Mehr Spiele, weniger Pausen: Fußballer von Topklubs sind wachsenden Belastungen ausgesetzt. Beim DFB fallen daher aktuell viele Stammkräfte aus. Spieler und Trainer schlagen Alarm.
Die Saison in den internationalen Topligen ist noch nicht alt, doch einige Profis sind bereits angeschlagen oder verletzt. Ter Stegen, Havertz, Musiala, Füllkrug, Koch, Raum, Henrichs – die Liste der Spieler, die Julian Nagelsmann bei den anstehenden Nations-League-Partien nicht zur Verfügung stehen, wurde im Laufe der Woche immer länger. Der Bundestrainer muss daher mehrere Stammkräfte mit Neulingen und Rückkehrern ersetzen.
Zu diesem Zeitpunkt der Saison ist das nicht normal. Die Verletzungsserie zeigt, dass die eng getakteten Terminkalender im Profifußball die Spieler körperlich überlasten. Bei der Europameisterschaft im Sommer litt auch das Niveau der Spiele merklich darunter. Die starbesetzten Engländer, die sich im Finale Spanien geschlagen geben mussten, mogelten sich etwa mit nur zwei Toren und einem Sieg durch die Vorrunde. Ansehnlicher Fußball war das nicht.
Das Thema Belastung im Profifußball ist eine alte Leier. Schon 2019 veröffentlichte die Spielergewerkschaft Fifpro, bei der mehr als 65.000 Profis Mitglieder sind, einen offenen Brief mit dem Titel "At The Limit: Player Workload in Elite Professional Men’s Football", in dem viele internationale Stars zu Wort kamen, auch die Premier-League-Trainerlegenden Jürgen Klopp, damals Liverpool FC, und Pep Guardiola, Manchester City.
Kommentar zu Klopps RB-Wechsel 13:34
Einer von Guardiolas Spielern sorgt nun dafür, dass die Debatte wieder hochkocht: der spanische Europameister Rodri. Der 28-Jährige brachte sogar einen Spielerstreik ins Gespräch. "Ich denke, wir sind dicht davor", sagte er auf die Frage eines Journalisten bei einer Pressekonferenz. "Sie können jeden Spieler fragen, wen Sie wollen, er wird das Gleiche sagen."
Die bittere Ironie des Schicksals: Am vergangenen Sonntag verletzte sich Rodi beim Topspiel zwischen Manchester City und dem FC Arsenal (2:2) schwer am Knie. Diagnose: Kreuzbandriss. Der Mittelfeldregisseur fällt wohl für den Rest der noch jungen Saison aus. Für Guardiola und sein Team ist das ein herber Rückschlag.
Auch in der Bundesliga werden Stimmen lauter, die fordern, die Spielpläne anzupassen. "Ich habe mitbekommen, dass viel darüber geredet wurde, weil immer mehr dazukommt. Und ich kann dem nur zustimmen", sagt Jonathan Tah der Deutschen Presse-Agentur. Er liebe es, auf hohem Niveau zu spielen. "Aber trotzdem muss es irgendwann eingegrenzt werden", so der deutsche Nationalspieler.
Mit Bayer Leverkusen tritt Tah seit dieser Saison in der Champions League an. Die Königsklasse startete im September mit einem neuen Modus und stockte von 32 auf 36 Klubs auf. Dadurch hat jeder Verein zwei Spiele mehr. Sollte nicht der direkte Einzug ins Achtelfinale gelingen, sind es durch die folgenden Playoffs sogar vier. Spieler von Topklubs könnten angesichts der vielen Wettbewerbe, zu denen im Sommer erstmals auch die Klub-WM gehört, auf bis zu 80 Partien in einer Saison kommen. Bei Nationalspielern sind es noch mehr.
Der neue Champions-League-Modus 15.35
Für die Bundesliga nehmen der FC Bayern und Borussia Dortmund an der Klub-WM teil. "Wenn Spieler schon über Streiks reden, weiß man, dass es fünf vor zwölf ist", betonte BVB-Coach Nuri Şahin kürzlich auf einer Pressekonferenz. Bayern-Trainer Vincent Kompany pflichtete ihm bei: "Wenn du 70, 75, 80 Spiele pro Jahr spielst, kommt der Punkt, an dem es nicht mehr realistisch ist". Bereits 2019 äußerte sich Kompany kritisch, damals noch als Spieler.
"Von 1500 Spielern, die wir beobachten, fallen 800 Spieler in die Kategorie von extremer Belastung", beklagt Alexander Bielefeld, Vertreter der Fifpro im "ZDF". Mit Blick auf die Anzahl der Spiele erscheint das zunächst verwunderlich, denn im Durchschnitt absolvierten Fußballprofis von Champions-League-Teilnehmern in der letzten Saison mit 50,2 Partien weniger als noch in der Saison 2002/2003 (55,2).
Man dürfe die Belastung aber nicht nur auf die Anzahl der Spiele reduzieren, mahnt Bielefeld. Denn der Fußball ist in den letzten Jahren deutlich intensiver und schneller geworden. In der Premier League hat sich die Sprintdistanz zwischen 2007 und 2022 um 50 Prozent erhöht. Das Berufsfeld eines Profifußballers sei zudem deutlich komplexer geworden. Die Fifpro berücksichtigt in ihren Studien mittlerweile auch zurückgelegte Reisekilometer als Parameter. Auf einem Flug müssen die Spieler zwar keine Sprints laufen, können aber auch schlechter regenerieren.
Die Fifa beruft sich hauptsächlich auf die Spielanzahl und hat bislang nur an kleinen Stellschrauben gedreht, um die Belastung zu steuern: Mehr Auswechslungen sind möglich und die Kadergrenzen wurden leicht angehoben. Den Spielern und der Fifpro ist das zu wenig, weshalb der Verband bei der EU-Kommission Klage eingereicht hat.
Ob diese Früchte tragen wird, ist jedoch fraglich. Bislang verlaufen die meisten Appelle im Sand. Und obwohl Profis wie Rodri diese in den Raum stellen, dürften drastischere Maßnahmen wie Spielerstreiks vorerst unrealistisch bleiben.
Quellen: Fifpro-Bericht, ZDF, mit DPA