichen Werdegang – und verdankt seinen Erfolg auch seiner Freundin.
Für die deutschen Darts-Spieler gibt es nicht viel zu holen bei der Weltmeisterschaft in London. Nur ein einziger Teilnehmer ist über die zweite Runde hinausgekommen: Ricardo Pietreczko, Spitzname "Pikachu", hält bei dem Wettkampf in der britischen Hauptstadt die deutsche Fahne hoch. Dafür hat der 30-Jährige aber einen echten Lauf, erreichte sogar das Achtelfinale (an diesem Montag, 16 Uhr, live bei Sport1 und Dazn) – und ist bereit für den ganz großen Wurf.Darts-Spieler weint 10.55
Im legendären Alexandra Palace hat Pietreczko bereits einige Favoriten das Fürchten gelehrt. Zuerst gewann er überraschend gegen den höher eingeschätzten Niederländer Gian van Veen, dann gelang ihm in der dritten Runde ein Sieg gegen Scott Williams. Der Engländer stand im Vorjahr immerhin im Halbfinale. Doch Pietreczko hat längst ganz andere Ziele im Blick: "Ich spiele das Turnier, um Weltmeister zu werden", stellte er klar.
Solche Töne sind für den 30-Jährigen eher ungewöhnlich. Im Gegensatz zu einigen anderen Darts-Größen, die sich eher extravagant geben, wirkt Pietreczko zurückgezogen, was ihm schon die eine oder andere verbale Spitze der Konkurrenz eingebracht hat. Darts-Superstar Michael van Gerwen unterstellte ihm nach dem WM-Ausscheiden im vergangenen Jahr, er habe "überhaupt keine Eier".
Pietreczkos diesjähriger Achtelfinalgegner Nathan Aspinall sagt: "Ricardo ist ein großartiger Spieler, aber ein seltsamer Typ. Er macht sein eigenes Ding, hängt immer mit seiner Freundin ab bei den Turnieren. Ich habe noch nie wirklich ein Wort mit ihm gesprochen."
Seit einem Jahr sind Pietreczko und seine 28 Jahre alte Freundin Lena ein Paar, neben dem privaten Glück profitiert er auch an der Scheibe von der Beziehung. Immer wieder habe er beim Drittrundenspiel gegen Scott Williams Blickkontakt zu seiner Freundin gesucht, erzählte Pietreczko beim Sender Dazn: "Sie hat gesagt: Es passt, alles gut. Das ist für mich der Schlüssel zum Erfolg." Das Paar lernte sich in Hannover kennen, wo Pietreczko mittlerweile wohnt und seine Freundin ebenfalls Darts spielt. Geboren ist der 30-Jährige in Berlin, aufgewachsen in Nürnberg.FS Darts Fans in London 12.57
In der Darts-Welt ist Pietreczko vor allem unter seinem Spitznamen Pikachu bekannt. Ein Bekannter hatte seinen Nachnamen falsch verstanden, seitdem heißt der 30-Jährige wie das gelbe Pokémon mit dem Donnerblitz. Passend dazu läuft er vor seinen Matches zur Pokémon-Serienmusik ein. Mit 16 Jahren entdeckte Pietreczko Darts für sich, 2022 erspielte er sich die Tourcard, die ihm den Weg auf die großen Bühnen und zu einem Leben als Profi ebnete. Der Weltranglisten-34. hat in seiner Karriere bisher fast 300.000 Euro Preisgeld erspielt.
Beruflich verlief die Laufbahn des gebürtigen Berliners nicht sonderlich geradlinig. Pietreczko versuchte sich schon in verschiedenen Berufen, fing Ausbildungen als Postbote, Kellner und Maler an. Die Hauptrolle spielte jedoch die Leidenschaft für die Pfeile. "Ich sehe mich so lange Darts spielen, bis ich nicht mehr stehen kann", sagt er.DartContra 13.35
Die Weihnachtstage verbrachte Pietreczko mit seiner Freundin in London. Allerdings nicht ganz freiwillig: Der Darts-Spieler leidet an starker Flugangst, reist so oft es geht mit der Bahn oder mit dem Auto zu Turnieren. Und für die Feiertage zurück in die Heimat zu fahren, hätte während des Turniers unnötige Strapazen bedeutet.
Der Verzicht auf Weihnachten mit Familien und Freunden hat sich gelohnt: Nun steht Pietreczko als erst zweiter Deutscher überhaupt im WM-Achtelfinale. Bisher hatte das nur Gabriel Clemens (2021 und 2023) geschafft. Mit Nathan Aspinall trifft er erneut auf einen Favoriten – und einen Engländer. Wie also schon im Match zuvor wird die deutsche Darts-Hoffnung im "Pally Ally" einen schweren Stand haben. Aber das kennt "The Last German Standing" Ricardo Pietreczko ja bereits.
Quellen: Sport1,"Bild", "Dartn", PDC, "Fränkischer Tag", Nachrichtenagentur DPA