Lastenrad statt Autotransport – das schont die Umwelt und ist verlockend, wenn die Kinder sicher untergebracht sind. Wir haben das FS Life 200 Family Plus ausprobiert.
Da steht es nun: das Ca Go FS Life 200 Family Plus. Unwillkürlich muss man schlucken, so groß ist es. Zumindest wirkt es so. Vergleicht man es mit dem eigenen Rad – 29er vollgefedertes Mountainbike – ist es tatsächlich nur ein paar Zentimeter länger. Und nimmt man den Lenker des Mountainbikes zum Maß, auch nicht breiter.
Beim FS Life 200 Family Plus ist alles auf Sicherheit getrimmt. Lastenräder im privaten Bereich sind vorrangig "Kinder als Passagier"-Räder. Damit die Kleinen möglichst sicher sitzen, haben sie kleine Sitze mit Sicherheitsgurten. Dazu sind sie in einer tiefen Wanne untergebracht und die ist nicht aus Holz, sondern aus Polypropylen-Schaum (EPP).
EPP ist ein Material aus dem Kfz-Bereich. Bei Autos werden daraus Stoßfänger gemacht. Bei einem Stoß verformt sich der Kunststoff, verteilt die Wucht und nimmt selbst viel Energie auf. Ein weiterer Vorteil: Das Material kann nicht splittern. Subjektiver Eindruck: In der Wanne sitzen die Kleinen wirklich sicher. Eines sollte man nicht vergessen. Das Pedelec fährt maximal 25 km/h. Selbst wenn es ungebremst gegen ein starres Hindernis auffährt, sollte die Box die Insassen schützen. Ein "normaler" Fahrradfahrer genießt diesen Schutz nicht und dürfte schwere Verletzungen davontragen.Lastenrad Service 20 Uhr
Clever ist auch die Bremsanlage. Ein einfacher Trick macht es unmöglich, sich zu verbremsen. Was ist damit gemeint? Normalerweise bedient ein Hebel jeweils eine Bremse – vorn oder hinten. Bei einem so langen Rad wie diesem hat ungleichmäßiges Bremsen – vor allem vorn – aber böse Folgen. Die Lösung: Ab einem gewissen Druck öffnet sich hier ein Ventil, sodass immer gleichmäßig gebremst wird. Magura IBS nennt sich das System.
Wie fährt das Rad? Gewöhnungsbedürftig! Bevor man sich mit dem FS Life 200 und Kindern in das Gewühl der Großstadt wirft, sollte man das Lastenfahrrad ausgiebig in ruhigeren Stunden benutzen. Es dauert einen Moment, bis man sich mental auf das neue Format eingestellt hat. Bis man instinktiv erfasst hat, welche Kurven man fahren kann und welche besser nicht und wo das Rad hindurchpasst und wo nicht.
Das Testrad war mit der Enviolo Automatiq ausgerüstet. Ihr Vorteil: Ums Schalten muss man sich keine Gedanken machen, das geschieht von allein. Man selbst tritt immer in der gleichen Frequenz und das Rad beschleunigt, je nachdem wie viel Druck man in die Bewegung gibt. Dabei muss man durchaus arbeiten. Ein elektrisches Mountainbike fährt im Flachland in der höchsten Stufe – bei Bosch Turbo – fast von allein. So ist das FS Life 200 nicht abgestimmt, man muss durchaus mitarbeiten.
Wirklich ungewohnt ist das nach vorn gelegte Vorderrad. Bei einem normalen Bike liegen der Lenker und die Nabe der Vorderachse nahe beieinander. Beim Lastenrad liegt zwischen Lenker und Nabe, die die Kurvenbewegung definiert, ein erhebliches Stück – die ganze Kinderbox. Vorn wird gelenkt und man selbst sitzt auf der Rückbank. Auch ungewohnt ist, wie wenig Gewicht bei einer leeren Wanne auf dem Vorderrad liegt. Selbst wenn die Akkus absichtlich so platziert sind, dass sie Druck erzeugen, bleibt das kleine Vorderrad doch ziemlich flatterig. "Angesteuert" wird es mit einer doppelt ausgeführten Seilzuglenkung. Sie arbeitet ausgezeichnet, es gibt kein Spiel oder irgendeine spürbare Verzögerung.
Es ist kein Problem, ein großes Gewicht mit dem FS Life 200 zu transportieren. Voll beladen fährt es merklich anders als leer. Und Gewicht ist durchaus ein Thema. Das FS Life 200 hat nur zwei Räder und muss daher auf seinem Ständer aufgebockt werden, wenn es stehen soll. Anders also als ein dreirädriges Lastenrad. Dafür gibt es einen cleveren Griff – und den benötigt man auch. Schließlich muss der vordere Teil des Rades angehoben werden. Je mehr Gewicht in der Wanne ist, umso sportlicher wird es.
