Um zur Ausstellung zu gelangen, muss man eine breite Marmortreppe in den ersten Stock des Museums hinaufsteigen. Auf der Plattform zwischen den Treppenläufen wird der Besucher von einem großen Banner begrüßt, das die Ausstellung ankündigt. Wenn man die Treppe hinaufgeht, sieht man, dass sich hinter dem Banner eine Büste von Kaiser Alexander III. versteckt. Der strenge Blick des Monarchen lässt vermuten, dass er mit dem Geschehen nicht sehr zufrieden ist.
Laut Organisatoren besteht das Hauptziel der Ausstellung darin, die Besucher in die Sowjetära eintauchen zu lassen. Sie soll zeigen, was das Land damals durchmachte und was die Sowjetbürger fühlten und anstrebten. Der Titel der Ausstellung, „Bild und Wort“ sei eine Metapher, die die Einzigartigkeit der Plakatkunst widerspiegelt. In ihr wird eine Zeichnung immer von einem Text begleitet, das eine lebt nicht ohne das andere.
Auch die Komposition der Ausstellung ist voller Bedeutung. Sie beginnt mit der Sektion „Demiurg und Erbauer“, die zeigt, wie sich die Sowjetmacht die Gesellschaft der Zukunft vorstellte. Hier wird das Land dank der Einheit von Wissenschaft und Industrie umgestaltet: Grandiose Kraftwerke wachsen aus dem Boden, die mächtige sowjetische Marine erobert die Gewässer, und fortschrittliche Raumfahrzeuge durchpflügen den Kosmos. Die auf den Plakaten abgebildeten Menschen der Zukunft sind ein Muster an Perfektion: Sie zeigen statuenhafte Figuren, schöne und edle Gesichter, sie kümmern sich um das Gemeinwohl und erringen beharrlich immer mehr Arbeitssiege. Sie schauen die Besucher an und scheinen sie einzuladen, sich ihnen anzuschließen, um so bald wie möglich eine strahlende Zukunft auf der Erde zu schaffen.
Die nächste Sektion, „Genossin Frau“, ist dem „schönen Geschlecht“ gewidmet. Hier sehen wir, wie sich junge Frauen gegen die „Küchensklaverei“ auflehnen und in verschiedenen Bereichen vor uns erscheinen: in der Arbeit, an der Macht, im Krieg. Man kann das feministische Motiv leicht erraten: Alles, was ein Mann tun kann, kann jetzt, mit dem Aufkommen der Sowjetmacht, auch eine Frau tun. Laut Kuratoren der Ausstellung, veranschaulicht die Sektion auch eine der Hauptideen des sowjetischen Plakats: „Der Mensch findet Schönheit durch Arbeit“.
Den zentralen Platz in der Sektion „Mut und Sieg“ nimmt eine Miniatur der Mutter-Heimat-Statue von Jewgeni Wutschetitsch ein. Die Skulptur ist ein „Echo“ der sie umgebenden Plakate. Die Mutter-Heimat, die ein Schwert in der erhobenen Hand hält, spiegelt sich auf den Ständern wider: Wir sehen Soldaten, die diese Geste wiederholen, aber statt eines Schwertes halten sie Gewehre.
Im nächsten Abschnitt „Raus mit den Lastern“ geht es um die „inneren Feinde“ – Schwätzer, Müßiggänger, Faulenzer und Spione –, die den Aufbau einer glänzenden Zukunft sabotieren. Es handelt sich dabei meist um komische Sujets.
Den Abschluss der Ausstellung bildet der Bereich „Sport“. Die sowjetischen Plakate vermittelten durch Sportthemen die Idee einer strahlenden Zukunft und zeichneten das Bild eines „sowjetischen Paradieses“. Sie stellen einen perfekten Menschen dar, einen Halbgott, der bereits in einer idealen Welt lebt.
Es gibt in der Austellung auch sechs multimediale Installationen. Zum Beispiel einen „Neuro-Spiegel“ – ein großer vertikaler Bildschirm mit einer Kamera verarbeitet das Bild der Besucher in Sekundenschnelle und verwandelt es in ein sowjetisches Poster mit ihnen in der Hauptrolle. Für den „Neuro-Spiegel“ wurde ein einzigartiges Modell künstlicher Intelligenz entwickelt. Es wurde an mehr als 600 Plakaten trainiert.
Nebenan befindet sich die „Plakatmatrix“. Hier generiert die eingebaute KI ein einzigartiges sowjetisches Poster für Sie. Sie können die Parameter auf dem Touchscreen-Tablet einstellen, und das Ergebnis wird auf dem Panoramabildschirm angezeigt.
Von Alexej Karelski
Запись Die ideale Poster-Welt впервые появилась Moskauer Deutsche Zeitung.