Friedrich Merz hat ein Frauenproblem: Männer als mögliche Minister hat er genug. Bei Frauen wird es leiser. Dabei wartet im Hintergrund noch eine auf ihre große Chance.
Öffentlich verbieten sich Vorschläge für Ministerämter in einer nächsten Regierung natürlich. Gerade für die Union, die mit weitem Abstand die Umfragen anführt. Bloß kein Größenwahn. Schließlich sind's noch 70 Tage bis zur Bundestagswahl.
Als etwa Ex-Gesundheitsminister Jens Spahn sich neulich öffentlich für sein nächstes Ministeramt ins Spiel brachte, wurde in der Union schwer die Nase gerümpft. Spahn sieht das inzwischen selbst als Fehler an.
Intern aber wird längst geredet: Wer will? Wer kann? Wer darf?
Spahn und Generalsekretär Carsten Linnemann werden häufig genannt, auch Thorsten Frei, der parlamentarische Geschäftsführer. Bei Frauen wird es dagegen stiller. Als gesetzt erscheint niemand. Fast alle wichtigen Posten in der CDU werden von Männern bekleidet.
Es fallen dann die Namen von Karin Prien, Bildungsministerin in Schleswig-Holstein, und Ex-Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner, vielleicht noch Fraktionsvize Silvia Breher aus Niedersachsen. Aber sonst ...?
Dabei scheint sich unbemerkt von der Öffentlichkeit eine andere Frau in den Machtkosmos des Kanzlerkandidaten gespielt zu haben: Ines Claus aus Hessen. Ihr Name wird intern mittlerweile in sehr vielen Gesprächen genannt, wenn es um Plätze in einem Kabinett eines möglichen Kanzlers Friedrich Merz geht. Ist die Landespolitikerin aus Wiesbaden auf dem Weg nach Berlin?
Die mit 1,83 Meter große 47-Jährige ist seit Jahren die einzige weibliche Fraktionsvorsitzende der Union in Deutschland, auch in den Ländern bekleiden diese Posten sonst nur Männer.
Merz hält, so ist es zu hören, viel von Claus: katholisch, konservativ, bodenständig. In seinem Umfeld wird sie als kompetent und präsent beschrieben. Ansonsten will man sich nicht zu Personalien äußern. Ein klassisches Schattenkabinett gibt es noch nicht – und wird es auch, wie es heißt, nicht geben.
Die Juristin Claus wurde in Wiesbaden geboren, amtiert seit 2020 als Fraktionsvorsitzende in Hessen. Die Mutter dreier Kinder galt schon einmal als mögliche Nachfolgerin von Volker Bouffier. Es setzte sich aber der heutige Ministerpräsident Boris Rhein durch. Claus blieb Fraktionsvorsitzende, das bedeutete für sie mehr Eigenständigkeit als in der Kabinettsdisziplin.
Die CDU-Politikerin sitzt seit 2022 auch im Bundespräsidium ihrer Partei, fährt deshalb schon jetzt einmal die Woche nach Berlin. Im Frühjahr wollte sie sogar Vize-Chefin werden, zog am Ende aber zurück, auch, um der Union Personaldebatten zu ersparen. Die Führung war erleichtert.
Mancher in der Partei glaubt: Das habe ihren Kredit bei Merz noch einmal erhöht, weil sie sich in den Dienst der Partei gestellt habe. Als Ministerialbeamtin kenne sie die Mühlen der Verwaltung. Als Juristin sei sie dazu vielseitig einsetzbar, als Familienministerin etwa, oder sogar für das Innenressort.
Was ebenfalls für Claus spricht: In der Regierung droht ein Überschuss an Vertretern aus dem mächtigen Landesverband Nordrhein-Westfalen. Spahn, Linnemann und Merz selbst stammen von dort.
Für den großen Landesverband Hessen könnte Claus zusammen mit Ministerpräsident Rhein ein Gegenwicht bilden, indem sie in die Regierung geht. Andere Kandidaten aus Hessen sind nicht in Sicht. Es sei denn, Merz reaktiviert den Ex-Ministerpräsidenten Roland Koch. Der ist zwar schon eine Weile raus aus der Politik, aber drei Jahre jünger als Merz selbst – und ein enger Vertrauter des Kanzlerkandidaten.
Gegen Claus spricht das Beispiel von Nancy Faeser. Olaf Scholz holte die SPD-Politikerin 2021 als Chefin des Innenressorts, ebenfalls aus der Landespolitik, ebenfalls aus Hessen. Faeser wirkte gerade anfangs oft überfordert, wurde in der SPD als Fehlgriff gesehen.
Faeser ist seither beständig unter den unbeliebtesten Politikern des Landes und nahm zwischendurch als Spitzenkandidatin der SPD in Hessen eine historische Wahlklatsche mit. Manchem in der Union gilt sie als mahnendes Beispiel.
Hessen Signal Bundes-Grüne 18.07
Letztlich wird für Claus vieles vom Wahlergebnis, der Farbe der Koalition und natürlich der Verteilung der Ministerien abhängen. Und damit auch davon, welche Posten die Schwesterpartei CSU übernehmen möchte: Bei den Bayern rechnen sich mit Dorothee Bär und Andrea Lindholz zwei Frauen Chancen auf einen Ministerposten aus.
Gewiss ist nichts, Garantien gibt es schon gar nicht. Aber Ines Claus wird sich Gedanken machen in diesen Tagen. Würde Ministerpräsident Rhein sie nach Berlin ziehen lassen? Wie passt der Job zur Familie mit drei kleineren Kindern? Kann sie es auf Bundesebene wirklich besser machen als Nancy Faeser?
Am Ende, so viel ist klar, entscheidet im Fall eines Wahlsiegs der Union vor allem einer: Friedrich Merz.