Tonies sind ein bisschen wie eine Kinderüberraschung. Nur ohne Schokolade. Dafür mit Hörvergnügen. Meistens jedenfalls. Die Figuren sind beliebt und begehrt. Warum eigentlich?
Kennen Sie schon die derzeit härteste Währung in Haushalten mit Kindern? Sie heißt Bildschirmzeit und wird in Minuten pro Tag oder auch pro Woche gehandelt. Das klingt verrückt. Ist aber das täglich Brot vieler Eltern, deren lobenswerter Plan es einmal war, ihre Sprösslinge so behutsam wie möglich an den Konsum von Medien aller Art heranzuführen. Geklappt hat das häufig eher mittel. Vielleicht auch, weil Bildschirmzeit in den Kindertagen von Mama und Papa eine weitaus weniger wichtige Rolle gespielt hat.
Womöglich spukten Patric Faßbender ähnliche Gedanken durch den Kopf, als er sich 2013 das Ziel steckte, ein digitales Musikabspielgerät für Kinder zu entwickeln. Nach eigener Aussage auch, um dem Nachwuchs mehr bildschirmfreie Zeit zu verschaffen. Mit dem Wissen von heute ein Projekt, das nur in die Hose gehen konnte. Doch Faßbender zog durch und tüftelte an einem mobilen und für Kinderhände geeigneten Nachfolger für Walkman, Kassettenrekorder und CD-Player. 2016 kamen die ersten Tonieboxen auf den Markt. Dazu 14 Hörspielfiguren, die sogenannten Tonies.
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Das Prinzip Toniebox ist bekannt und schnell erzählt. Jede der mittlerweile mehreren hundert bunt bedruckten Figuren wurde ein winziger NFC-Chip eingepflanzt. Einmal auf die Box gestellt (und mit einem WLAN verbunden), erkennt der Würfel, welche Geschichte er aus der virtuellen Toniecloud fischen und im irdischen Kinderzimmer abspielen soll. Die Box ist der Lautsprecher. Unser Autor kann aus eigener Erfahrung berichten, dass das in der Regel ganz ausgezeichnet funktioniert. Im Zimmer seiner Kinder tummeln sich mehrere Dutzend Tonies, die an Geburtstagen, Ostern, Weihnachten oder einfach mal zwischendurch einzogen. Einige davon fristen ein eher trauriges Dasein. Andere sind im Dauereinsatz und kommen kaum zum Verschnaufen.
Doch woran erkennt man, dass eine Toniefigur besonders beliebt ist? Richtig, das Hörspiel kann nach einiger Zeit mit verteilten Rollen selbst zu Hause aufgeführt werden. Im Fall von "Der König der Löwen", einem Action-Abenteuer von Asterix und Obelix oder Ottfried Preußlers Räuber Hotzenplotz kann das durchaus Spaß machen. Wenn der Junior im Sommer zum vierzehnten Mal Rolf Zuchowskys "Weihnachtsbäckerei" auf der Toniebox platziert, wird es schwierig. Wer darauf keine Lust hat, sollte die Weihnachts-Tonies zwischen Januar und November an einem sicheren Ort verwahren.
Die weite Welt der Tonies ist farbenfroh und vielfältig. Mehr als 400 liebevoll designte und handbemalte Figuren buhlen um die Gunst kleiner (und großer) Hörgeschichten-Fans. Beliebte TV-Serien, neue und alte Disneyfilme, Kinderbücher, Märchen und vieles mehr wurden und werden in Hörspiele übersetzt. Das Sammelfieber kann allerdings ganz schön ins Geld gehen. Bobo Siebenschläfer, sämtliche Disneyfiguren, Pittiplatsch, das Neinhorn, Furzipups & Co. schlagen mit knapp 17 Euro zu Buche. Geht so was noch als kleines Geschenk zum Kindergeburtstag durch? Oder macht man sich damit schon bei den Müttern anderer Gäste unbeliebt? Nur zur Erinnerung: So viel schob Papa vor 30 Jahren für das legendäre Green-Day-Album "Dookie" über die Ladentheke (damals noch in D-Mark).
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Abgesehen davon haben die Hör- und Spielfiguren durchaus Sucht- und Sammelpotenzial. Das liegt auch daran, dass man sie alternativ in Lego-Eisenbahnen setzen, für Brettspiele nutzen oder in eigens dafür gemachten Regalen ausstellen kann.
Bei der großen Vielfalt fällt es gar nicht so leicht, die besten Tonies herauszupicken. Etwas leichter tut sich der Autor mit denen, die er nicht vermisst, wenn sie mal unters Bett geschossen wurden. Dazu gehört Leo Lausemaus. Spätestens beim dritten Hören nervt der missmutige Mäuserich in den Geschichten nicht nur seine Mutter. Abgesehen davon sind die Rollenklischees, die hier bedient werden, komplett aus der Zeit gefallen. Etwas ratlos zurück, bleibt man auch bei Leos Tag, einem Wissens-Tonie für Kinder ab 3 Jahren. In "Windel, Töpfchen, Klo – das geht so", will der süße Mini-Leopard von seiner Mama als Erstes wissen, warum sie keine Windel trägt.
Großartig produziert und erzählt sind die fast 100 Geschichten und Abenteuer der Disney-Stars. Von Eiskönigin Anna über Mogli, Winnie Puuh und Nemo bis zu Vaiana, der Heldin aus der Südsee ist hier für jeden etwas dabei. Und auch an Mama und Papa haben die kreativen Köpfe in der Tonies-Werkstatt gedacht: Schöne Kindheitserinnerungen weckt beispielsweise der fantastische Traumzauberbaum mit den Geschichtenliedern von Reinhard Lakomy und Monika Ehrhardt. Auch die Mausgeschichten und das Sandmännchen sind ein großer Hörspaß für die ganze Familie. Weit vorn in den Tonie-Charts landen zudem die Clever Tonies für den ganz neugierigen Nachwuchs. Das Motto: Staunen, Stapeln, Sammeln im 4er-Pack. Die Sachhörspiele gibt's unter anderem von Checker Tobi, Geolino und der beliebten "Was ist Was"-Reihe.
Die allermeisten Tonies machen eine sehr gute Figur. Dazu fesseln sie Kinder im besten Fall mit spannenden, lustigen oder lehrreichen Geschichten und regen beim Hören die Fantasie der Kleinen an. Die Bilder entstehen also in den Köpfen der Kinder, anstatt vor ihnen über ein Smartphone-Display oder Papas 65-Zoll-Fernseher zu flimmern. Doch Vorsicht! Bei Überdosierung einiger Geschichten besteht die akute Gefahr, das Nervenkostüm hart zu strapazieren. Dafür haben die kleinen Racker ein halbes Stündchen weniger Zeit vor der Glotze verbracht.
