Besserer Zugang von Migranten zum Arbeitsmarkt, mehr Schutz kritischer Infrastruktur: Die Nord-Grünen beziehen in der aktuellen Debatte klar Position. An ihrer Spitze bleibt alles beim Alten.
Schleswig-Holsteins Grüne tragen den schwarz-grünen Bundesrats-Vorstoß zur Migration mit. Verschärfungen darüber hinaus wollen sie aber nicht. Integrationsministerin Aminata Touré forderte auf dem Landesparteitag in Neumünster, dass sich die Partei generell stärker in die Migrationsdebatte einmischen müsse. Außerdem wurden Anke Erdmann und Gazi Freitag für zwei Jahre als Landesvorsitzende wiedergewählt.
Touré sagte auf dem Landesparteitag zum Thema Migration: "Ich will, dass wir in diesen Themenbereichen wieder stärker mit eigenen Schwerpunkten auftauchen", sagte Touré. Sie habe sich ganz vehement für den Bundesrats-Vorstoß eingesetzt. "Heute gibt es nach wie vor regelmäßige Angriffe auf Asylbewerberheime in ganz Deutschland", sagte Touré. Die Migrationsdebatte habe sich zu einem Überbietungswettbewerb entwickelt. "In einer solchen Zeit zu regieren, ist alles andere als leicht."
Besserer Arbeitsmarkt-Zugang
Die Grünen fordern besseren Zugang von Migrantinnen und Migranten zum Arbeitsmarkt und setzen auf freiwillige Ausreisen abgelehnter Asylbewerber. Gemeinsam mit den ebenfalls schwarz-grün regierten Ländern Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg startete das schwarz-grüne Bündnis einen Vorstoß mit effektiveren Regeln zur Überstellung Schutzsuchender innerhalb Europas.
"Wir brauchen ein Stoppschild mit Blick auf das Grundrecht von Asyl", sagte Touré. Politik sei in der Praxis manchmal das Verhindern von noch viel Schlimmerem. Gemeinsam mit Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) habe sie eine weitere Bundesratsinitiative zur Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten vereinbart.
Schutz wichtiger Strukturen
Die Partei fordert auch einen besseren Schutz kritischer Infrastrukturen. Es habe bereits Angriffe auf Glasfaserkabel, Beschädigungen an Flüssiggas-Anschlüssen und auch Drohnenflüge über dem Industriegebiet Brunsbüttel gegeben, sagte der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums, Konstantin von Notz. "All das sind keine Erzählungen aus irgendwelchen dystopischen Science-Fiction-Romanen". Das sei die Realität in Deutschland, auch in Schleswig-Holstein.
Die Drohnenflüge im schleswig-holsteinischen Brunsbüttel sollen laut einem "Spiegel"-Bericht Anfang August über dem ChemCoast Park begonnen haben. Direkt daneben liegen ein LNG-Terminal und ein stillgelegtes Kernkraftwerk. Die für Staatsschutzsachen zuständige Staatsanwaltschaft Flensburg leitete ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Agententätigkeit zu "Sabotagezwecken" ein.
Die Grünen fordern, die Strukturen zur Erkennung und Abwehr von hybriden Bedrohungen sowie den Schutz kritischer Infrastruktur entschlossen auszubauen. "Bedrohungslagen sind im Zuge des russischen Angriffskriegs exorbitant gestiegen – davon zeugen die Vorkommnisse in Brunsbüttel", sagte von Notz.
Konkret fordert die Partei, auch die Regulierung von Internet-Plattformen wie Tiktok entschlossen voranzutreiben. Die Verfassungsschutzämter sollen gestärkt werden. "Den effektiven Schutz vor militärischen Drohnen der neusten Generation, vor Mini-U-Booten, die an Oligarchenjachten hängen, und vor Geheimdienstkommandos kann nicht allein die schleswig-holsteinische Landespolizei leisten." Notwendig sei ein Zusammenspiel von Polizei, Nachrichtendiensten und Bundeswehr unter strenger Beachtung verfassungsrechtlicher Vorgaben.
Neuer alter Vorstand
Bereits am Samstag hatte die Partei das Führungsduo Anke Erdmann und Gazi Freitag für zwei Jahre wiedergewählt. Beide sind seit 2022 Landesvorsitzende. Erdmann erhielt bei ihrer 100 Stimmen. Fünf Delegierte stimmten mit Nein. Zudem gab es eine Enthaltung. Freitag kam auf 91 Stimmen bei 13 Gegenstimmen und 7 Enthaltungen.
Erdmann sagte, die Partei sei mittlerweile "offenbar an allem schuld". Dabei habe sie beachtliche Erfolge erzielt beispielsweise beim Ausbau der erneuerbaren Energien, sinkenden Netzentgelten und der Bergung von Munitionsaltlasten aus der Ostsee. "Das geht alles auf unsere Kappe und ist kein Grund, in Sack und Asche zu gehen."
Freitag mahnte, "wir müssen Brücken bauen und nicht Gräben vertiefen". Die Partei dürfe nicht zulassen, dass Menschen gegeneinander ausgespielt werden, egal, ob es sich um Geflüchtete, Menschen mit Behinderung, queere oder arme Menschen handele.
Grüne Jugend fordert Sozialkurs
Für die Grüne Jugend stellte Mayra Vriesema klar, dass viele der Nachwuchsorganisation der Partei erhalten blieben. Im Zuge einer Austrittswelle war auch im Norden nahezu geschlossen der Landesvorstand ausgetreten. Jacqueline Kühl kritisierte, die Grüne Jugend habe seit Regierungsantritt der Ampel-Koalition viel hinnehmen müssen. Die SPD sei schon lange keine soziale Partei mehr. "Wir müssen endlich die Partei sein, die diesen Job übernimmt."
Gast in Neumünster war auch der scheidende Bundesvorsitzende Omid Nouripour. Er sagte: "Diese Partei wird so gebraucht wie wahrscheinlich noch nie, weil die Krisen sich stapeln."