Wärme von draußen, Kälte von innen – die Youtuberin Kayla Shyx läutet mit ihrem ersten Song den "Sad Girl Summer" ein. Die Hymne zum Herbstanfang?
Während viele gerade dem "brat girl summer" hinterhertrauern, besingt Kayla Shyx jetzt den "Sad Girl Summer". So heißt der erste Song der Youtuberin Kayla Shyx, den sie vergangenen Freitag herausbrachte. Eine kleine Rückblende: Sängerin Charlie XCX veröffentlichte im Juni ihr Album "brat" – und löste weltweit einen Hype aus. Es wurde der giftgrüne Gören-Sommer 2024. Doch während der "brat girl summer" für Partyfreude und ein provokantes Auftreten steht, präsentiert Kayla mit "Sad Girl Summer" jetzt das Gegenteil: Verletzlichkeit und Tristesse.
Die meisten verbinden den Namen Kayla Shyx mit der Rammstein-Affäre. Kaya Loska, so heißt sie bürgerlich, hatte im Juni 2023 ein Video veröffentlicht, das damals viral ging: "Was wirklich bei Rammstein Afterpartys passiert". Darin berichtete sie von ihren Erfahrungen auf einer After-Show-Party und bekräftigte Vorwürfe gegen den Frontsänger Till Lindemann. Es folgte eine landesweite Debatte über Machtmissbrauch in der Musikbranche. Ende Juli 2023 erwirkte Lindemann Unterlassungsverfügungen vor dem Landgericht Hamburg – und Shyx musste Teile ihres Videos herausschneiden.
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Viele kennen Kayla Shyx aber nicht erst seit dem Lindemann-Skandal: Für die Kika-Serie "Mädchen-WG" stand sie bereits 2016 vor der Kamera. Die 22-Jährige lebt inzwischen in Amsterdam, isst vegan und postet seit mehr als sieben Jahren regelmäßig Videos auf Youtube. Mit ihrer direkten, oft polarisierenden Art teilt sie Meinungen und eckt manchmal an. Zum Beispiel im März, als sie Swifties in einem ihrer Videos als "langweilig" bezeichnete und ordentlich Gegenwind erhielt. Neben ihrer eigenen Modemarke widmet sich Kayla jetzt ihrer zweiten großen Leidenschaft: der Musik.
Anderthalb Jahre habe sie an ihrem Debütalbum gearbeitet, erzählt sie ihren 800.000 Abonnenten in einem neuen Youtube-Video. Bereits seit 2022 sei sie bei Sony Music unter Vertrag. Ende August veröffentlichte sie das erste Teaservideo zu "Sad Girl Summer" – nur zwei Wochen vor dem offiziellen Release am 6. September.
In dem Song verarbeitet Kayla ihre erste Beziehung, die laut ihren Aussagen zu einer erheblichen Schwächung ihres Selbstwertgefühls geführt habe. Die Beziehung habe sie so stark verändert, dass sie sich selbst irgendwann kaum noch wiedererkannte. Mit Zeilen wie "Und ich frag mich: Wo bin ich hin? Bin nicht mehr so, wie ich mich will", singt sie über ihre einstige Hilflosigkeit. Über das Verlorensein. Es geht um Enttäuschung und das Erwachsenwerden.
Mit Zeilen wie "Schönster Sommertag und ich denk‘ übers Ende nach" klingt sie mindestens melancholisch, vielleicht schon depressiv. Musikalisch ist der Song ein Mix aus Dream-Pop und Indie. Auf Spotify hat Kayla schon mehr als 20.000 monatliche Hörer, obwohl ihr Debütalbum mit insgesamt 17 Songs erst im Mai nächsten Jahres erscheinen soll. Die Gründe für diese lange Pause sind unklar.
Pünktlich zum Release ihrer ersten Single präsentierte Kayla ihr Musikvideo zu "Sad Girl Summer" auf Youtube. In den ersten 15 Stunden erreichte es über 47.000 Aufrufe. Shyx singt über das Taubheitsgefühl, das sie während ihrer Beziehung verspürte. Diesen Zustand zeigt sie durch zwei verschiedene Versionen ihrer selbst. Die Szenen sind oft verschwommen, fast wie in einem Traum. Zu Beginn des Videos scheint die Sonne hell, Seifenblasen schweben durchs Bild. Eine schwarz gekleidete Version von Kayla schaut aus dem Fenster und beobachtet eine glücklichere, unbeschwertere Variante von sich selbst, die in einem weißen Kleid fröhlich über eine Wiese rennt. Der Kontrast, die Kleidung – beides verdeutlicht den inneren Konflikt nach außen. Offenbar sehnt sie sich nach einer Zeit vor der belastenden Beziehung. Gleichzeitig ist ihr aber bewusst: "Ich werd nie wieder so, wie ich mal war."
In der Mitte des Clips stehen sich die beiden Versionen gegenüber und berühren sich an den Händen. Plötzlich wird die Stimmung düsterer: Blitze erhellen ein Friedhofskreuz. Das Video endet mit einer regungslosen Kayla, die im Regen auf der Wiese liegt.
Seit Kurzem wird Shyx von ihren Fans "Kayla Del Rey" genannt. Einige vergleichen ihre Stimme sogar mit der von Billie Eilish. Wer Indie-Pop kennt, dem fällt schnell auf, dass "Sad Girl Summer" an "Summertime Sadness" von Lana Del Rey erinnert. Doch es ist nicht nur der Titel – auch die Stimme, die Musik und die Ästhetik des Videos ähneln stark dem melancholischen "Hollywood Sadcore", für den Lana Del Rey bekannt ist. Kein sonnig flirrendes Hollywood, sondern Verlorenheit und Traurigkeit. Kayla selbst empfindet den Vergleich offenbar als Kompliment, erzählt in einem neuen Tiktok-Viedeo allerdings, dass der Song eher von Sängerin Mazzy Star inspiriert sei.
Melancholische Musik kommt in Deutschland schon seit einer Weile richtig gut an. Offenbar suchen Jugendliche nach einem Ventil für ihre Gefühle, darunter Liebeskummer und Einsamkeit. In die Musik kann das alles fließen. Mit Erfolg: Künstler wie Paula Hartmann, Berq und jetzt auch Kayla stehen für diesen neuen, nachdenklichen Sound. Er klingt wie ein Seufzen. Wie Herbstschwere nach einem flirrend leichten Sommer.