Leer wiegt das Rad 54 Kilogramm mit einem Akku – stockt man auf einen zweiten Akku auf, ist man bei 60 Kilogramm. Im Testfall musste das Rad auf dem Weg vom Unterstand auf die Straße viermal abgestellt werden – da weiß man hinterher, was man getan hat. Rangieren lässt es sich dagegen sehr leicht, denn das Vorderrad erlaubt einen sehr starken Lenkeinschlag. Rechnet man 90 Kilogramm für den Fahrer mit Kleidung und Tasche, bleiben bei einem zulässigen Gesamtgewicht von 225 Kilogramm sagenhafte 75 Kilogramm Zuladung.
Ein Rad in dieser Preisklasse muss sicher abgestellt werden. Sicher vor Wind, Regen und vor Dieben. Außerdem sollte ein Stromanschluss in der Nähe sein, damit sich das Gefährt bequem laden lässt. Natürlich kann man die unter der Passagierwanne untergebrachten Akkus auch entnehmen, aber wirklich elegant ist das nicht.Testbericht Lastenrad 12.10
Auch wenn der Start etwas gewöhnungsbedürftig ist, lässt sich das FS Life 200 nach einigen Tagen sicher und auch flott bewegen. Unbefestigte Feldwege sind kein Problem, für echtes Offroad oder gar Sprünge ist das Rad natürlich nicht geeignet. Durch Ständer und Griff lässt es sich überall abstellen, der große Lenkeinschlag hilft. Ob Kindertransport oder Einkauf – die täglichen Bedürfnisse lassen sich prima mit so einem Lastesel erledigen. Wenn man es gewohnt ist, viele Strecken und Besorgungen mit dem Rad zurückzulegen, fällt der Unterschied kaum auf. Sicher, das FS Life 200 ist nicht gerade sportlich, aber auch kein lahmer Ackergaul.
Für wen ist das was? Vom Sicherheitskonzept her ist das Rad für eine Familie oder eine Einzelperson mit Kindern gedacht. Und diese Familie sollte nicht auf den Euro schauen müssen. Das FS Life 200 Family Plus muss man sich leisten können. Der Grundpreis beträgt satte 8500 Euro – das ist kein Rad für die Niedriglohngruppe. Die Motoren der jetzigen Generation sind allerdings unverwüstlich, ganz anders als die der ersten. Bei E-Bikes verschleißen die Bremsbeläge generell schneller als bei einem Rad mit Muskelantrieb. Bei einem Lastenrad kommt dann noch das Gewicht hinzu. Das Rad benötigt also etwas Liebe und Service. Wenn es geschützt steht, dürfte es dafür ewig halten.
Bei der Ausstattung wurde nicht gegeizt. Die Kindersitze sind verstellbar und haben einen Fünf-Punkt-Gurt. In der Family Plus Variante sind ein GPS -Tracker und eine Regenabdeckung für die Box mit dabei. Als Motor wurde erwartungsgemäß der Bosch CX Cargo Line verbaut. Die Übertragung an die Automatik geschieht mit einem Gates-Riemen. Dazu gibt es das Kiox-Display mit seinen unendlichen Möglichkeiten.
Das kleine Vorderrad wird mit einer Suntourgabel gefedert. Das hintere Rad ist starr, den Sattel dämpft eine Federung. Es gibt einen stabilen Gepäckträger. Dennoch ist die Ausstattung nicht allumfassend. Ob man einen Front-Organizer (44,95 Euro) oder ein Montageset für die Babyschale (99,95 Euro) benötigt, kommt auf den Einzelfall an. Das Magura IBS zum gleichmäßigen Bremsen würden wir auf jeden Fall dazukaufen – macht 390 Euro plus. Und wenn es auch nur wegen der Bequemlichkeit beim Laden geschieht, würden wir auch einen zweiten 625 Wh Akku ordern – noch einmal 690 Euro. Dann kommt man schon auf 9500 Euro.
Das FS Life 200 fährt dynamisch und im Verkehr benötigt es tatsächlich kaum mehr Raum als ein größeres Standardrad. Auf dem Land, in den Vororten oder in Kleinstädten findet es mehr Lebensraum als auf den zugestellten Wegen der Innenstädte. Die Sicherheitswanne und das optionale Zubehör sind eindeutig auf den sicheren Transport von Kindern ausgelegt, auch wenn sich natürlich auch Getränkekisten bewegen lassen. Der Preis rechtfertigt sich wegen des hohen Sicherheitsniveaus. Im Testrad war alles verbaut, was gut und teuer ist. Geht man die Ausstattung durch und vergleicht es mit Produkten, die auf den ersten Blick billiger erscheinen, relativiert sich der Eindruck schnell. Das Rad sollte einen sicheren Abstellort mit Stromversorgung bekommen. Laternenparker dürften nur kurz Freude am FS Life 200 haben.
Transparenzhinweis: Das Lastenrad wurde von der Firma Ca Go für den Testzeitraum zur Verfügung gestellt.